2) Selbstreflexion

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Gut gemacht, Alter. Hast grandios deinen Mann gestanden.
Nun wurde Bellamys innere Stimme auch noch sarkastisch. Nicht, dass das etwas Neues wäre. Zum Glück hatte er schon lange gelernt, nicht mehr auf diesen unberechenbaren, egoistischen und provozierenden Teil in sich zu hören.

Wenn er ehrlich war, war Bellamy in diesem Moment sogar richtig stolz auf sich. Damals, als er und Clarke sich kennengelernt hatten, wäre er niemals in der Lage gewesen, so besonnen zu reagieren wie er es gerade getan hatte. Er war selten einem Konflikt aus dem Weg gegangen, im Gegenteil. Wie oft war er selbst der Auslöser dafür gewesen?
Früher war er ein ziemlicher Arsch gewesen. Ein Hitzkopf und Besserwisser, der sich von niemandem etwas hatte sagen lassen. Aber plötzlich war da dieses blonde Mädchen, das ebenso stur und befehlshaberisch sein konnte wie er. Das es als eine der wenigen Leute schaffte, ihm Paroli zu bieten.
Auch wenn er es zu dem Zeitpunkt niemals zugegeben hätte; sie war ihm von Anfang an unter die Haut gegangen und hatte ihn in so vielen Belangen beeinflusst. Sie wusste immer ganz genau, welche Knöpfe sie bei ihm drücken musste, damit er einsichtig und umgänglich wurde. Durch die mehr als schweren Entscheidungen, die Clarke so oft – zu oft – hatte treffen müssen, und mit ihren natürlichen Anführerqualitäten hatte sie es geschafft, seinen Respekt zu gewinnen. Mit ihrer ganzen Art; ihrem starken Willen, alles für diejenigen zu tun, die ihr wichtig waren, ihrer unerschrockenen Kämpfernatur, hatte sie im Laufe der Zeit auch seine Liebe gewonnen.

Bellamy blieb abrupt stehen und schloss die Augen. Scheisse ja – er liebte sie! Und er hatte keinen Schimmer, wie er diese Gefühle noch länger unterdrücken konnte. Das Blöde war; egal wie sehr er auch versuchte, seine Empfindungen für Clarke tief in sich begraben zu halten – sie verschwanden einfach nicht. Sie waren immer da. Wie ein lästiger, haarfeiner Stachel, der permanent in der Haut feststeckte. Er konnte es einfach nicht abstellen.

So lange hatte er sich eingeredet, da sei nichts. Clarke und er waren Gefährten, Freunde. Sie respektierten und vertrauten einander. Punkt. Aber einige der Menschen, die ihm nahestanden, hatten die Wahrheit schon vor ihm erkannt. Octavia zum Beispiel. Sie hatte ihn einmal gnadenlos damit konfrontiert. „Du flehst um das Leben einer Verräterin, die du liebst". Das waren ihre Worte gewesen. Damals hatte er schlichtweg nicht gewusst, was er darauf erwidern sollte. Auch danach war er so oft hin und her gerissen, war sich seiner Gefühle nicht sicher.
Aber selbst Echo glaubte zu wissen, was in ihm vorging. Deshalb hatte sie sich vor fünf Wochen von ihm getrennt. Sie beide hatten ein langes, ausführliches Gespräch geführt und waren zu dem Schluss gekommen, dass es keinen Sinn mehr machte, weiterhin ein Paar zu sein. Sie hatten sich eingestehen müssen, dass sie sich eine Zeit lang gegenseitig gebraucht hatten, weil sie beide einsam gewesen waren. Ja, sie waren ein gutes Team geworden, eine Familie, und sie bedeuteten einander viel. Aber Echo hatte auch betont, dass es nur eine Person gab, die ganz und gar Bellamys Herz besass. Und das war nicht sie. Die ehemalige Spionin hatte ihre Vermutung in bitterem Tonfall ausgesprochen: Bellamy würde sie nie auf dieselbe Weise lieben, wie er Clarke liebte.

Er hatte nur seinen Mund verzogen, den Boden angestarrt und geschwiegen. Nicht einmal in diesem Moment hatte er seine wahren Gefühle aussprechen können, obwohl es ihm zum ersten Mal so richtig bewusst geworden war. Es stimmte; er liebte Clarke. Er hatte sie schon immer geliebt.
Echo wollte nicht, dass sie und Bellamy aus den falschen Gründen zusammen waren. Sie wollte eine aufrichtige Beziehung, in der sie nicht bloss die zweite Geige spielte. Er konnte ihr das nicht verübeln. Auch wenn es ein schwieriger und emotionaler Moment gewesen war; schlussendlich hatten sie sich im Guten getrennt. Echo würde ihm immer eine loyale Freundin sein, darauf konnte Bellamy zählen.

Über alles andere wollte er sich jetzt aber nicht weiter den Kopf zerbrechen. Schon gar nicht darüber, ob der Kletten-Doktor und Clarke sich bereits von der Party verabschiedet und sich zusammen zurückgezogen hatten, um ... gewisse Dinge zu tun.
Ich hätte ein paar Drinks mitnehmen sollen, dachte Bellamy, während er aufgewühlt und ziellos durch das verlassene Gelände streifte.

Er hatte, ohne es zu merken, das Trainingsareal angesteuert. Es handelte sich um eine Art überdachte Outdoor-Fitnessanlage mit diversen Trainingsgeräten, welche die Bewohner von Sanctum in ihrer Freizeit nutzen konnten. Im Moment war hier alles dunkel und leer, was angesichts des noch andauernden Erntedankfestes und der fortgeschrittenen Uhrzeit auch kein Wunder war.
Mit Interesse begutachtete Bellamy die Holzwand mit einigen darauf angebrachten Zielscheiben, die vor ihm aufgetaucht war. Wie praktisch; etwas zum Abreagieren.

Eine zweite Chance (Bellarke FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt