Kaffee mit Minze

474 22 0
                                    

Unsanft wurde Emma am nächsten Tag von ihrem Handy geweckt.
Normalerweise schaltet sie es immer nachts auf lautlos, doch gestern wurde es zu spät und sie war zu müde und hatte es einfach vergessen.
Nico's Bild grinste sie vom Bildschirm an und sie ging verschlafen dran: "Jaaa, was los?"
"Naaaa lange Nacht gehabt?", Fragte Nico und fügte noch hinzu: "Wie sieht es aus, wie war es gestern? Versteht ihr euch?"
So neugierig hatte Emma ihren Bruder noch nie erlebt, außer als Kind, als er schon im Hochsommer alle Schränke nach Weihnachtsgeschenken durchwühlte.
"So viele Fragen, ich bin noch garnicht richtig wach...", fing Emma an, streckte sich kurz und versuchte die richtigen Worte zu finden. "Ja es war ein sehr gemütlicher und lustiger Abend und ich glaube schon, dass wir uns gut vertragen. Und jaaaa es war eine lange Nacht!", Erzählte sie Ihrem Bruder dann immer noch mit verschlafener Stimme.
"Habt ihr auch schon über eure gemeinsame Arbeit geredet?", wollte er wissen.
Sie antwortete: "Nein, wir haben aber festgestellt, dass du eigentlich wusstest, dass er keinen Texter braucht und du mich quasi auch nur darein gedrängt hast."
"Manche muss man eben zu Ihrem Glück zwingen, danken kannst du mir später!", erwiederte er mir einer fröhlichen Stimme. "Wie geht es jetzt weiter bei euch?", schob er noch nach.
"Wir werden heute telefonieren und nochmal reden, aber erstmal Schlafe ich noch eine Runde!", sagte Emma und verarbschiedete sich mit einem langen Gähnen von Nico.
Nach weiteren vier Stunden Schlaf wurde sie mit dem klingeln an Ihrer Tür wach. "Das darf doch nicht wahr sein!", fluchte sie vor sich hin und ging zu ihrem neuen Lieblingsgerät im Flur, der Gegensprechanlage und sagte mit einem grantigen Ton: "Wer stört?"
"Ich bin's Lukas, hab Kaffee mitgebracht!"
Schlagartig war Emma wach, drückte den Türöffner und schoss wie eine gestochene immer wieder mit den Worten: "Ach du scheiße, ach du scheiße...", Durch die Wohnung, klappte ihr Sofa auf und warf das Bettzeug rein. Und schon klingelte es an der Wohnungstür.
"Oh mein Gott, wie kommt er so schnell die Treppe hoch?", dachte sie sich und öffnete die Tür einen Spalt, tatsächlich hatte er es in Rekordzeit in die sechste Etage geschafft. Er sah aus, als hätte er mindestens zehn Stunden Schlaf gehabt. "Kannst du bitte die Augen zu machen? Ich bin noch nicht für fremde Augen gemacht!", sagte sie beschämt.
"Wieso, was ist los? Noch nackt?", fragte er belustigt und willigte dann ein, die Augen zu zu machen. Emma nahm ihn den Kaffee ab, den er durch den kleinen Spalt reichte und sie Ihn auf den kleinen weißen Schrank im Flur erst einmal abstellte. "Wieso denn vier Kaffee?", fragte sie. "Naja erkläre ich dir dann, führe mich erstmal ins Wohnzimmer, ich hab die Augen zu!", sagte er und streckte ihr die Hand entgegen.
Etwas zögerlich nahm sie Ihn an der Hand und führte in zum Sofa und hoffte immer wieder, dass er wirklich nicht blinzeln würde.
Und doch tat er es: "Heißer Schlafanzug!", sagte er lachend. Sie blieb auf der Stelle stehen guckte ihn an und wurde sofort wieder knallrot und sagte: "Lukas!!!! Was soll das? Du hast versprochen nicht zu gucken, das ist mir verdammt peinlich und ich hab dir vertraut, dass du nicht guckst!"
Er lachte und nahm sie unverhofft in den Arm. Er sagte: "Mein Gott, du bist zu Hause,du kannst rumrennen wie du willst, du brauchst dich nicht zu schämen, schon garnicht vor mir!" Emma erwiederte: "Du siehst aus, als hättest du einen Jahrhundert-Schlaf gehabt, so frisch und ich renne hier mit einem rosa Schlafanzug mit neon grünen Fröschen Rum und meine Haare sehen aus, als hätten sie eine Woche keine Bürste gesehen und eigentlich bin ich die Frau und sollte eitel sein. Aber wenn du meinst, dass du Augenkrebs bekommen willst, dann bitte, dann lass ich das jetzt an, hab gerade eh keine Lust auf Bad."
Sie holte die vier Kaffee rein und setzte sich im Schneidersitz neben Lukas. "Was machst du hier und wieso vier Kaffee?
Er antwortete: "Also zum Kaffee, ich weiß ja nicht, was du so trinkst und ich hatte vorhind deinen Bruder am Telefon und da habe ich direkt Mal nachgefragt, was so deine Vorlieben sind und er meinte Hauptsache ekelhaft und das du Minze magst, deswegen habe ich einen Kaffee in schwarz für mich und bei den anderen hast du die Wahl. Der eine ist mit Milch und Zucker, einer mit Karamell Sirup und der letzte mit Minz Sirup. Und zu deiner zweiten Frage, was ich hier tue, also ich dachte wir hängen ein bisschen ab und klären wo die Party nächste Woche steigt, bzw. wir uns mit meinen Kumpels treffen und dann, wenn noch Zeit ist, können wir ja nen bisschen Texten."
"Ach mein Bruder hat sich auch angerufen? Hat er dich auch so viel gefragt? Ich weiß garnicht wo er die Neugier plötzlich her nimmt!", fragte sie ihn und griff zielsicher zum Minz Kaffee, während sich das Schauspiel Lukas angewiedert anschaute.
"Ih du hast wirklich einen komischen Geschmack!", sagte er und warf dem ganzen nochmal einen angeekelten Blick hinterher. Er fuhr fort: "Ja er wollte wissen wie es lief und alles mögliche, er fragte sogar schon, ob wir was getextet haben."
"Ich hab ihm doch gesagt, dass wir uns Zeit lassen und ich mir auch keinen Druck machen und er hat sogar gesagt, wir haben alle Zeit der Welt!", erwiederte Emma leicht sauer und genervt.
Beide schlürften an Ihren Kaffees und genossen die Ruhe.
"Was heißt eigentlich Party und wann soll sie sein?", fragte Emma plötzlich. Sie mochte keine Partys.
"Naja, so richtig Party ist das nicht, wir hängen nur ab, zocken was, trinken und quatschen. Nächsten Samstag kommen meine drei Jungs und du zu mir. Meinstens bestellen wir irgendwas Essbares, wird nur schwer dem Essenslieferer klar zu machen, dass er an ein Gericht Minze Ran machen soll. Am besten du bringst dir deinen Minz Sirup selber mit!", sagte er trocken. Emma unterdrückte das Lachen und meinte nur: "Naja, dann werde ich das wohl tun müssen!" Es war Ruhe, beide starrten sich an, konnten dann aber nicht an sich halten und mussten wie wild lachen.
Lukas fummelte in seinem Rucksack und zog eine Ordner raus mit vielen lösen Zetteln, er legte ihn auf den Tisch und meinte: "Kommen wir nun zum Geschäftlichen! Ich singe ja gerne über sozialkritische Sachen und so dachte ich mir, ich würde gerne was über Ehrenmord schreiben. Hast du da Vorschläge?"
Bei dem Wort Ehrenmord riss Emma die Augen auf und verschluckte sich an ihrem Kaffee. Wild hustend sagte sie nur: "Waaaas? Was ist los mit dir, was ist das denn für ein trockenes Thema und nein, zu so etwas hab ich bisher nix geschrieben!"
Er klopft ihr auf den Rücken, so wie es Eltern bei ihren Kindern taten, die sich verschluckten.
"Warum denn nicht? Das muss doch Mal jemand machen, ich habe da auch schon was vorbereitet!", sagte er, während er einige zerknüllte Texte aus seinem Ordner friemelte.
Er schob Emma ein Blatt rüber auf dem schon Bridge und Refrain standen:

Der alte Mann dreht sich um, sieht ihn gelassen an und spricht...

Ich bin alt geworden, ich habe nachgedacht
Ich habe Fehler gemacht in jener Nacht
Von Rache besessen, brachte ich Waffen zum sprechen
Während ich heute weiß, es ist ein Teufelskreis
Ich hab mich geändert, hab Familie und Kinder
Doch es sticht jeden Tag, dass ich damals so blind war
Jeder glaubt zu wissen was Gerechtigkeit ist
Also drück ab, doch dann bist du nicht besser als ich...

Emma staunte, sie fand es sichtlich gut!
"Das ist gut! Aber wie du den Refrain schreibst, soll alles wie eine Geschichte erzählt werden, richtig?"
Lukas stimmte zu.
Beide reimten einige Stunden vor sich hin, summten, überlegten und änderten hier und da. Nach fünf Stunden war das Lied "Teufelskreis" geschrieben.
"Dann brauche ich noch andere Rapper, dann wirkt das besser!", sagte Lukas, nachdem er das letzte Wort aufgeschrieben hatte.
"Kannst ja Mal deine Kumpels fragen!", meinte Emma, ohne zu wissen, wer seine Kumpels sind.
"Ja werde ich auch, sind ja alles Rapper!", sagte Lukas und fügte hinzu: "Ich muss los, ich nehme die Demo auf! Dann wissen die anderen wie ich mir das Musikalisch vorstelle." Er ging immer noch vertieft in den Song, mit einem kurzen "Ich melde mich" zur Wohnungstür und verließ diese.
Emma brüllte ihm noch hinterher: "Schick mir das Demo nachher!", aber diese Aussage blieb unbeantwortet.
So sind also Künstler, dachte sie sich danach.

Bitte einfach nicht wecken (Alligatoah FF) #Wattys2019Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt