Kapitel 6 Der Amokläufer -Teil 1

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Logan führte mich in einen Raum mit Glasscheiben, wo die Schüler bereits ihre Schutzkleidung anzogen. Ich kannte diesen Ort, ich hatte ihn geliebt als ich noch hier zur Schule ging.

»Du unterrichtest Waffenlehre?«, fragte ich begeistert.

Logan nickte stolz.»Ja, und Verteidigung. Cool, was?« Wir betraten den Raum und anders als die Schüler in Danies Klasse, glotzten mich diese hier nicht an, als wäre ich Frischfleisch. Sie sahen mich an, als wäre ich eine Berühmtheit.
Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte, als sie Logan begrüßten und dann mich. Sie kannten meinen vollständigen Namen. Ich blinzelte Logan verwirrt an. Er zuckte nur lässig dieSchultern und wandte sich seiner Klasse zu.

»Wie ihr sehen könnt, haben wir heute einen Gast in unserem Unterricht«, berichtete er. »Melinda wird die Hälfte von euch in den Kampfräumen trainieren. Die Mädchen gehen zu ihr, die Jungs bleiben hier bei mir.« Er warf mir einen Blick zu. »Ist das okay für dich?«,flüsterte er. Ich nickte.

Nachdem er mir einen Zettel mit Kampfstrategien überreicht hatte, die die Schüler beherrschten sollten, traten die Mädchen und ich in die Halle. Sie war immer noch genau so wie vor Jahren; Groß, mit Gummimatten überzogen und mit unzähligen Materialien ausgestattet, die zur Selbstverteidigung und zum Angriff dienten.

»Also, Mädels«, rief ich und sah vom Blatt auf. Die Mädchen setzten sich still in einem Halbkreis vor mir hin und hörten aufmerksam zu.
Ich war überrascht, dass sie so gehorsam waren. Als ich damals unterrichtet wurde, waren wir nicht so respektvoll mit den Lehrern umgegangen.

»Heute gehen wir einige Kampftechniken durch«, erklärte ich den Schülerinnen. Als ich den leicht strengen Ton in meiner Stimme hörte, bemerkte ich zum ersten Mal, wie sehr es mir Spaß machte jemanden zu unterrichten.

Ich warf einen kurzen Blick auf das Informationsblatt in meinen Händen. »Wir beginnen mit Technik vier. Weiß einer von euch, welche das ist?«

Einige Hände erhoben sich.

»Ja, bitte«, sagte ich und deutete auf ein Mädchen mit blass blondem Haar und einem hübschen schmalen Gesicht.

»Ausweichen und zutreten, Miss«, antwortete sie höflich.

Ich musste lächeln. Wow, so respektvoll. »Super.«

Wir besprachen viele Taktiken und jedes Mal meldete sich die Blonde. Um den anderen auch eine Chance zu geben, nahm ich sie nicht jedes Mal dran.
Nach einigenMinuten deutete ich auf den freien Raum der Halle. »Dann probieren wir die Taktiken mal aus, Mädels.«

Ich streifte durch die Halle und beobachtete, wie die Mädchen kämpften. Sie waren alle sehr gut. Bis auf eine. Diejenige mit den hellen Haaren. Sie machte schlappe Bewegungen und ihre Partnerin verdrehte gelangweilt die Augen.

»Mann, mach dochmal richtig«, nörgelte diese genervt.

Ich trat auf die beiden zu. »Stimmt etwas nicht?«

»Meine Partnerin ist grottenschlecht«, erklärte die Afroamerikanerin.

Ich wandte mich dem anderen Mädchen zu. »Wie ist dein Name?«, fragte ich freundlich und hockte mich zu ihr.

»Jo.«

»Hör mal, Jo. Du bist wirkliche eine kluge junge Dame, aber um eine gute Jägerin zuwerden muss man sich auch körperlich verteidigen können.« Ich sah ihr auffordernd in die braunen Augen. »Gib dein Bestes, du musst dich nicht so zurückhalten. Wir sind hier, um etwas zu lernen.«

Jo nickte und drehte sich wieder ihrer Partnerin zu, die tief ausatmete. Ich stand auf und trat einen Schritt zurück. Dann beobachtete ich die beiden.

Sie stellten sich in Position. Die Afroamerikanerin hielt die Fäuste bereit und hüpfte eine Weile auf der Stelle wie ein Boxer. Dann schellte ihre Faust äußerst professionell auf Jo's Gesicht zu. Mit einer überzeugenden Geschwindigkeit umklammerte Jo ihre Hand und drehte sie. Das andereMädchen wurde wider Willen nach unten gezerrt. Dann riss Jo das Knie hoch und traf sie in den Magen. Die Dunkelhäutige keuchte auf und hielt sich die wunde Stelle. Dann führte Jo ihren Fuß hinter den ihrer Partnerin und riss sie so mit einem dumpfen Knall auf den Rücken. Während sie auf den Boden lag, setzte sich Jo auf sie und umfasste die Kehle des armen Mädchens mit schraubstockähnlichen Fingern. Diese versuchte sich aus dem Griff zu befreien. Jo grinste ihre Kampfpartnerin an und stand schließlich auf.

Dann sah sich mich mit unschuldig großen Augen an. »War das so in Ordnung?«

Ich starrte sie wie betäubt an. Mir wurde klar, dass sie sich die ganze Stunde lang zurückgehalten hatte. Mit gutem Recht, wenn man daran dachte, wie sehr sie andere so verletzte.
Ich nickte und klappte den Mund zu. »Das ... das war ... sehr gut. Aber das nächste Mal bitte nicht so hart. Wir wollen hier doch niemanden verletzen.« Ich hockte mich zu dem zu Boden liegendem Mädchen. »Alles in Ordnung?«

Sie hatte die Augen weit aufgerissen, nickte kurz, stand schließlich gekränkt auf und klopfte sich nicht vorhandenen Dreck von den Trainingsklamotten. »Mir geht's gut«, antwortete sie peinlich gerührt.

»Also gut«, erwiderte ich und erhob mich ebenfalls. »Dann macht weiter. Aber« -ich sah sah Jo warnend an - »nicht zu fest.«

DämonenküsseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt