21

15 4 0
                                    

Der Gestank nach Benzin schlägt ihr entgegen, aus allen Öffnungen dringt die pechschwarze Flüssigkeit, bis sich ein See bildet, aus denen die hellen Flammen ragen. Ihr Gegenüber versucht gar nicht erst das Feuer im Keim zu ersticken, zu schnell breitet sich der dichte Rauch aus. Hazels blasse Finger pressen sich vor ihre Maske, als die Hitze noch unerträglicher und die Chance auf eine Flucht immer geringer wird. Obwohl nur schwacher Wind herrscht, nähert sich das Feuer immer und immer mehr dem Gebäude vor ihnen. Nicht mehr lange und es gäbe kein Schutz mehr vor der tönenden Hitze. Der Wall erschüttert, als die nächsten Kugeln auf sie niederhageln. Ihr Blick fällt auf die Gaswägen, statt weiter auf die wenigen, nicht hinter dem Wall Schutzsuchenden, zu sprühen, kehren sie um. Dellen und Risse ziehen sich durch den dunkelen Lack, in denen sich ihre Schweiß überzogenen Gesichter spiegeln. Vor lauter Überraschung und Verwirrung, vergessen die Masken tragenden für einen kurzen Moment, weiter auf das Gefährt zu schießen. Hazel stemmt sich auf ihren Knien ab, um zu verhindern, dass das Geschehen vollständig aus ihr Sicht verschwindet.

Die Wägen bewegen sich nur langsam über den steinernen Boden, bis sie die Flammenwand erreichen, die immer mehr Luft zu verschlingen scheint. Der Schweiß rinnt ihre Stirn herab, als Hazel ihr Gewicht auf das andere Bein verlagert, um nicht der Hitze nachzugeben. Die Gaswägen stoppen wenige Meter von den Feuer entfernt. Gebannt starrt sie nach vorne, das Gefühl, das gleich alles aus den Fugen läuft, wird immer stärker. Harvey und Nathan handeln noch nicht, sondern warten ab was als Nächstes passiert. Es zieht sich, bis endlich das geschieht, dass alle erwarten. Mit einem lauten Zischen, tritt Gas aus den Wägen hervor. Die Flammen zucken unter dem stinkenden Nebel, der kein Platz für den dringend benötigten Sauerstoff lässt. Schnell ist eine Schneise zwischen die Flamme geschlagen, die immer mehr an Breite gewinnt.

Hazel wartet auf Schüsse, aber keiner der Anhänger, traut sich auf den Ablöser zu drücken, zu groß ist die Angst eine Explosion auszulösen. Alles scheint stillzustehen, bis auf das Gas, das immer mehr Feuer unter sich begräbt. Angespannt dreht sie sich um. Runas Hose ist an den Knien gerissen, große Löcher legen die schmutzige Haut frei, als sie sich ein Stück weit aufrichtet. "Sollen wir?" Die Wörter kommen ihr kaum über die Lippen, so angespannt ist ihr dünner Körper. Viel Strecke trennt sie nicht von der anderen Seite, trotzdem scheint der Weg fast unmöglich, wenn sie auf das Trümmerfeld vor sich blickt. Sie hätten viel Glück, wenn beide Seiten sich dagegen entscheiden würden, auf sie zu schießen. Das Nicken folgt so schnell von Runa, dass sie keine Zeit hat die Zweifel und Unsicherheit über den aufkommenden Mut siegen zu lassen. Allerdings ist der Wall zu hoch, weshalb sie das linke Ende nehmen müssen, um zu der Schneise zu gelangen. Am rechten Ende stehen noch immer Harvey und Nathan, die das geduckte Vorrücken der beiden Frauen nicht bemerken. Zu groß ist der Trubel um sie herum, um an ihre Wegbegleiter zu denken. Hazel geht voran, ab und an ist der Weg von Gerümpel und Bruchstücken versperrt. An einem spitzen Metallrad bleibt sie hängen und hört erst während ihres nächsten Schrittes das Reißen, dass das Ende der ehemalig braunen Hose bedeutet. Runa streckt den Arm nach ihr aus, aber Hazel nimmt das Angebot nicht an, stützt sich lieber an dem Wall ab, der immer mehr in sich zusammenfällt. Runas Arme und Beine zittern noch mehr als ihre eigene und ihr kindliches Gesicht ist so blass, dass sie die kaltblauen Adern unter ihren Schläfen sieht.

Beachtet werden sie nicht, auch nicht von Luna und Josephine, die sie hinter sich gelassen haben. Noch immer ist kein Schuss gefallen, was den Hauch von Mut, der sich langsam in Hazels Körper ausbreitet, weiter anspornt. Die ersehnte Lücke im Wall ist schon in Sicht, als Rufe laut werden. Statt sich umzudrehen, werden Runa und Hazel nur noch schneller, springen über das letzte Gerümpel, um endlich vor den Wall zu gelangen. Sie kann den Schuss bereits hören, den Schmerz in der Brust bereits spüren und den dumpfen Schlag erahnen, weshalb Hazel nach ein paar Schritten stoppt. Die Hände haben sie und Runa gehoben, trotzdem scheinen die Uniformträger nicht ganz dem Zeichen des Friedens zu glauben. Nicht nur eine Waffe ist auf sie gerichtet, als Hazel und Runa wieder an Tempo zunehmen. Was hinter ihrem Rücken passiert sieht sie nicht. Harvey und Nathan müssen sie spätestens jetzt bemerkt haben und doch hält sie niemand auf, als sie über den glühenden Boden schreiten. Das Gas hüllt umhüllt die beiden Frauen, als sie die Mitte des Schlachtfelds erreichen. Der dünne Stoff der Maske ist das Einzige, das sie von den stinkenden Nebel schützt, der den Kampf gegen das Feuer schon längst für sich entschieden hat. Die Stimmen und Laute im Hintergrund, gehen im Gas unter, nur Rauschen und Zischen ist zuhören, bevor sie wieder die Augen öffnen können.

TickWo Geschichten leben. Entdecke jetzt