Kapitel 27 Normal - Teil 1

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Wir hatten beschlossen uns beide einen Job zu besorgen. Seitdem Sam gekündigt hatte, ging gar nichts mehr. Und weil Nik jetzt auch noch zu Carmen gezogen war, war unser Kühlschrank so gut wie vollkommen leer.

Etwas Normalität in mein Leben war nun genau das Richtige, nach dem Ereignis mit Caleb vor einigen Tagen.

Also machte ich das, was ich am besten konnte - ok, als zweit bestes. Kellnern. Meine Jugend und teils der Kindheit hatte ich in Clubs oder Bars gearbeitet um meine Schwester ernähren zu können. Klar, würde es viel mehr Geld einbringen, wenn ich mich als Rechtsmedizinerin versuchen würde. Trotz abgebrochenes Studium hätte ich durch Bekannte locker eine Stelle gefunden. Doch eine Stelle im Krankenhaus hieß viel Arbeit, viel Anstrengung, wenig Zeit für Jagd oder persönliche Angelegenheiten.

Ich musste meinen Job also an mein Leben anpassen. Und welcher war geeigneter als Barkeeper oder Kellner in einem angesagten Club, wo sich hunderte Jäger trafen und heimlich über Fälle sprachen?! Wo kam man am schnellsten an den neusten Klatsch und Tratsch, den neusten Geschichten und alten Legenden ran?! Als Jägerin musste man sich auf den neusten Stand halten - und ich war in den letzten Monaten ziemlich eingerostet was das betraf.

»Schön, du fängst sofort an«, teilte mir die hochgewachsene Platinblondine mit den langen Beinen mit und warf mir eine Plastiktüte zu.

Ich fing sie mit einer Hand auf. »Klar«, murmelte ich. Ich öffnete die Tüte und presste bestürzt die Lippen zusammen.

Zehn Minuten später kam ich etwas verunsichert aus der Kammer mit der Aufschrift »Privat«. Nervös zupfte ich an dem kurzen Faltenrock, der an eine High School Uniform erinnerte - oder an einen Pornofilm. Platinblondinchen hatte mich gezwungen mich in diesen vulgären Rock und in ein weißes, Tanktop zu zwängen.

»Nein, nein, nein«, meckerte sie, als sie mich aus der Bar aus entdeckte. Sie legte das leere Tablett ab und stolzierte mit ihren 15 Millimeter Absätzen, wie ein Model, auf mich zu. Sie schüttelte fassungslos den Kopf.

»So zieht man so was doch nicht an!« Hastig zupfte sie am Rock und stopfte das Tanktop hinein. Der nächste skeptische Blick traf meine Springerstiefel. »Was ist denn das da??«

»Schuhe, bei dem man keine Höhenangst haben braucht«, entgegnete ich nüchtern.

»Nein, nein, nein!« Sie packte sich ratlos an den Kopf. »Hast du denn keine High Heels?!«

»Seh' ich etwa so aus?! Nein, natürlich nicht!«

»Nein, nein, nein!«

Noch einmal, und ich zeigte ihr Nein, nein, nein.

»Also ich steh auf diesen Look«, lallte ein alter Mann mit grauem Bart und pädophilem Blick, und zwinkerte mir zu.

Wasserstoffblondine sah zu ihm, dann zu mir. Sie seufzte tief. »Okay - Meinetwegen.« Dann spazierte sie im hastigen, eingeschnappten Gang wieder zu Theke.

Ich folgte ihr.

»Ich bin Delia. Schnapp' dir das Tablett und räum' erstmal die leeren Flaschen und Gläser weg.«

»Ich hab Jahre lang in Bars gearbeitet. Du kannst den Anfänger-Arbeit-Teil überspringen. Ich kann an die Bar - hab gelernt über 130 verschiedene Drinks zu mischen.«

Delia schüttelte den toupierten Blondkopf. »Keine Bar. Nur abräumen.«

Dann war sie wieder verschwunden.

Ich seufzte, zog meinen Rock so weit runter, dass er gerade mal den Großteil meiner Oberschenkel bedecken konnte ohne von meinen Hüften zu rutschen, und machte mich auf Springerstiefel auf den Weg zu den wenig besetzten Tischen in dem großen, warmen Club, der einem Strippschuppen ähnelte.

DämonenküsseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt