Entfernung und Annäherung

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Emma lebte sich hervorragend in Lukas' Wohnung ein und die Abstellkammer war nun ein Traum in grün weiß. Nicht sonderlich groß, aber ausreichend, dass ein Bett und ein Schrank hineinpassten. Nico und Lukas haben sich um eine Band gekümmert und als Bonus obendrauf hat Lukas seinen Kumpel von früher auch mit ins Boot geholt - Battle Boi Basti. Die beiden haben sich damals immer bei Rap Battles die Wörter um die Ohren gehauen. Die ersten Lieder für das Album waren auch schon fertig doch mit denen hatte Emma dieses Mal nicht viel am Hut. Rabenväter zum Beispiel war garnicht ihr Ding. Ihre Aufgabe bestand in den letzten Wochen eigentlich nur darin, die Wohnung auf Vordermann zu halten, etwas zu essen zu besorgen, falls wieder Band und Basti da waren und sich neue Lieder anzuhören. Der Alltag im Hause Lukas/ Emma war eingekehrt.
Eines Abends als Mal keiner der Band da war schrieben beide zusammen das Lied Amnesie. Das liebte Emma, endlich wieder Zeit mit Lukas und dem, was sie eigentlich bei der Zusammenarbeit machen sollte - Texten. Doch irgendwie war es nicht so, wie am Anfang. Vielleicht ist er nur zu sehr in seine Arbeit vertieft, sagte sich Emma immer wieder. Umarmungen wurden weniger, schöne Momente zu zweit ebenfalls.
Beide lagen in ihren Schlafzimmer, die nur von einem schmalen Flur unterbrochen wurden. Da mittlerweile Sommer war, hatten beide ihre Türen auf, sodass der Wind wenigstens ein wenig Durchzug machen konnte.
"Minze, bist du noch wach?", fragte Lukas vorsichtig in Richtung Emma's geöffneter Tür. "Ja, was ist denn los?", erwiederte sie. "Morgen kommen Tim und Steven, ist das okay für dich?", fragte er. "Und was ist mit Basti?", wollte Emma wissen. Auf Basti hatte sie nicht unbedingt Lust, er war nicht so auf einer Wellenlänge mit ihr. "Der sitzt Mal wieder im Knast", erklärte ihr Lukas ganz trocken. "Ja klar wieso denn nicht?", sagte Emma während sie etwas traurig war, dass wieder eine Woche vergeht, wo Lukas nicht wirklich was alleine mit ihr Unternehmen will.
Am nächsten Tag war er wieder da, wie immer, der Alltag. Lukas ging über Zetteln mit Textzeilen und suchte krampfhaft Akkorde auf seiner Gitarre, die er in Lieder einbauen kann. Emma hingegen bereitete schon einmal das Abendessen vor und putzte Staub. Eigentlich wechselten sie an dem Tag kaum ein Wort. Am Abend kamen, wie geplant, Steven und Tim, die sich erstmal die schon fertigen Lieder anhörten. Emma wurde es zu viel, dass sie keiner beachtet und verschwand am Küchenfenster um ihrer schlechten Gewohnheit des genervten Rauchens nachzugehen. Steven registrierte das und stellte sich zu ihr ans Fenster. "Was ist los? Hattet ihr Streit?", fragte er vorsichtig nach, während er sich auch eine Zigarette anbrannte. "Ach alles gut.", sagte Emma traurig. "Nun sag schon, du hast doch was!", bohrte er weiter nach und legte ihr die Hand auf den Rücken. Emma kullerte eine Träne über die Wangen und sie fing an alles aus ihr raus zu lassen: "Am Anfang war alles super zwischen Lukas und mir und jetzt, als hätte jemand den Schalter umgelegt, ist da gar nichts mehr. Ich wusste ja, dass er sehr auf seine Lieder fixiert ist, aber wir reden kaum noch und die schönen Unternehmungen die wir immer gemacht haben, sind auch vorbei. Ich weiß garnicht was ich falsch gemacht habe." Steven zog an seiner Zigarette und sagte zögerlich: "Das weißt du jetzt nicht von mir, okay? Er hatte Gefühle für dich, hat aber dann bin deinem Bruder erfahren, dass du rein geschäftlich und freundschaftliche alles machen willst und deine Gefühle unterdrückst. Deswegen hat er auch versucht langsam Abstand zu gewinnen. Ihr wart doch schonmal kurz vor einem Kuss, wenn die Gefühle euch das sagen, dann verdammt nochmal macht doch was draus!" "Was ist, wenn wir uns verstreiten? Man kann keine Beziehung eingehen und zusammen arbeiten, das funktioniert nicht!", sagte Emma mittlerweile Tränenüberströmt. "Viele arbeiten zusammen und sind ein Paar, selbst nach einer Trennung kann man noch professionell zusammen arbeiten. Du hast einfach nur Angst, lasst den Gefühlen freien Lauf!", sagte Steven einfühlsam. "Ich muss hier raus!", sagte Emma und ging mit gesenkten Blick durch das Wohnzimmer, damit Lukas und Tim nicht sehen, dass sie verheuelt ist. "Ich muss nochmal los", rief sie, als sie die Wohnung verließ.
Emma lief durch die Großstadtstraßen. Die orangenen Straßenlampen und der Vollmond leuchteten die Straßen aus. Letztendlich lief Emma durch den Menschenleeren Park zu der Stelle, die ihr Lukas zeigte. Sie setzte sich auf den Stein am Bach, der leise vorbei floss und durch den Mond glitzerte. Ihr Handy viebrierte ununterbrochen. Lukas und Steven riefen im Wechsel an. Doch Emma wollte nur noch ihre Ruhe und schaltete es aus. Sie beobachtete den See und fiel in Gedanken. Ein rascheln im Gebüsch holte sie in die Reale Welt zurück. "Minze, bist du hier?", rief ihr eine Stimme entgegen. Es war Lukas, der sich Sorgen um sie machte und mit letzter Hoffnung an seinen Lieblingsplatz suchte, der Emma so gefiel, um sie zu finden. Er erblickte sie auf dem Stein, den er im Winter noch vom Schnee befreite und sagte erleichtert: "Gott sei Dank da bist du ja!" Sie antwortete nichts, während er sich neben sie setzte. "Was ist los mit dir?", fragte er. Sie fing wieder an zu weinen und sagte leise: "Ich weiß nicht, ob es das ist was ich will!" Er drückte sie an sich, das hatte er schon lange nicht mehr gemacht und tröstete sie. Nach einer Zeit des Schweigens fragte er nach: "Was meinst du damit?"
Sie antwortete mit verheulter Stimme: "Ach Lukas, ist doch alles komisch geworden mit uns. Am Anfang hatten wir Spaß, wir haben viel unternommen und jetzt ist es jeden Tag der selbe Ablauf. Das kann doch nicht nur an der Arbeit liegen... Liegt es daran, dass dir mein Bruder gesagt hat, dass ich nur geschäftlich mit dir zu tun haben will? Ja ich habe meine Gefühle für dich unterdrückt. Du bist der erste Mann, wo es so richtig im Bauch kribbelte bei mir, ich kenne sowas nicht. Woher auch? Ich wurde als Jungfrau geboren und werde auch so sterben, ist doch nicht schlimm! Ich brauche halt Zeit um mir Gedanken zu machen und meiner Gefühle klar zu werden, das ist mein naturell."
Diese Aussage mit den kribbelnden Bauch ließ Lukas nicht kalt und auch er verdrückte eine Träne, still und heimlich.
Er sagte: "Ach Minze, ja ich habe alles von deinem Bruder erfahren. Ich hatte und habe tatsächlich Gefühle für dich, wollte aber nur auf Abstand gehen, damit du den ersten Schritt machen kannst, wenn du dich bereit dafür fühlst. Ich will dich zu nichts trängen. Ich weiß, dass mir Nico nicht sagen durfte, dass du noch nie einen Freund hattest, hat er aber trotzdem. Auch deswegen bin ich vorsichtig. Sei dir bitte sicher, ich bin in dich verknallt, du bist die ehrlichste und tollste Frau, die ich je kennengelernt habe und was das wichtigste ist, du kommst mit meinen Macken zurecht. Und außerdem meinst du wirklich, ich hätte dich gebeten zu mir zu ziehen, wenn ich nichts für dich übrig habe? Werd dir deinen Gefühlen klar und lass dir alle Zeit der Welt. Wenn du bereit bist, kannst du jederzeit auf mich zukommen und mich küssen!", fügte er grinsend hinzu. Und wieder musste Emma lachen und drückte ihm einen Schmatzer auf die Wange mit den Worten: "Du bist der Beste, ich hab dich mehr als lieb!"
Endlich waren alle Barrieren zwischen beiden aus dem Weg geräumt und noch einige Zeit saßen sie schweigend und Arm in Arm auf diesen Stein am Bach. "Komm lass uns zurück gehen, sonst nehmen und die beiden noch unsere Wohnung auseinander!", sagte Lukas und nahm Emma an die Hand und sie ließ jetzt Gefühle zu, nachdem sie wusste, wie Lukas so über sie denkt. "Ich darf nicht immer so pessimistisch sein", sagte dich Emma innerlich.
Hand in Hand liefen die durch die Straßen Berlins bis zu Lukas' Wohnung. Vor der Haustür fragte Lukas, Emma: "Ist alles wieder gut bei dir? Nicht dass ich gleich nochmal hinter dir her, den ganzen Weg wieder, in den Park rennen muss!" Sie musste grinsen und nickte.
In der Wohnung wurden sie schon von Tim mit einem: "Ey ey ey was seh ich da? Ein verliebtes Ehepaar!", begrüßt. Emma ging cool an ihm vorbei und meinte: "Wir sind noch kein Ehepaar!" Auch Lukas verstand den Wink mit dem Zaunpfahl, dass sie kein Ehepaar aber verliebt sind. Sie grinsten sich an.
Steven guckte Emma an und sie nickte zu ihm rüber und deutete ein leises Danke an. Ohne Steven wäre das klärende Gespräch nicht möglich gewesen, welches sich schon bald positiv auf die Beziehung von Lukas und Emma auswirken würde. Das wussten alle Beteiligten im Raum, außer Tim, der Mal wieder etwas verstrahlt war.

Bitte einfach nicht wecken (Alligatoah FF) #Wattys2019Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt