Kapitel 5 | Nevio

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Für einen Moment hielt Nevio inne. Ob er sich zu ihm legen wollte? Verunsichert knabbete der Junge an seiner Unterlippe herum. Was sollte diese Frage überhaupt? Darian hatte doch eben noch selbst gesagt, dass er keinen Ärger mit seinen Eltern haben wollte.
Verwundert schüttelte Nevio seinen Kopf und beobachtete Yoda, die sich noch immer auf Darians Bauch gekuschelt hatte. Das tat sie sonst nur bei ihm. Für einen kurzen Moment funkelte er Darian schon fast böse an. Wollte er ihm jetzt seine beste Freundin wegnehmen, oder was?
Um sich selbst zumindest ein wenig aufzuheitern, drückte er Rudolfs rote Nase an seinem Pulli, woraufhin diese zu leuchten begann. Trotzdem blieb sein Blick finster und äußerst prüfend auf Darian gerichtet. Er sollte bloß gut zu Yoda sein, sonst konnte Nevio für nichts mehr garantieren.

"Wann hast du Geburtstag?",wollte Nevio leise wissen. Wieder betrachtete er den schönen Körper des Älteren, während Dieser sichtlich überrascht antwortete: "Am ersten Dezember. Warum?" Zumindest einigermaßen zufrieden nickte Nevio, sein Gesichtsausdruck blieb aber trotzdem finster. "Weil die Chance größer ist, dass du ein Psychopath bist, wenn du im Mai oder Juni Geburtstag hättest. Aber pass trotzdem lieber gut auf, wie du meine Katze anfasst.. ich werde hier warten, bis Yoda gehen will.." Es war ja nicht Yodas Schuld, dass Darian so verdammt heiß war und sie deswegen auch bei ihm liegen wollte. Wer würde das nicht wollen? Trotzdem würde Nevio sich nicht kampflos hinten anstellen lassen. Yoda war immer noch seine beste Freundin.

"Ich will deiner Katze nichts tun, Nevio",erklang Darians raue Stimme voller Ruhe, was Nevio innehalten ließ. Warum besaß er so eine Ruhe in sich? Wie automatisch fiel der Blick des Jungen auf die großen Hände, die Yoda liebevoll hinter den Ohren kraulten. "Ich warte trotzdem.." Trotzig setzte Nevio sich direkt vor dem Sofa auf den Boden, seinen Rücken lehnte er am Couchtisch an und ließ den Gast des Hauses nicht eine einzige Sekunde aus den Augen. Er hätte sich ja schon was anziehen können, wenn Nevio hier so bei ihm saß. Aber auch wegen dem nackten Oberkörper direkt vor ihm ließ der Sechzehnjährige sich nicht von seinem Vorhaben abbringen. Es war ihm völlig egal, ob er sich vielleicht unhöflich verhielt - schließlich konnte er nur wegen seines Geburtsdatums nicht ausschließen, ob Darian nicht doch ein Psychopath war, der Yoda etwas antun wollte.
"Und wie lange willst du dort jetzt sitzen bleiben?",harkte Darian sichtlich verwirrt nach. Sein Blick begegnete dem stechenden Blick Nevios, der diesem ausnahmsweise mal mühelos standhielt. "Das kommt drauf an, wie lange Yoda hier bleiben will.." Nevio konnte sich selbst kaum erklären, was mit seinem sonst so schüchternen Selbst passierte, doch gerade zählte einzig und allein Yoda für ihn. Er musste sie doch beschützen und er war gerade einfach nur eifersüchtig.

Nevio beobachtete, wie der Ältere zweifelnd seine Augenbrauen in die Höhe zog. "Dann entführe ich Yoda in dein Zimmer?" Nun war er es selbst, der seine Augenbrauen in die Höhe zog. "Ah..",murmelte Nevio leicht ungläubig und musterte den fast Fremden erneut. Erst als Darian sich vom Sofa erhob und die schlafende Yoda dabei liebevoll in seinen Armen hielt, verstand Nevio, dass der Ältere das wohl wirklich ernst gemeint hatte. Als er so vor ihm stand, wurde Nevio erst klar, wie riesig dieser Mann war. Er saß hier wie ein winziger Idiot vor ihm und blickte zu Darian hoch, dessen Lippen von einem charmanten Grinsen umspielt wurden.
Jetzt war der Moment, wo er etwas sagen sollte, richtig? Das erste Mal seit Darian Yoda auf dem Arm hielt, wandte Nevio seinen Blick von ihm ab und blickte stattdessen auf seine Finger. "Uhm...ist dir mal aufgefallen, dass es immer am Meisten rote Gummibärchen in einer Tüte gibt?" Umständlich stand er vom Boden auf und sah zu Darian hoch, als er wieder vor ihm stand. "Die Gelben schmecken aber trotzdem am Besten. Eine Tüte nur mit Gelben wäre richtig toll."

Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, marschierte Nevio voran und bedeutete Darian, ihm zu folgen. Dieser lief ihm mit Yoda auf dem Arm nach, schließlich wusste er nicht, wo sich Nevios Zimmer befand.
Nachdem Nevio seine Tür geöffnet hatte, schaltete er das Licht ein, sodass auch Darian sein Zimmer betrachten konnte. Es war recht einfach eingerichtet, dafür aber auch ziemlich unpersönlich. "Du kannst Yoda auf mein Bett setzen..",meinte er leise und blieb im Türrahmen stehen. Aufmerksam beobachtete der Junge, wie Darian seine schlafende Katze vorsichtig auf dem Bett absetzte. Auch Nevio spürte langsam, wie er müde wurde.
"Dann gute Nacht, Kleiner" Wieder konnte Nevio nur nicken und knabberte an seiner Unterlippe herum. Dieser halbnackte Mann in seinem Zimmer machte ihn nervöser als er sollte, schließlich wusste Nevio, das seine Schwester wohl etwas mehr von dem neuen Mitarbeiter wollte als nur Freundschaft.

Erst als Darian längst den Raum verlassen hatte und im Wohnzimmer verschwunden war, zog Nevio sich seine Schlafsachen an und putzte im Bad seine Zähne.
Als er dann im Bett lag und Yoda dicht an ihn gekuschelt war, starrte Nevio bloß an die Decke. Durch die Dunkelheit im Zimmer konnte er zwar nichts erkennen, doch es war, als würden die Bilder in seinem Kopf sich ganz automatisch zusammensetzen und ihn verrückt machen. Es vergingen mehrere Stunden, in denen Nevio sich bloß hin und her wälzte, er schaffte es jedoch nicht einmal seine Augen zu schließen.
Das Darian nun bei ihnen schlief, machte ihm zu schaffen. Daphne hatte ihn einfach eingeladen, aber sie kannte ihn doch nicht einmal. Schwer schluckte Nevio - was, wenn Darian etwas Böses im Sinn hatte? Vielleicht wollte er sie ausrauben oder sogar umbringen. Nicht mal seine Eltern wussten Bescheid, dass er hier war. Konnte das gut gehen?

Plötzlich fühlte Nevio sich seltsam hilflos und völlig auf sich alleine gestellt. Was sollte er tun? Seine ganze Familie war am Schlafen, nur er und der Fremde waren noch wach - falls Darian überhaupt noch wach war. Zitternd kuschelte der Junge sich enger in seine Bettdecke, entschloss sich aber dann, wieder aufzustehen.
Mit nackten Füßen tapste er über den Flur und blieb vor der Wohnzimmertür stehen, in der der Schlüssel steckte. War das eine gute Idee? Nevio dachte überhaupt nicht mehr darüber nach, seine Gedanken spielten nur noch verrückt, sodass er den Schlüssel einfach umdrehte - Darian war im Wohnzimmer eingeschlossen. Wenn er sich nicht aus dem zweiten Stock aus dem Fenster stürzen wollte, hatte er keine Chance herauszukommen. Aber so könnte er nachts nicht aufstehen, um ihnen etwas anzutun. Oder?
Als Nevio wieder in seinem Bett lag, fühlte er sich tatsächlich ein klein wenig sicherer. Trotzdem konnte er dem fremden Übernachtungsgast nicht trauen und bekam kein Auge zu. Nicht einmal Musik über seine Kopfhörer ließ er laufen, sondern lag aufmerksam im Bett und lauschte, ob sich nebenan im Wohnzimmer etwas tat. Aber es war still. Vielleicht sogar etwas zu still? Nevio zitterte. Die ganze Situation ließ ihn schwitzen vor Angst, sein Herz raste und er wusste nicht, wie er sich beruhigen sollte.

Am nächsten Morgen, als Nevio noch immer wach lag, ging er schon früh mit Yoda in die Küche. Wie immer füllte er seiner Katze ihren Napf und setzte sich neben sie auf den Fußboden, während sie fraß. So lief es immer ab: Bevor Nevio mit seiner Familie am Tisch die Mahlzeit zu sich nahm, saß er mit Yoda während ihrer Mahlzeit auf dem Boden, denn Yoda ganz alleine essen zu lassen, wäre einfach nur unfair. So empfand Nevio es zumindest.
Heute konnte man ihm allerdings auch ansehen, dass es ihm alles andere als gut ging. Seine Haut war noch blasser als sonst, er hatte tiefe Augenringe und fühlte sich nach dieser schlaflosen Nacht einfach nur völlig ausgelaugt. Ohne noch wirklich bei Sinnen zu sein, lehnte Nevio seinen Kopf an den Küchenschrank und driftete sofort ab in die Welt seiner Träume, während Yoda ihren Kopf gemächlich an sein Bein schmiegte, das in seiner kuscheligen Schlafhose steckte.

Lasting Crush [bxb] Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt