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Hazel erschrickt so sehr bei dem Anblick, dass sie sich an der Spucke in ihrem Mund verschluckt und hustend aufwacht. Es ist schon hell draußen, trotzdem ist sie die Erste, die wach ist. Sie findet nicht direkt ihre Schuhe, bis Hazel sich daran erinnert, dass sie das Paar unter ihr Bett geschoben hat. Die Schnürsenkel sehen mitgenommen aus, genau wie die Sohlen. Ihr ist schwindelig als sie aufsteht, was entweder an ihrem leeren Magen oder an dem Mangel von Flüssigkeit in ihrem Körper liegt. Müde reibt sie sich die juckenden und leicht geröteten Augen, verharrt aber als sie direkt in die Augen einer anderen, auch wachen, Person blickt. Nathan. Den Namen hat sie im Auto aufgeschnappt und sich bis jetzt merken können. „Schon wach?″, gelassen wendet er sich wieder den Tisch vor ihm zu. Statt Nathan zu antworten, tritt Hazel neben ihn und wirft selbst einen Blick auf den Blätterhaufen.

„Das ist das Virus, oder?″ Er wirft ihr einen Seitenblick zu, verhindert aber nicht, dass sie das Papier hochhebt, um die Zeichnung und den Text zu entschlüsseln. „Sieht ganz danach aus″

Vorsichtig fahren ihre Finger die Linien nach, die mit Tinte auf das weiße Papier gedruckt wurden. „Und du denkst auch, dass all das hier klappen könnte?″ „Ich denke nicht es nicht nur, ich weiß es.″ Die Antwort bringt Hazel dazu den Mund zu verziehen, bis die schmale Linie kaum mehr von ihrer Haut zu unterscheiden ist. „Bis jetzt war kein Aufstand gegen unsere aktuelle Regierung erfolgreich, wieso sollte das bei Tick anders sein?″ Nathan seufzt, bevor er sich zu ihr umdreht und seinen blonden Kopf nach unten hält. „Ich verrate dir was, ist aber streng geheim.″ Kurz wirft er einen Blick hinter sie, bis er mit leiser Stimme fortfährt. „Es wird nicht schiefgehen, weil es kein Aufstand ist″ „Kein Aufstand?″ Verneinend schüttelt er den Kopf. „Wenn es ein Aufstand wäre, hätte die Regierung uns längst abgeschossen. Dass wir am Leben liegen liegt einzig und allein daran, dass wir in Namen der Regierung handeln.″

Selbstgefällig tippt er sich selbst an den Kopf. „Wie meinst du das?″ Das Fragezeichen in Hazels Kopf wird mit jedem Wort, das die Beiden wechseln größer, statt kleiner. „Wir sind zu viele, viel zu viele um genau zu sein. Alles würde zusammenbrechen, wenn die Menschheit weiter so stark wächst. Früher sind wenigstens noch ein Paar an Krebs krepiert, aber mittlerweile breiten wir uns uneingeschränkt aus. Die Regierung kann aber nicht einfach Medikamente wieder zurückrufen oder das Kinder bekommen vollständig verbieten, also...″ Abwartend sieht er sie an, bis sie seiner Aufforderung nachgeht. „Also?″ „Sind wir dafür da für Unruhen zu sorgen, Unruhen lösen Aufstände aus, Aufstände Gewalt und Gewalt führt zu Toten. Harvey hat für die Regierung gearbeitet, ich für die Forschungsstation, bis sie uns den Auftrag "Tick" zugeteilt haben.″
Die Informationen dringen nur langsam zu Hazel durch. Ob das eine gute oder schlechte Nachricht ist, kann sie nicht sagen. Es klingt zu absurd, um wahr zu sein, aber auf der anderen Seite hat Nathan Recht. Die Regierung hätte um einiges härter reagieren müssen, statt sie laufen zu lassen. Ihre Überlebenschancen müssten dadurch um einiges höher sein als gedacht, aber beruhigen kann sie der Gedanke nicht. Es ist alles zu verwirrend.

Sie blickt zu Luna, Josephine und Runa, die alle drei noch tief und fest schlafen. Ob sie es wissen? Josephine bestimmt. Hazel ist so sehr in ihren Gedanken versunken, dass sie Harveys Ankunft nicht bemerkt. Erst als Nathan und er sich begrüßen, nimmt sie ihre Umwelt wieder wahr. Die Tüte in Harveys Händen raschelt, als er selbst an den Tisch tritt und die Zeichnung zur Seite legt. „Du solltest, die Blätter lieber nicht offen herumliegen lassen, Nathan.″ Hazel wirft einen Blick in die Tüte, bis Harvey sie wieder wegzieht. „Ich versuch's.″ Harvey greift hinein und zieht einen Haufen von Oberteilen und Hosen hervor, den er Hazel wortlos hinhält.

Die Kleidung fühlt sich erstaunlich weich an, auch wenn die braune Farbe schon mitgenommen und abgetragen aussieht. „Kannst dich im Bad umziehen, wir haben aber kein warmes Wasser", rät ihr Nathan, der den restlichen Inhalt der Tüte in drei Stapel aufteilt.

TickWo Geschichten leben. Entdecke jetzt