Am Freitagmorgen erwachte Bellamy, noch bevor ihn der penetrante Hahn unsanft aus dem Schlaf reissen konnte. Er frühstückte ausgiebig und machte sich dann auf den Weg zu einer Scheune am Dorfrand, welche zurzeit aufgebaut wurde. Da er keinen Wächterdienst hatte, half er den ganzen Tag bei den Bauarbeiten mit, froh um jede Ablenkung. Trotzdem gab es den ein oder anderen Moment, in dem Aufregung, Vorfreude und leider auch diese blöde Nervosität in ihm aufwallten. Der Abend - und somit das langersehnte Date - rückte näher und näher. Er konnte es kaum mehr erwarten und sehnte sich danach, endlich wieder Zeit mit Clarke zu verbringen.
"Danke für deinen Einsatz Bellamy. Meine Familie und ich wissen das wirklich sehr zu schätzen", sagte der Farmer, dem die zukünftige Scheune gehörte. "Wie abgemacht kannst du morgen deine erste Wochenration abholen."
"Alles klar. Danke, Thomas", antwortete Bellamy und wischte sich mit dem unteren Saum seines Shirts den Schweiss von der Stirn. Die harte Arbeit machte sich bezahlt, der Deal mit dem Farmer war zufriedenstellend: Die Bezahlung bestand aus einer wöchentlichen, grosszügig bemessenen Menge an Kartoffeln, Rüben, Zwiebeln und anderem Gemüse, ausserdem Milch und Eiern. Der Handel galt, solange der Bau der Scheune andauerte und sogar noch ein paar Monate darüber hinaus. Thomas versprach überdies, dass er ab und zu - wenn er eins seiner Nutztiere schlachtete - auch ein gutes Stück Fleisch drauflegen würde.
Hunger leiden würde Bellamy jedenfalls eine ganze Weile nicht.
Er ging nach Hause, nahm eine Dusche und kramte dann in seinem Schrank nach brauchbarem Material.
Mist, ich hätte was Anständiges zum Anziehen besorgen sollen.
Schliesslich entschied er sich für eine dunkle Jeans und ein langärmliges, weinrotes Shirt mit V-Ausschnitt - hauptsächlich, weil es das einzige Oberteil in seinem Besitz war, das noch nicht verschlissen oder löchrig war. Beim nächsten Job, den er annahm, würde er als Entlöhnung neue Kleidung verlangen müssen, so viel stand fest.
Mit einem freudigen Kribbeln im Bauch machte er sich auf den Weg. In der Hand hatte er die Mondblume, die er vorsorglich schon anfangs Woche besorgt hatte. Sie glich den Sonnenblumen von der Erde, allerdings waren ihre Blütenblätter nicht gelb, sondern von einem perlenden Weiss. Die Kerne, die das Innere ausfüllten, waren mitternachtsblau.
Nachdem er an Clarkes Wohnungstür geklopft hatte, wusste Bellamy plötzlich nicht mehr wohin mit seinen Händen. Weil sie schwitzig waren, wischte er sie hastig an seiner Jeans trocken und stopfte dann kurz entschlossen die linke Hand in die Hosentasche, während seine rechte weiterhin die Mondblume hielt. Er hatte den Kopf gesenkt und starrte solange auf einen Punkt am unteren Ende der Tür, bis sie aufging.
Sein Herz machte einen vertrauten Hüpfer und langsam wanderte sein Blick nach oben, bis zu Clarkes herrlich blauen Augen, die der Farbe der Mondblume locker Konkurrenz machten.
"Hey Prinzessin", brachte er mit rauer Stimme heraus.
"Hy", begrüsste Clarke ihn mit einem warmen Lächeln.
Ihre Augen weiteten sich überrascht, als er ihr die Blume entgegen streckte. "Für mich? Oh wow, vielen Dank, Bell!" Ausgiebig studierte Clarke die Blume, fuhr ganz vorsichtig mit den Fingerspitzen über die schimmernden Blütenblätter. "Sie ist wunderschön. Ich habe bisher nur davon gehört, aber selbst noch nie eine gesehen."
"An einer Stelle am Waldrand, ungefähr 20 Gehminuten von hier, gibts ein ganzes Feld davon", erklärte Bellamy. "Ich habe es vor kurzem während einer Patroullie entdeckt."
