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Er spannt sich sichtlich an, bevor er antwortet. Seine Stimme ist mit Abstand, dass was Hazel an meisten in seinen Bann zieht. Nicht das sein Äußeres dafür genug wäre, die große, sportliche Statur und sein schönes Gesicht, ist Grund genug um ihn zweimal anzusehen. Aber seine Stimme, ist so melodisch und klangvoll, dass sie jedes Mal das Gefühl hat sie spreche mit einem Engel, wenn er seinen Mund öffnet. „Ich hatte einen Zwillingsbruder, aber es wurde in der Schwangerschaft meiner Mutter festgestellt, dass er krank ist. Motorische Tics.″ Hazel beobachtet ihn während er spricht, die Art und Weise wie sich sein Adamsapfel bewegt und die Ader seiner Arme, die sichtbar werden, als er sich an das Geländer lehnt. „Sie haben ihn gar nicht erst zur Welt kommen lassen.″ Das mit Sie die Regierung gemeint ist muss Harvey gar nicht aussprechen, sie weiß es auch so schon. Schweigend starrt sie in die Dunkelheit, ihre Augen tränen von dem jetzt noch viel kälteren Wind, der den Nachgeschmack von Rauch auf ihrer Zunge hinterlässt. „Das tut mir leid.″ Harvey erwähnt darauf nichts, sieht nur kurz zu ihr, bevor er sich mit beiden Händen von dem Geländer vor ihnen wieder zurückstößt.

„Ist es wahr, was du in dem Interview gesagt hast?″ Seine Augen glänzen in der Dunkelheit, wie zwei Smaragde, grün, kalt und unglaublich schön. Zitternd erstarrt sie, als Hazel seinen Atem in ihren Nacken spürt, der über ihre Nackenhaare fährt und sich in ihrem langem Kopfhaar verliert. „Teile davon sind wahr, nicht alles.″ Seine Finger streichen über ihren Rücken, bis sie an ihrem Schulterblatt ankommen und dort kleine Kreise auf ihre Haut malen. Röte kriecht in ihr Gesicht, als sie einen Schritt nach vorne macht und seinen Berührungen so ausweicht.
Tief atmet Hazel durch, bevor sie sich umdreht und bemerkt, dass Harvey weg ist. Sie schüttelt den Kopf, starrt wieder auf die Einfahrt und lässt den kalten Wind, das brennende Gefühl auf ihren Schulterblättern fortwehen. Egal wie viel Zeit vergeht, sie wird aus Harvey einfach nicht schlau und das jagt ihr eine verdammte Angst ein. Vor Schreck zusammenzuckend dreht sie sich um, als zwei Hände nach ihren Schultern greifen und das Gefühl der Kälte nachlässt. Harvey steht wieder vor ihr und blickt auf ihre zarten Schultern, die jetzt von einer Decke umhüllt werden.

Kurz ist sie zu überrascht, um etwas zu sagen, bis sie sich fasst und einen ehrlichen Dank von sich gibt. Aus dem Augenwinkel beobachtet sie, wie Harvey auf das Geländer trommelt, immer schneller bis er aufhört seine Finger zu benutzen und anfängt seine Fersen auf und ab zu bewegen. „Tick gibt es schon lange, die Organisation wurde gegründet als ich gerade mal fünfzehn war. Nur hat ihr ein Gesicht gefehlt, dass die breite Masse an Mitgliedern repräsentiert. Meine Verhaftung und das Interview waren dafür da Aufmerksamkeit zu bekommen, um mehr Anhänger zu gewinnen und die bereits vorhandenen zu Taten aufzurufen.″ Kurz muss sie schlucken, bevor Hazel ihm eine Frage als Antwort stellt.

„Also bist du nicht Schuld an den Morden?″ Harvey sieht sie an, seine Fersen kommen zur Ruhe und er atmet langsam und tiefer als sonst. „Wir sollten darüber nicht reden. Durch dich hat alles angefangen und ich durch dich soll alles enden. Es ist besser, wenn das freiwillig passiert.″ „Durch mich hat alles angefangen?″ In ihrem Ton schwingt Argwohn mit und unbewusst entfernt sie sich einen Schritt von Harvey, der ihren Blick nicht loslassen will. Er sagt nichts, starrt kurz auf seine Hände bevor er einen zweiten Versuch startet.
„Du musst mir nicht vertrauen, aber wir müssen zusammen arbeiten. Es gibt weder für dich, noch für mich einen Weg zurück.″ Hazel überlegt weiter zu bohren, lässt es aber dann doch bleiben und schweigt lieber. Der Wind hat nachgelassen, dafür türmen sich jetzt mehr und mehr Wolken im schwarzen Himmel auf. „Warst du schon mal in Mexiko?″ Den Kopf schüttelnd wartet sie auf seine nächsten Worte, die auch kurz darauf seinen Mund verlassen. „Ich auch nicht.″ Darauf erwähnt sie nichts, was eine unerwartet angenehme Stille auslöst, was an dem Geräusch des langsam einfallenden Regen liegen kann. Die Überdachung hält sie zum Glück trocken, während das Gras grüner und der Asphalt dunkler werden. Immer wieder muss sie die Decke hochziehen, damit sie ihr nicht von den Schultern rutscht. Harvey hat sich wieder an das Geländer gelehnt, auch wenn so die, mittlerweile großen, Regentropfen auf seine Hände fallen. Hazels helle Haare in dem dunklen Licht erinnern ihn an Honig und obwohl er das süße und klebrige Zeug nicht mag, gefällt ihm der Gedanke.

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