Epilog

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Allgäuer Zeitung, Seite 17

                                                 6. Januar 2019

Drama in den Alpen. Lawine begräbt Wandergruppe: Drei Mitglieder sterben, zwei werden vermisst.

Oberstdorf
Ein tragisches Unglück hat sich am Donnerstag, den 3. Januar bei Sölden, nahe den Ötztaler Alpen ereignet.
Eine Wandergruppe, bestehend aus einem geschulten Wanderführer der Organisation Alpinwelten und sechs Teilnehmern im Alter von 23 bis 35 Jahren, war über die Weihnachtsferien auf dem Weg nach Bozen, Südtirol gewesen. Dabei wurden sie von einer Lawine erfasst.
Nur zwei der sieben Mitglieder, die sich nach dem Unglück in einer Hütte einige Kilometer abseits in Sicherheit brachten, überleben diese Tragödie. Sie wurden heute, den 6. Januar, gefunden und zu ihren bangenden Familien zurückgebracht. Eine junge Frau erlitt leichte Verletzungen.

Drei Leichen wurden bereits ausgegraben und eindeutig identifiziert. Zwei weitere Opfer werden derzeit noch vermisst. Retter suchen mit Mini-Baggern und Spürhunden nach den Verschütteten. Dies teilte die Polizei mit.

Ob die Wanderer selbst, der viele Neuschnee oder eine noch unbekannte Ursache die Lawine auslöste, ist derzeit noch unklar.


Mit glasigen Augen legte ich die gestrige Zeitung beiseite. Drei Leichen wurden bereits gefunden.
Magdalena und wer noch? Wer hatte es nicht geschafft? Meine Hände begannen zu zittern und heiße Tränen füllten meine Augen.
Magdalenas lebloser Körper tauchte in meinem inneren Auge auf. Mein Körper versteifte sich. Das tiefrote Blut auf dem strahlenden Schnee. Die gierigen Krähen mit ihren toten Augen. Mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Sie war tot. Möglicherweise hatten es auch alle anderen nicht überlebt. Mir wurde schlecht bei dem Gedanken.
Mein Geist wollte es nicht akzeptieren. Er klammerte sich an den kleinsten Strohhalm. Vielleicht fanden sie doch noch Überlebende?

Dieser Höllentrip war erst gestern offiziell zu Ende gegangen. Mir kam es so unwirklich vor.
Doch die Hölle war eigentlich noch nicht vorbei. Ich befand mich mitten drin. Mir erging es schlimmer als zuvor.

Mein Inneres schrie, die äußere Hülle blieb jedoch still. Tat so, als wäre es vorbei, als wäre alles überstanden. Nur die Tränen verrieten, dass etwas nicht stimmte. Dass diese Wanderung nicht spurlos an mir vorbeigezogen war.

Bei meinen Eltern und Freunden war ich das erleichterte Mädchen. Das Mädchen, das sich freute, wieder zu Hause zu sein. Bei all den bekannten Gesichtern. Und jedem musste ich versichern, dass es mir gut ging.
Doch ich war noch nie zuvor so allein gewesen.

Die Journalisten schrieben von zwei Vermissten. Es waren nicht zwei. Es waren drei.
Wo war Noel? Er war gestern auf dem überfüllten Platz plötzlich verschwunden. Mein Herz sehnte sich nach ihm. Herzschmerz war schlimmer, als jede körperliche Verletzung. Ich hatte das Gefühl, es würde mich innerlich zerreißen. Ich verblutete von innen, jedoch ohne einen sichtbaren Kratzer davonzutragen.

Wo war er? Mein Traum mit den grünen Augen und den blonden Haaren.
Er war fort und ich hatte keine Möglichkeit ihn Wiederzusehen. Oder?

Gefangen im SchneeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt