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Der Helikopter stand etwa 200 Meter von unserer Hütte entfernt. Die Flügel standen still, der Motor war aus.

Mit zugeschnürter Kehle und tränenden Augen stapfte ich unserer kleinen Truppe hinterher, auf unser rettendes Gefährt zu. Ich hatte so meine Probleme in dem tiefen Schnee mit einem leicht schmerzenden Fuß und ohne Schneeschuhe voranzukommen. Ich hatte schon vergessen, wie kalt es hier draußen gewesen war. Nach wenigen Schritten begann ich bereits zu schlottern und zog frierend die Jacke enger um meinen Körper.

Alles hier erinnerte mich an unsere Wanderung. Es hätte so schön sein können.

Im Gänsemarsch liefen wir hintereinander her, die Sonne strahlte so schön wie an unseren ersten zwei Tagen hier in den Bergen, die weiß gezuckerten Bäume sahen aus wie im Märchen.

Aber ich hatte diesmal keinen Moment für die Natur übrig. Mein Blick galt einzig und allein dem Hubschrauber, dessen Rotorblätter bei unserem Näherkommen anfingen sich zu drehen.

Würde ich die fremden Stimmen der Sanitäter ausblenden, die ernst miteinander sprachen, könnte ich mich beinahe täuschen lassen. Als wäre alles in Ordnung und ich würde gerade meinem Wanderführer hinterherlaufen und nicht den Männern in ihren blendenden orangen Jacken.
Ich stellte mir Phillip vor, wie er uns im Clubhaus fröhlich verkündete, dass wir mit ihm an unserer Seite nichts Schlimmes zu befürchten hatten.

Du hast gelogen, Phillip. Lügen ist eine schwere Sünde. Vor allem, wenn es solche Ausmaße annimmt. Aber ich verzeihe dir. Ich hoffe, dass du überlebt hast. Vielleicht sitzt du ja im Helikopter und wartest auf uns.

Wie in Trance erreichte ich den Hubschrauber und ein Mann, der sich im Inneren befand, zog mich hinein. Dann reichte er Noel die Hand, um ihm ebenfalls zu helfen.
Im Helikopter selbst drang das Tageslicht nur spärlich hinein, doch da er nicht allzu groß war, konnte ich auf einen Blick erkennen, dass kein anderes Mitglied unserer Wandergruppe hier war.
Resigniert ließ ich mich auf den Sitz fallen, auf den ein Helfer gedeutet hatte.

Als endlich alle einen Platz gefunden hatten, begann die Maschine stark zu vibrieren. Die Flügel drehten sich immer schneller und der Geräuschpegel nahm zu. Langsam, mit ungleichmäßigen Bewegungen, gewann der Helikopter senkrecht an Höhe.

Erschöpft lehnte ich mich auf dem Sitz zurück und drehte meinen Kopf, sodass ich aus der kleinen Fensterscheibe nach draußen schauen konnte.

Unsere verschneite Hütte wurde immer kleiner, je höher wir stiegen. Dann drehte sich der Hubschrauber und flog schneller als erwartet davon. Das Jagdhaus verschwand zwischen den Tannen.

Das war es also. Der Trip war vorbei. Ich wusste nicht was mit mir los war, aber irgendwie war ich nicht so glücklich darüber, wie ich es hätte sein sollen.

Sobald ich an die anderen Wanderer dachte, fuhr mir ein Stich ins Herz. Auch die Lawine und der Tag danach, als ich in diese Spalte gerutscht war, waren einfach nur schrecklich.

Doch es war nicht alles eine Katastrophe gewesen. Ich hatte mich verliebt.

Mein Blick huschte zu Noel und meine erstarrten Züge wurden weich. Er saß mir schräg gegenüber und hatte die Augen geschlossen. Seine ungemachten Haare fielen ihm ins Gesicht, die Arme hatte er vor der Brust verschränkt.
Vermutlich war auch er in Gedanken versunken.

Warum hatte der Helikopter nicht eine halbe Stunde später auftauchen können? Wir hatten nicht über uns reden können. Ich wusste nicht, was er über uns dachte. Wie wir nach der Rettung weiter machen sollten.
Und hier im Helikopter konnte ich ihn schlecht fragen, es sei denn, ich wollte fünf Zeugen dabei haben.

Gefangen im SchneeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt