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Blau, ist das Einzige, das Hazel sieht während sie in den Abgrund stürzt. Dunkles Blau wie die Tiefsee, helles Blau wie die Tapete in ihrem Kinderzimmer und ein blau Grau, dass sie an die Haut eines Haifischs erinnert. Es zieht in ihrer Magengegend, hoch bis in ihren Haaransatz. Die Luft und Zeit kommt ihr Zäh vor, als würde sie nicht fallen, sondern schwimmen. Sie sieht nicht ihr Leben an sich vorbeiziehen, fängt nicht an über ihre Entscheidungen nachzudenken, stattdessen herrscht Leere in ihrem Kopf. Hazel kann sich Nichtmal mehr an ihren Namen erinnern, während sie in die Tiefe fällt. Es zischt, schrillt und pfeift in ihren Ohren, die jetzt nicht mehr von ihren blonden Haaren geschützt sind. Es kommt ihr so vor als hätte sie die Unendlichkeit erreicht. Das Ziehen in ihrem Magen und die Angst ist abgeflacht, der Druck auf ihren Kopf scheint wie aufgelöst, sie fühlt sich schwerelos. Wäre es möglich gewesen, hätte sie vielleicht sogar die Arme in die Luft gesteckt, um nach den weißen Wolken zugreifen, die auf einmal so nah aussehen. Hazel schließt ihre Augen und löst die Fäuste, die ihre Hände gebildet haben. Der Schmerz trifft nicht sofort ein, zu sehr wird ihr Körper von dem Aufprall erschüttert. Die Luft, die zuvor noch Hazels Lunge gefüllt hat, verlässt ruckartig ihren Körper. Und dann spürt sie es, das unertragbare Brennen, das sich auf ihren ganzen Körper ausbreitet. So bleibt sie liegen, beträgt stumm und regungslos die Schmerzen, die über ihren Körper wüten. Nicht mal weinen kann Hazel, während sie versucht wieder Herr über ihren Körper zu werden. Sie glaubt nicht, dass sie sich was gebrochen hat, dafür war der Abstand zu gering, oder nicht? Vielleicht ist es auch die naive Hoffnung, die aus ihr spricht. Noch immer zu ängstlich sich zu bewegen, versucht Hazel tief ein und auszuatmen. Dreimal wiederholt sie das. Die Augen noch immer geschlossen versucht sie ihre Arme zu bewegen und stellt erleichtert fest, dass die Bewegung mit leichten Schmerzen möglich ist.
Mit neuem Mut bewegt Hazel auch ihr rechtes Bein, zischt auf als die raue Hose über die aufgeschürfte Haut schleift, aber auch das lässt sich ohne große Schmerzen machen. Nur ihr Rücken und ihr Hinterkopf brennen wie Feuer, sie muss nicht nachschauen um zu wissen, dass sie blutet. Wäre sie auf Asphalt gefallen, wäre das ganze um einiges schlechter ausgegangen, aber der Müll und Kartonberg, auf dem sie liegt, hat sie weitestgehend beschützt. Mit dem Abnehmen des Pochens in ihrem Kopf, fängt Hazel an den Gestank wahrzunehmen, der sich in ihrer Kleidung und ihren Haaren festsetzt. Erst jetzt, wieder vollständig wach durch den Geruch der Abfälle, denkt sie wieder an die Verfolger, vor denen sie schon längst weiter wegrennen müsste und versucht sich aufzurappeln. Die ersten Schritte sind etwas holprig, aber langsam kommt Hazel in einen Rhythmus, mit dem sie schnell genug sein könnte. Schritt für Schritt kämpft sie sich vor, versucht wieder raus aus der Gasse zu gelangen und einen anderen Weg einzuschlagen. Ihre Schritte werden schneller als sie jemand hinter sich hört. Hazel schreit als ihr Arm gepackt wird und sie nach hinten gezogen wird. Die Angst lähmt sie, es dauert einige Sekunden bis sie anfängt, um sich zu schlagen und sich zu wehren. Ihre Knöchel fangen an zu schmerzen, als sie auf Widerstand treffen. Ihre Sicht ist nicht ganz klar, Hazel kann die Gesichter vor ihr nicht erkennen, sondern sieht weiße und gelbe Punkte, die vor ihr hin und her schweben. Dann wird alles schwarz und die Zeit fühlt sich wieder zäh an.
„Wir können nicht mehr warten, wir müssen nach vorne, sonst endet alles im Chaos, Harvey", sagt Nathan und schließt die Tür der Fahrerseite des Autos. „Fahr los", entgegnet Harvey und sieht nach vorne, die letzten Kämpfe spielen sich am Ende der Straße ab, der Platz vor und hinter ihnen füllt sich langsam wieder mit Menschen, die kurz zuvor noch in ihre Häuser geflohen sind. „Sind noch weitere Helikopter oder Drohnen auf dem Weg?″ „Wissen wir nicht, aber wir müssen bald hier weg, bevor weitere Sicherheitsleute kommen", antwortet Nathan und drückt aufs Gas. Harveys Fingerknöchel sind weiß, als er in seine Tasche fasst und nach seinem Handy sucht. „Sind die Anderen auf ihren Positionen?″ „Ja, alles ist vorbereitet.″ Josephine und Runa unterhalten sich leise auf der Rückbank, bevor Josephine sich nach vorne lehnt und Harvey ihr Handy reicht. Videos und Fotos sind auf dem Handy zu sehen, die alle die Helikopterabstürze zeigen. Er reicht Josephine das Handy wieder zurück, bevor er wieder nach vorne starrt und mit seinen Händen weiter auf seinem Bein trommelt.

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