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Geschockt starrt sie auf den Bildschirm, die Worte von Harvey wiederholen sich in ihrem Kopf, wie auf einer hängengebliebenen Schallplatte. Hazel hat nie in Frage gestellt, dass es sich bei ihm um den wahren Täter handelt, als er festgenommen wurde, war in den Nachrichten von eindeutigen Beweisen die rede. Sie lässt die Gabel sinken, ihr Hungergefühl und die Euphorie über ihren freien Abend klingen immer mehr ab, als ihr Kopf die gehörten Wörter verarbeitet. Sie weiß nicht was sie fühlen soll, dass einzige was sie fühlt, ist Erschöpfung und den Drang den Fernseher auszuschalten. Sie streicht sich über ihr fahles Gesicht, bevor sie aufsteht und sich ein Glas Wasser einfüllt, das nach Kalk schmeckt und mehr Dürre in ihrem Hals hinterlässt, als hätte sie Salzwasser getrunken.
Seufzend macht sie wieder das Radio an, hört wieder dem Rauschen statt den Nachrichten zu und schließt kurz die Augen, stellt sich vor sie wäre gerade wieder in Kanada, in ihrem kleinen, gemütlichen Haus mitten im Nirgends wo und würde auf ihrer Terrasse sitzen, die heißen, brennenden Sonnenstrahlen auf ihrer Haut spüren, die zusammen mit dem Schatten ihrer Buchen Zeichen auf den staubbedeckten Holzboden malen. Aber das Klicken der Haustür holt sie wieder zurück in die Realität, lässt sie ihre Schultern wieder gerade richten und sich einmal durch die widerspenstigen Haare streichen, die ihr auf ihre glänzende Stirn fallen und den angehaltenen Atemzug ausstoßen.
Dean begrüßt sie nur kurz, bevor er seine Jacke austauscht, die Wohnung wieder verlässt und Hazel alleine mit ihrem kleinen Nervenzusammenbruch lässt. Das Essen ist schon kalt geworden als sie sich wieder an den Tisch setzt und versucht ein paar Bissen herunterzuwürgen, immer langsamer bis sie es aufgibt und den kalten Nudelauflauf stehen lässt. Das Glas ist leer, genau wie ihr Kopf und ihr Magen, als sie das Licht ausknipst und an die Decke starrt, solange bis kleine, helle Kreise vor ihren Augen hin und her flimmern. Ihr Brustkorb hebt sich gleichmäßig, trotzdem kann sie keine Ruhe finden, erst nach vielen Minuten und einiger Stunden fällt sie in einen unruhigen Schlaf.
Es regnet als sie aus ihrem Wagen aussteigt, so dichte Tropfen, dass ihre Haare innerhalb von Sekunden durchnässt werden und ihre Jacke unangenehm an ihr Oberteil klebt. Ihre Mascara verschmiert, hinterlässt schwarze verwischte Linien auf ihrer blassen Haut, welche die Farbe ihres Mantels unterstreichen.

Heute Morgen hat Hazel den Anruf des Gerichts erhalten, dass sie heute nicht zur Arbeit erscheinen soll, da Eva Bruk, als erfahrenste Psychiaterin, heute die einzige ist die mit Harvey Bund sprechen wird. Um ihren freien Tag wenigstens etwas zu genießen, hat sie beschlossen einen Tagesausflug zu dem bekannten Pier 39 zu unternehmen und von da aus einen kleinen Spaziergang zu machen, allerdings hat sie diesen Plan schnell wieder verworfen als sie aus dem Fenster gesehen hat und sich nur für einen Einkauf in einem nah gelegenen Supermarkt entschieden.
Der Metallgriff des Einkaufswagens ist so kalt, dass Hazel zusammen zuckt, als sie ihn ausparkt und Richtung Supermarkteingang schiebt, den Blick auf den Hut der Frau vor ihr gerichtet. Er ist blau, bewegt sich bei jedem ihre Schritte auf und ab, während das Wasser aus seiner Delle rinnt. Wie ein sinkendes Schiff thront er auf den zierlichen Kopf, nicht bereit den Kampf gegen den Regen aufzugeben.
Ihr Magen knurrt als sie an der Süßigkeitenabteilung vorbeilauft und der süßen Versuchung, ihren leeren Wagen mit Süßkram vollzustopfen, widersteht. Das Kleingeld klimpert in ihrer Jackentasche, während sich vorlehnt, um nach einer Toastpackung zu greifen. Ihr Arm streift dabei die darunter liegende Packung und schubst eine, der darauf stehenden Verpackungen um. Peinlich berührt bückt sich Hazel und bringt ihr Missgeschick in Ordnung. Sie zuckt zusammen, als sie jemand an der Schulter streift, dreht sich um und kann nur noch den Rücken einer mittelgroßen Person ausmachen, bevor sie sich wieder aufrichtet. Einige Zeit starrt Hazel noch in die Richtung, bevor sie sich zusammenreißt und ihren schmerzenden Kopf schüttelt. Der Einkaufszettel ist zerknittert als sie ihn aus ihrer Hosentasche zieht und sich nach den Tomaten umsieht, die in ihrem Stammsupermarkt immer in der dritten Reihe von links zu finden waren. Die Früchte fühlen sich matschig an, trotzdem packt sie sie zu den vollen Kanistern und der Toast Brotpackung.
Ihre Hände greifen wieder nach den Metallgriffen, um den Einkaufswagen weiter durch die engen Reihen zu schieben und dem schlafenden Baby im viel zu großen Kinderwagen. Die Schlange an der Kasse ist so lang, dass die Leute die vor Hazel anstehen schon das Seufzen anfangen, was sie zum genervten Ausatmen bringt. Ihre Hände, die noch kalt von der Tiefkühlabteilung sind, steckt sie dabei in ihre großen Jackentaschen und sieht nach draußen.

TickWo Geschichten leben. Entdecke jetzt