Kapitel 10 | Darian

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Eine panische Stimme war zu hören und sofort kam Darian hinter der Bar zum Vorschein. So aufgeregt hatte er den kleinen Bruder von Daphne noch nie erlebt, immer war er ruhig gewesen oder hatte nur eine gestotterte Antwort von sich gegeben wenn Darian versucht hatte mit ihm zu reden. Ob Nevio wohl noch immer dachte Darian würde ihn und seine Familie umbringen? „Was ist denn los?“ wollte Daphne wissen und eilte zu ihren Bruder herüber der ein kleines Fellknäul in den Armen hielt und vor sich hin schluchzte.

„Y-Yoda... Yoda ist... Ich...“, es war deutlich zu sehen wie sehr der zierliche Junge zitterte und Darian fühlte sich in dieser Situation ein wenig hilflos. Schließlich kannte er Nevio kaum und wusste nicht was hier gerade vor sich ging, da war er froh das Daphne hier war und ihrem Bruder eine Hand auf die Schulter legte. „Beruhig dich, Nevio, setz dich erstmal und dann-“,  -  „Nein!“ unterbrach er sie und wich einen Schritt zurück, wobei er beinahe über seine eigenen Füße stolperte. „Was ist wenn sie stirbt? Was ist wenn Yoda Krank ist?!“ rief er und die ersten Kunden, die es sich in der Bar gemütlich gemacht hatten, blickten Nevio an als wäre er eine nervige Plage.

Schwer seufzte Darian und entschied sich nun endlich einzugreifen, sonst war er ja auch nicht so zurückhaltend. „Daphne, ich mach das schon, kannst du dich für ein oder zwei Stunden alleine um alles kümmern?“ fragte er, auch wenn es ziemlich viel verlangt war die Achtzehn jährige an einem Samstag Abend alleine in der befüllten Bar zu lassen. Diese runzelte ihre Stirn und sah sich auf die Lippe beißend zwischen Darian und ihrem Bruder hin und her, ehe sie ergeben nickte. „Ist gut... Ich schaffe das irgendwie.“
Darian lächelte sie dankbar an und wandte sich dann zu dem Jungen, der wirkte als würde er jeden Moment zusammen brechen. „Lass uns zum Tierarzt gehen“, Darian streckte ihm auffordernd eine Hand entgegen als sei Nevio ein scheues Tier, dessen Vertrauen er gewinnen wollte, doch für Yoda würde der Junge sofort mit ihm gehen, das war sicher. Und tatsächlich hörte man Nevio leise schniefen, ehe er einen wackeligen Schritt auf Darian zu ging.
Dieser legte einen Arm um ihn und schob ihn sanft aus der Bar hinaus, „Darian, es ist schon nach Acht, alle Ärzte haben bereits geschlossen“, kam es leise von dem jüngeren, der aus grauen, verweinten Augen zu ihm aufsah. „Ich weiß, aber ich kenne da jemanden der Yoda besser helfen kann als jeder andere Arzt“, lächelte er beruhigend und sah nun selbst etwas besorgt auf die Katze hinab die regungslos in Nevios Armen lag.

„Wirklich? Sie wird wieder Gesund?“ fragte er und ließ Darians lächeln wanken, er war schließlich kein Katzen Experte und hatte keine Ahnung was Yoda fehlen könnte. „Ich bin mir sicher das es ihr wieder gut gehen wird und jetzt komm, kleiner“, Darian besaß weder ein Auto, noch fuhr er Taxi oder hatte sein Geld dabei um die Bahn nehmen zu können und die Tatsache das sie laufen mussten, hob seine Stimmung nicht wirklich.
Doch zum Glück war Austins Haus nicht weit von hier, denn nach ungefähr zwanzig Minuten, standen die drei vor der Tür der Familie Smith und Darian drückte die Klingel so lange bis ein angepisster Austin die Tür aufriss. „Alter, ich hab gesagt du soll-... Oh Dari, was machst du denn hier mit... Einem Gartenzwerg und einem Fellknäul?“

Darian spürte ein leichtes stechen in seinem Kopf, ob das wohl der Stress war? „Sorry, das ist Nevio... Ich hab dir doch von ihm erzählt“, Darian sah seinen besten Freund kurz vielsagend an, doch wie immer konnte Austin nicht seine Klappe halten, nicht mal jetzt wo er doch sah wie schlecht es Nevio ging. „Ach, der Kondom Kerl!“ rief er und Darian schlug sich die Hand vors Gesicht, das Nevio neben ihn nun einer Tomate glich war nicht zu übersehen. „Das spielt jetzt keine Rolle, Yoda geht es nicht gut, wo sind deine Eltern?“ wollte er wissen und packte Nevios Arm um ihn mit sich in das Haus zu nehmen.