Clarkes Augen leuchteten. "Zeigst du es mir?"
Bellamy grinste schief. "Wir können sofort los, wenn du willst."
In aller Ruhe spazierten sie also zu dem Mondblumenfeld, während sie sich über alles Mögliche unterhielten. Erst als sie an ihrem Ziel ankamen, standen sie eine Weile in einträchtiger Stille am Rande der grossflächigen Blumenwiese, versunken in den Anblick, der sich vor ihnen aufgetan hatte. Es sah aus wie ein Diamantenteppich, so sehr funkelten und schimmerten die perlweissen Blüten im Licht der zwei Sonnen.
"Ich glaube, ich habe noch nie etwas so Schönes gesehen", flüsterte Clarke.
Beunruhigt registrierte Bellamy, wie ihr eine einzelne Träne über die Wange rann, doch ihr Gesichtsausdruck war gelöst und friedlich. Sie schien mit sich und der Welt im Reinen zu sein.
Er griff nach ihrer Hand und drückte sie bestärkend. Clarke legte den Kopf an seine Schulter, ohne den Blick von dem Feld abzuwenden.
"Wir sind endlich zuhause, Bell."
***
Da das Date bisher richtig angenehm verlief und die Stimmung zwischen ihnen überhaupt nicht komisch war, vergass Bellamy alle Sorgen diesbezüglich und genoss den Abend in vollen Zügen. Er hatte sogar richtig Spass. Und das Beste daran war, dass es Clarke auch so zu gehen schien.
Nach ihrem Abstecher zu dem Blumenfeld spazierten sie ins Dorf zurück und besuchten den dortigen Markt, der jeden Samstag stattfand. Sie probierten alberne Hüte und Westen an, was beide zum Lachen brachte. Zwischendurch schlemmten sie allerlei Köstlichkeiten wie würzige Pasteten, süsse Gebäckstücke mit Nussfüllung und Früchtekuchen. Clarke hatte unter weiser Voraussicht einen ganzen Strauss Mondblumen gepflückt und tauschte einzelne Exemplare jeweils als Bezahlung ein. Auf die Art erstand sie auch eine einfache Halskette aus Muscheln, die sie Madi schenken wollte.
Bald darauf gewann Bellamy beim Dosenwerfen ein handgenähtes Stofftier (eine Art Fuchs) und überreichte es Clarke, nicht ohne sie freundschaftlich damit aufzuziehen, dass er besser geworfen hatte als sie.
"Dafür bin ich die bessere Messerwerferin", entgegnete sie in ebenso flachsigem Ton. "Oder haben Sie das etwa schon vergessen, Mister Blake?"
Sie standen inmitten einer grossen Anzahl Marktbesucher, doch das hielt Bellamy nicht länger davon ab, Clarke vor allen Leuten ganz nah an sich zu ziehen. Er konnte plötzlich keine Sekunde länger damit warten.
"Davon träumst du wohl, Griffin", stichelte er.
Versonnen sah sie ihm in die Augen. "Nein. Nicht davon."
Sie stellte sie auf die Zehenspitzen, damit sich Bellamy nur noch ganz wenig vorzulehnen brauchte. Zärtlich küssten sie sich. Die Inbrunst, mit der Clarke seine Berührung erwiderte, liess Bellamy vor Glück beinahe taumeln. Seine Knie fühlten sich an, als bestünden sie plötzlich aus Sülze. Zufrieden seufzte er an ihren Lippen, während er ihren Duft, ihren Geschmack in sich aufnahm wie ein Verdurstender. Seine Hand wanderte währenddessen weiter nach unten - gefährlich tief nach unten - und Clarke lachte unterdrückt.
"Bell, so gut sich das auch anfühlt ... Es hat hier definitiv zu viele neugierige Augen. Wir müssen damit noch ein wenig warten."
Er stellte sich absichtlich dumm und versuchte, harmlos dreinzublicken. "Womit warten?" Leider war es ganz schön schwer, ernst zu bleiben und Bellamy war sich sicher, dass seine Augen vor Schalk - und ... na ja; Erregung - blitzten.
Clarke spielte sein Spiel mit. "Das wirst du schon noch sehen. Ich habe gehört, es soll ziemlich Spass machen. Diese Sache, die zwei erwachsene Menschen miteinander tun können, meine ich."
"Sache?"
"Ja. Eine Tätigkeit. Sie beinhaltet unter anderem, dass man sich auszieht", begann Clarke nüchtern und klang dabei, als hätte sie tatsächlich gerade vor, ihm den berühmten Vortrag über Blumen und Bienen zu halten. Lässig zuckte sie mit einer Schulter. "Ausserdem hat es mit Forschung, Biologie und Anatomie zu tun. Man kann zum Beispiel mit den Händen oder dem Mund ..."
"Okay, Prinzessin", unterbrach Bellamy sie daher lachend, "du musst nichts mehr sagen." Er strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht, bevor er ihr einen Kuss auf den Mundwinkel und einen weiteren auf die Schläfe gab. "Besser du zeigst es mir später", raunte er.
Ihre Finger, die an seiner Taille lagen, gruben sich ein wenig fester in den Stoff seines Shirts.
Neben ihnen räusperte sich jemand, worauf Bellamy und Clarke ertappt herumfuhren.
"Sorry", sagte Raven gedehnt und mit einem Ausdruck im Gesicht, der irgendwo zwischen amüsiert und peinlich berührt lag. "Ich störe euch Turteltauben wirklich nicht gerne, aber wir könnten deine Hilfe brauchen, Clarke."
Die Besitzer der Werkstatt, in der Raven sowie Emori und Jordan arbeiteten, betrieben am Wochenmarkt ebenfalls einen Stand. Sie boten diverse elektronische und mechanische Geräte und auch Werkzeuge zum Tausch an und man konnte vor Ort persönliche Dinge reparieren lassen, wenn sie defekt waren. Laut Raven hatte Emori sich bei einer solchen Reparatur an einer scharfen Metallkante verletzt.
"Sieht ganz danach aus, als ob der Schnitt an ihrem Daumen genäht werden müsste", erklärte Raven. "Die medizinischen Utensilien haben wir bereits aufgetrieben, aber wir fürchten, die Wunde nur zu verschlimmbessern, wenn einer von uns sich daran zu schaffen macht. Würden du und deine erfahrenen Hände das bitte übernehmen, Clarke?"
"Natürlich", sagte jene und warf Bellamy einen amüsierten und vielsagenden Blick zu. "Bell, ich und meine erfahrenen Hände sind gleich zurück, okay?"
"Lass dir ruhig Zeit", erwiderte er mit einem Zwinkern.
Als die zwei Frauen sich in Bewegung setzten, legte sich Ravens Stirn in Falten. "Ich kann Murphy bis hierher fluchen hören. Er war bei uns, als Emori sich die Verletzung zugezogen hat. Er hat sein T-Shirt zerissen, um die Blutung zu stoppen und es gleichzeitig irgendwie geschafft, den Rasenmäher, den wir eigentlich hätten reparieren sollen, mit dem Absatz seines Steifels komplett zu demolieren. Dieser hitzköpfige Idiot. Nun werden wir dem Kunden einen neuen Mäher offerieren müssen."
Bellamy beobachtete, wie die beiden zügig zu einem ungefähr zehn Meter weit entfernten Markstand gingen. Da ertönte auf einmal eine Männerstimme, die ihm mittlerweile leider allzu bekannt vorkam. Der hochnäsige Klang dieser Stimme bewirkte, dass Bellamys bis anhin so glänzende Laune jetzt eine glatte Bruchlandung hinlegte.
"Täusche ich mich oder hat Clarke Sie gerade stehengelassen? Gibt es etwa Ärger im Paradies, Blake?"
Fuck, das ist jetzt nicht wahr!
Bellamy zwang sich, einmal tief durchzuatmen, bevor er sich Cillian mit finsterer Miene zuwandte. Der Kerl hatte ihm bei seinem Date mit Clarke gerade noch gefehlt.
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Eine zweite Chance (Bellarke FF)
FanfictionDa die Erde unbewohnbar geworden ist, sind Bellamy, Clarke und die anderen Überlebenden gezwungen, 125 Jahre an Bord eines Raumschiffs im Kälteschlaf zu verbringen. Doch endlich erreichen sie einen geeigneten Planeten, auf dem sie Zuflucht finden. I...