Kapitel 14 | Darian

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Es war nicht die Sonne die Darian aus seinem kostbaren Schlaf riss, nein, Austin rannte wie ein bekloppter durch den Flur und riss die Tür zu seinem eigenen Zimmer auf. „Darian!“ brüllte er und schon wurde ihm die warme Decke vom Leib gerissen. „Gott, Austin... Ich kenne meinen Namen, geht das nicht leiser?“ grummelte er und öffnete doch lieber seine Augen bevor Austin noch einen Grund hatte sich auf ihn zu werfen. Der junge Student erhob sich von der Matratze die am Boden lag und setzte sich auf das daneben stehende Bett seines besten Freundes.

„Also, was ist?“ wollte er genervt wissen, denn gerade heute wo er keine Vorlesung am Morgen hatte und ausschlafen konnte, musste Austin um zehn Uhr in der frühe hier reinstürmen. „Ich war bei deinen Eltern“, begann er und hielt ein kleines Döschen in die Höhe, „Bist du jetzt völlig neben der Spur? Du hast sie doch sonst nie vergessen!“ Darians Augen weiteten sich und am liebsten hätte er sich die Hand vors Gesicht geschlagen. Wie hatte er auch das vergessen können was sonst das erste war, was er am Morgen tat?
„Kein Grund sich so aufzuregen, es geht mir gut, Aussi“, erwiderte er beruhigend und nahm ihm das Döschen aus der Hand. „Aber Danke... Haben sie irgendwas gesagt?“ erkundigte er sich, denn ein wenig Sorge um seine Eltern machte er sich schon. Schließlich war Darian mitten in einer Diskussion gegangen und hatte sich nicht einmal richtig verabschiedet. Früher oder später müsste er sich seinen Eltern stellen und die Sache ein für alle mal klären.
„Nein, nur das sie sich sorgen machen und ich auf ihren kleinen Dari aufpassen soll“, grinste sein bester Freund und schnipste ihm mit den Finger vor die Stirn.
„Weißt du... Vielleicht war es wirklich gut sie abzusetzen... Es ist jetzt schon fünf Jahre her und ich glaube nicht das du sie noch brauchst.“

Er wusste es. Darian wusste es doch selbst, aber es gab ihm Sicherheit. Nie mehr wollte er in der Leere seines inneren vergehen, sich Tod fühlen und nur noch in seinem Bett liegen während er verzweifelt versuchte sich zu erinnern was sein Leben so lebenswert gemacht hatte. Denn jeder Gedanke daran verursachte ihm tierische Kopfschmerzen, weshalb er irgendwann aufgegeben hatte sich fragen zu stellen. Er hatte angefangen zu verdrängen. „Ich weiß... Behalte sie von mir aus.“ Wie in Trance erhob Darian sich von dem Bett und schnappte sich noch seine Kleidung, ehe er im Bad verschwand. Austin rollte das kleine Döschen derweil nachdenklich in seinen Händen hin und her, nur ein leises seufzen verließ seine Lippen, „Ob er es schaffen wird?“ fragte er sich selbst leise und dachte an das Gespräch mit Nevio vor zwei Tagen zurück.
„Wer wird was schaffen?“ Austin schreckte auf und sah in das erwartungsvolle Gesicht seines besten Freundes hinauf.

„Ob du es schaffst dieser Daphne weis zu machen das das zwischen euch nur eine Nacht war“, redete Austin sich schnell heraus, denn vor einigen Tagen hatte Darian sich noch ausgelassen darüber beschwert wie anhänglich das Mädchen war. Er kannte Darian, eine Nacht und er verlor das Interesse an der Person, so war es immer gewesen. „Solange sie nicht zu ihren Eltern rennt und ihnen erzählt das wir ein Paar sind, ist alles gut, sie weiß sicher das ich nichts von ihr will“, gab Darian ziemlich naiv von sich und zog sich dann noch sein Shirt über den Kopf. „Also, bis heute Abend, viel Spaß bei der Arbeit!“ 

Und schon war der Kunststudent aus der kleinen Wohnung verschwunden um sich zu Fuß auf den Weg zu Nevio und Daphne zu begeben. Doch seine Gedanken schweiften immer wieder ab, zu dem Abend von vor zwei Tagen. Was hatte Austin nur von Nevio gewollt? Vielleicht würde er den kleinen zur Reden stellen... Vielleicht auch nicht. Mist! Seit wann war er denn so unsicher? Schließlich bekam Darian doch sonst auch immer das was er wollte und wie immer waren es Antworten auf Fragen die ihn Tag für Tag quälten.
Kaum hatte Darian das alte Gebäude erreicht, wurde auch schon die Tür aufgerissen und Daphne sprang dem älteren voller Freude in die Arme. „Ich hab dich so vermisst, du bist gestern gar nicht gekommen!“ klagte sie ihn an ohne auch nur ein Wort der Begrüßung zu verwenden. Darian verdrehte innerlich die Augen und erwiderte kurz die überschwängliche Umarmung. Körperkontakt außerhalb des Bettes war einfach nicht sein Ding, warum umarmte man sich schon? Es war einengend und nervig wenn die Nase von dem vielen Parfüm welches Daphne trug zu kribbeln begann. „Ich hatte mit der Uni zu tun, das verstehst du doch sicher“, erwiderte er nur recht knapp und schob das Mädchen dann auch schon von sich, „Wo ist Nevio?“

Verwirrt über seine Frage, strich die Brünette sich eine lange Haarsträhne hinter ihr Ohr und klimperte zu ihm hinauf während sie mit den zierlichen Schultern zuckte. Doch Nevio war viel zerbrechliche, viel... viel mehr wie jemand den man beschützen musste, den man in den Arm nehmen musste wenn er einen wieder aus diesen verzweifelten, hilflosen grauen Augen ansah die funkelten wie flüssiges Eisen wenn er kurz davor war zu weinen. „Keine Ahnung, ist doch egal.“ Daphne schien nicht zu verstehen wie wichtig es Darian war und zog ihn erst einmal zur Bar hinein, wo sie sich hinter die Theke stellte. „Na komm, ich mach dir erstmal nen Drink, vielleicht bist du dann nicht mehr so angespannt“, doch in dem moment in dem sie sich umdrehte, war Darian einfach an ihr vorbei gegangen und schritt die Stufen in die Wohnung hinauf. Für einen Drink war es definitiv zu früh und dazu hatte er jetzt auch gar keine Nerven. „Dann bist du nicht mehr so angespannt...“, äffte Darian sie leise und sichtlich genervt nach als er den leeren Flur betrat und nach Geräuschen lauschte, doch nichts war zu hören. „Nevio?“ fragte und trat einige Schritte nach vorne. „Nevio, bist du da?“ Er wusste wo das Zimmer des jüngeren war und klopfte höflich an die Tür, doch wieder kam keine Antwort, ob er wieder mit Yoda im Arm eingeschlafen war?

Der Gedanke ließ ihn verträumt lächeln, denn Darian hatte den Jungen oft genug an den merkwürdigsten Orten gefunden wobei er das kleine Fellhäufchen dicht an sich gedrückt hielt. Mit der Erwartung Nevio und Yoda genauso vorzufinden, öffnete er leise die Tür und spähte in das Zimmer hinein. „Wo hast du denn deinen Besitzer gelassen?“ Darian trat in das Zimmer ein und blickte in die grünlichen Katzenaugen die ihn aufmerksam musterten. Es war merkwürdig Nevio nicht in seinem Zimmer zu sehen, vor allem wenn Yoda hier war. Seit man Diabetes bei ihr festgestellt hatte, ließ er sie ja kaum mehr aus den Augen.

Ein leises miauen ertönte und Darian kam zu Yoda herüber, hockte sich vor das Bett und streckte seine Hand vorsichtig nach ihr aus, doch mitten in seiner Bewegung hielt er inne.
Was war das denn?
„Sieht ziemlich mitgenommen aus“, stellte er fest und griff nach dem kleinen Stück Papier welches achtlos auf dem Bett zurückgeblieben war. Vielleicht aber auch weil Nevio stundenlang damit in seinem Bett gelegen und es sich angesehen hatte.
Darian faltete das Blatt auseinander und plötzlich schien sein Herz einen Schlag auszusetzen. „Was zum?!“

Ein stechen durchfuhr seinen Kopf und er biss sich fest auf die Lippen, das Papier zerknitterte etwas unter dem festen Griff seiner Hand die zu zittern begonnen hatte und ein unbeschreibliches Gefühl überkam Darian. Da waren Trauer, Wut, Reue und... Ja... Was sollte dieses nervöse klopfen seines Herzens bedeuten?
„Du idiot... Was spielst du mir für Streiche?“ Darian lachte verbittert auf und konnte seinen Blick dennoch nicht von diesem lächerlichen Stück Papier abwenden. „Du hast schöne Hände... Dein... Nevio?“

Ein poltern ließ Darian zusammenfahren und sein Kopf schoss in Richtung Tür, wo ein erbleichter Nevio mit einem riesigen Sack trockenfutter in den Armen stand, den er nun zu Boden fallen ließ. „Was soll das bedeuten, hm?!“ zischte Darian verwirrt und aufgebracht als er aufsprang und auf Nevio zu stürmte, den Zettel hielt er ihm direkt vors Gesicht. Er wollte antworten und zwar jetzt sofort! „G-gib das her!“ Nevio riss ihm sein Heiligtum aus den Händen und drückte es sich schützend gegen die Brust, die sich hob und senkte als wäre er gerade einen Marathon gelaufen. „Ach... Gehört das nicht eigentlich mir?“ wollte er wissen und kniff seine Augen zusammen, konnte dieser stechende Schmerz nicht einfach verschwinden? Nevio öffnete seinen Mund um etwas zu erwidern, doch kein Ton verließ seine zitternden Lippen.

„Wer zum Teufel bist du und woher kennst du mich?!“


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