Überraschung mischte sich mit einem merkwürdig warmen Gefühl als Darian in das blasse Gesicht des Jüngeren sah. Darian hatte lange darüber nachgedacht, wie er Nevio unter die Augen treten sollte, doch das hatte sich nun erübrigt. Er wusste es, er wusste es und hatte Darian im Dunkeln gelassen, warum? So viele Fragen. Darian musste sich gedulden, wahrscheinlich hatte Nevio gute Gründe gehabt ihre gemeinsame Vergangenheit Totzuschweigen.
„Du bist nass...“, murmelte er stattdessen Gedankenverloren und musterte die kleine, zitternde Statur des jüngeren. Darian wollte jetzt keine Gedanken an Dinge verschwenden die er nicht in der Hand hatte. „Und du...du bist schön...“ Die Panik war dem Brünetten deutlich anzusehen, genauso wie die roten Wangen über die Darian so gerne streichen würde. Ob sie sich warm unter seinen Fingern anfühlen würden? „Ich meine...ich weiß. Es...es regnet...sehr doll sogar." Nevio schien völlig überfordert zu sein, aber Darian konnte darüber nur belustigt schmunzeln. Nevio war süß, keine Frage, aber er hätte so jemanden doch nicht vergessen... Nicht jemanden wie Nevio.Ein schweres Seufzen wich den Lippen Darians als er sich aus dem Krankenhausbett erhob und zu einem kleinen Schrank herüber ging, den er öffnete und ein Handtuch hervor zog. „Zieh die Gummistiefel aus“, wies er ihn an und sofort kam Nevio der Aufforderung nach. Sein Herz klopfte schwer gegen seine Brust und er wusste nicht ob er enttäuscht oder erleichtert sein sollte das Darian sein ungewolltes Kompliment ignoriert hatte. Den Blick hielt der Junge gesenkt als er aus seinen Stiefeln schlüpfte, die bereits ekelhafte Geräusche von sich gaben, weil der Regen von oben hinein gerieselt war.
Darian drückte Nevio sanft auf das Bett hinauf und schwieg während er mit dem Handtuch versuchte die Haare des jüngeren zu trocknen. Keiner der beiden sagte ein Wort, zu viel Anspannung lag zwischen ihnen und beide zerbrachen sich den Kopf über dieselben Dinge.„G-geht es dir gut?“ vernahm Darian die leise Stimme und wäre er Nevio nicht so nah gewesen, hätte er ihn vermutlich nicht gehört. „Du wirst bald doch wieder entlassen, oder? Es ist nichts ernstes...sag mir bitte das es nichts ernstes ist!“ Die immer etwas lauter werdende, aufgebrachte Stimme ließ Darian inne halten. Hatte Nevio sich etwa Sorgen um ihn gemacht? Graue Augen bohrten sich in die seine und Darian wurde ganz schwummerig. Hatte Nevio ihn schon immer auf diese Art und Weise angesehen? Auf die Art, die sein Herz einen Takt schneller schlagen ließ? „Dari?“
Dari?
»Na los, Vio!« Rief die aufgeweckte Stimme des Vierzehnjärigen, der darauf wartete, dass der jüngere sich zu ihm auf das Skateboard stellte. »I-ich trau mich nicht...« wimmerte dieser schwach und sah so aus als würde er im nächsten Moment in Tränen ausbrechen. »Ich hab eine Idee, komm her!« Darian setzte sich auf sein Board und klopfte vor sich auf den freien Platz.
»Dir passiert nichts, versprochen«
»Ehrenwort?«
»Ehrenwort«
»Kleiner Finger Schwur?« Unsicher sah er den schwarzhaarigen an, der ihm sofort seine Hand entgegen streckte und ihre kleinen Finger miteinander verharkte und daraufhin ihre Daumen zusammen drückte.
»Kleiner Finger Schwur«Nevio lächelte schüchtern und schien nun ein wenig beruhigter zu sein als er sich vor Darian auf das Skateboard setzte und sofort die Arme spürte, sie sich um ihn legten. »Na dann, los geht's!« Rief die jüngere Version Darians und schon sausten die beiden den Berg zum Camp hinab. Doch während Darian lachte, war von Nevio nur ein lautes und erschrockenes Quietschen zu hören. Erst als die beiden eine Vollbremsungen einlegten und im Gras landeten- Nevio halb auf Darian, der ihn immer noch nicht losgelassen hatte- waren beide ruhig geworden und man hörte nur noch ihrer beider Atem. »Und? Ich hab doch gesagt es wird lustig« Grinste der ältere. »D-das... Das... Das war der Hammer, Dari!«
Und ab diesem Moment begann die kurze Freundschaft der beiden erst so richtig.
„..ian...Darian!“
Blinzelnd holte der zwanzigjährige sich in die Gegenwart zurück und merkte erst jetzt, dass Nevio sein Gesicht mit den kalten Händen umfasst hatte und ihn besorgt ansah. „Ja... Ja, mir geht's super...“, murmelte er noch etwas von der Rolle durch diese plötzliche Erinnerung die durch seinen Kopf geschossen war. Die Bilder waren verschwommen gewesen, ein wenig wirr und doch hatte sich ein breites Lächeln auf seinen Lippen ausgebreitet. Darian legte seine warmen Hände auf die kühlen des anderen und holte einmal tief Luft. Es war nur ein winziger Moment und doch fühlte er sich befreit. Zumindest ein kleines bisschen. Es gab Hoffnung. Hoffnung für ihn und seine Erinnerungen.
„Vio?“ fragte er leise und sah den Jungen an, der mit dem Handtuch auf dem Kopf und der nassen Kleidung wirkte wie ein kleiner Welpe. „Ich weiß das klingt komisch, aber-“
„Ich hab doch gesagt du sollst auf mich warten! Bist du jetzt auch noch taub gewor-... Oh, Darian!“ Daphne setzte ein Lächeln auf als sie ihren Freund sah, doch es gefiel ihr nicht wirklich in welcher Position sie ihn und ihren Bruder vorfand. So nah beieinander und was taten sie da mit ihren Händen?! Als Darian den Blick des Mädchens spürte, ließ er ruckartig von Nevio ab und stellte sich aufrecht hin.
„I-ich...“, Nevio biss sich auf die Lippe. Warum musste Daphne ihn denn auch immer so anfauchen? Hatte er sie mal wieder im falschen Monat erwischt? War es schon wieder an der Zeit sich zu verstecken bis sie wieder einigermaßen ansprechbar war? „Ich wollte n-nur...“, „Ich hab ihn auf dem Flur gesehen und gleich mitgenommen, ich wusste nicht das du auch hier bist. Tut mir leid, Daphne“, sprach Darian ziemlich nüchtern und hatte eine Miene aufgesetzt die er seinen Eltern oder auch fremden zeigte um zu bekommen was er wollte. Eine höflich, distanzierte Miene mit einem winzigen Lächeln.
„Oh...schon in Ordnung, ich bin nicht sauer...“, redete das Mädchen sich heraus und gab Darian dann einen Kuss auf die Lippen, ehe sie ihrem Bruder einen kurzen Blick zuwarf. Vielleicht hätte sie den Schirm doch teilen sollen... Ein wenig sauer war sie dennoch auf Nevio und vor allem eifersüchtig. Aber warum? Sie war schließlich mit Darian zusammen, er würde doch niemals ihren Bruder über sie stellen. Warum machte sie sich überhaupt Sorgen? „Also, warum bist du hier? Wir haben gehört du hast dir ein paar Tage frei genommen.“ Daphne setzte sich auf einen kleinen weißen Hocker, während Darian sich neben Nevio setzte. Trotzdem sträubte sich etwas in ihm Daphne von seiner Vergangenheit zu erzählen. Er wollte nur das Vio davon wusste. Das alles ging sie doch nichts an.
„Nur ein rundum Check...alles gut, ich bin in ein paar Tagen wieder da, also macht euch keine Sorgen.“ Die drei unterhielten sich noch kurz, bis Daphne aufsprang und Darian anstrahlte. „Ich hab die perfekte Idee wenn du entlassen wirst...wir können zusammen ins Freibad.“ Das sie damit nur sich selbst und Darian meinte, ignorierte der Student und nickte einverstanden. „Klar, ich schreib später Austin, er hat bestimmt auch Lust.“ Daphne schien mit einem Mal alles andere als begeistert zu sein, presste aber ihre Lippen aufeinander und brachte ein, „Ich freu mich“, hervor.
Ein Klopfen an der Tür unterbrach das Gespräch der drei und eine Krankenschwester steckte ihren Kopf durch die Tür. „Mr. OʼNeil, es ist Zeit für die nächste Elektrodenbehandlung“, teilte die ältere Dame ihm höflich mit, sodass Darian sich kurz bedankte und Daphne und Nevio verabschiedete. Als das Mädchen schon zur Tür raus war, nachdem sie Darian noch einmal demonstrativ geküsst hatte und Nevio gerade seine Stiefel wieder angezogen hatte um es seiner Schwester gleich zu tun, hielt Darian den jüngeren jedoch auf indem er seine Hand ergriff. „Warte!“ Flüsterte er, woraufhin Nevio inne hielt. Seine Hand kribbelte von dieser plötzlichen Berührung und sein Herz drückte sich gegen seine Brust, so als wolle es zu Darian gelangen... Ein merkwürdiger Gedanke, aber allein diese kleinen Gesten brachten in Nevio alle Sicherungen zum brennen.
Wie sollte er es nur aushalten weiter neben Darian zu stehen und so zu tun als wäre da nichts? Als würde er sich nicht doch heimlich nach seiner Nähe und seinen warmen Berührungen sehnen...
„Ich schätze die Erde ist ein winziger Ort.“ Waren Darians letzte Worte, ehe er etwas kühles in die Hand des jüngeren legte und ihn sanft anlächelte und Nevio dann perplex im Zimmer stehen ließ um zu seiner nächsten Behandlung zu gehen.
Und als Nevio aus seiner kleinen Starre erwachte und seine zur Faust geballten Hand öffnete, erblickte er einen wallnussgroßen grau schimmernden Stein. Einen Rauchquarz. Doch was sollte ein Stein ihm sagen? Was hätte Darian gemeint? Nicht zum ersten Mal war Nevio vollkommen überfordert.
DU LIEST GERADE
Lasting Crush [bxb]
Novela JuvenilWahre Liebe hält für immer, oder etwa doch nicht? Als seine Schwester Daphne plötzlich Darian, den neuen Angestellten in der Bar seiner Familie, zum Übernachten zu ihnen nach Hause einlädt, ist Nevio überhaupt nicht begeistert. Aber irgendwas Anzie...