„Wohnzimmer... Wer ist Yoda?“ Austin schloss die Tür und folgte Darian, der nun den Wohnbereich des Hauses ansteuerte, in dem es ein wenig chaotisch aussah. Viel Platz hatte Familie Smith nicht, auch waren sie nicht so wohlhabend wie Darians Familie, doch es war um längen gemütlicher und heimischer als bei ihm selbst. „Gott Austin, die Katze!“ Genervt und ein wenig überfordert deutete er auf das Knäuel, welches Nevio schützend an sich drückte.
Doch Austin zuckte lediglich gelassen mit den Schultern: "Steht doch nicht dran.." Nur aus dem Augenwinkel sah Darian, wie sein bester Freund ihm und Nevio ins Wohnzimmer folgte. Der Kleine schien eher skeptisch zu sein, denn Darian bemerkte, wie Nevio sich vorsichtig umschaute, Yoda dicht an sich gedrückt. Um ihn etwas zu beruhigen, legte der Kunststudent eine Hand auf Nevios Schulter, hustete aber, als sie von der stinkende Rauchwolke im Wohnzimmer empfangen wurden. Sofort drehte Nevio sich weg und hielt Yoda schützend in Richtung Flur, wo es noch frischere Atemluft gab.
Die rauchige Frauenstimme von Austins Mutter drang auch durch den Rauch zu ihnen. Ihren Worten: "Liebling, was macht der reiche Sack hier?" folgte ein Schluckauf. Sie wedelte mit der Habd herum, sodass der Rauch sich langsam verzog. Die Frau sah für ihr Alter ungewöhnlich alt aus, sie waren zerzaust, ziemlich abgemagert und hatte tiefe Augenringe. In der einen Hand hielt sie einen qualmenden Joint, in der Anderen eine Flasche Whiskey, aus der sie trank.

Darian kannte Austins Mutter zwar schon seit er klein war, musste aber zugeben, dass sie noch schlechter aussah als vor drei Wochen, als er das letzte Mal offiziel hier zu Besuch war. Momentan versteckte Austin ihn eher. "Setz dich, Mum. Darian und sein Freund brauchen Dads Hilfe.." Bei diesen Worten wandte er den Blick an seinen Vater, der auf dem Sofa saß und eine Tennissendung im Fernsehen schaute. Das er nur Tennisfan war, weil die Frauen beim Spielen so kurze Sachen trugen, war seiner Frau natürlich nicht bekannt. Früher hatte Austins Vater als Tierarzt gearbeitet, war aber seit ein paar Jahren ärztlich verschriebener Frührenter, denn nach einem starken Burnout war er nicht mehr in der Lage gewesen, wieder zu arbeiten.

„Hilfe? Wobei können wir schon helfen?“ brummte der ältere und schaltete dennoch den Fernseher aus, Austins Vater zumindest hatte noch einen Hauch Freundlichkeit übrig, im Gegensatz zu seiner Mutter die sich nun wieder mit ihrer Kippe auf den Sessel verzog. Austins Lächeln glich eher einer Grimasse als Darian ihn beschwichtigend eine Hand auf die Schulter legte und das Wort übernahm. „Unsere Katze ist Krank“, erklärte er und wusste nicht ob es richtig war Yoda zum Teil als seins zu bezeichnen, doch das schien gerade sowieso niemanden zu stören.

„So?“ Der Tierliebhaber erhob sich nun endlich und ging an seinen Sohn und Darian vorbei, baute sich vor Nevio auf, der schwer schluckend zu ihm aufsah. „Was fehlt der kleinen denn?“ verlangte er zu wissen und sah aus matten Augen zu Nevio herab, der nicht verhindern konnte das sein Blick hilfesuchend zu Darian schweifte. „S-sie... Isst und trinkt mehr als sonst... Aber... a-aber Yoda nimmt ab und... wirkt so lustlos und traurig... I-ich will nicht das sie traurig ist... Bitte... Yoda darf nicht sterben“, wimmerte er kraftlos und ungewollt löste sich eine kleine Träne. Austin schob Darians Hand von seiner Schulter und nickte zu dem Jungen herüber, Darian verstand diese Aufforderung natürlich. Bei den beiden benötigte es keinerlei Worte mehr. Sofort war Darian an Nevios Seite als der ältere ihm Yoda abnahm.

Der Student legte seine Arme tröstend um Nevio, der sich nur unbeholfen an ihn klammerte, was für ihn ziemlich unüblich war und Darian selbst erstaunte. „Sie wird schon wieder, weine nicht“, murmelte er leise und strich ihm sanft den schmalen Rücken entlang. Während Austins Vater Yoda begutachtete und ihren Körper abtastete, vergingen Minuten die sich wie Stunden anfühlte, doch erwartete sie eine erfreuliche Nachricht.

„Dein Freund hat recht, das sind ganz typische Anzeichen einer Katzen Diabetes“, erwiderte der Mann mit einem Lächeln, das ihn sofort jünger wirken ließ. Man sah ihm an wie sehr er Tiere liebte und wie gern er seine Arbeit ausgeführt hatte. „Ich bin nicht sein Freu-“, doch Darian blieb still als er die leichte röte auf den blassen Wangen sah. „D-diabetes? Aber sie wird wieder gesund?“ fragte die leise Stimme Nevios der sich nun langsam von Darian löste und Yoda zurück in seine Arme nahm. „Natürlich, ich schreibe dir die Medikamente auf die du ihr geben musst und morgen holt ihr sie einfach in einer Apotheke ab“, erklärte Austins Dad und ließ sogar seinen Sohn ein wenig stolz drein blicken. Ja, Austin hatte seinen Vater damals verehrt, er war sein Vorbild gewesen und genau dieser Mann stand gerade wieder vor ihm, nicht der alte verbitterte Kerl der sich halb nackte Frauen im Fernseher ansah.

„Danke, danke, danke!" Nevio schniefte und sah mit geröteten Augen aber einem breiten Lächeln zwischen Darian, Austin und dessen  Vater hin und her, welches Darians Herz erweichen ließ. Wie schön es wohl sein musste von diesem herzensguten Menschen geliebt zu werden...

Lasting Crush [bxb] Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt