11) Schützenhilfe vom Commander

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Das mit dem Schlafen klappte nicht allzu gut. Bellamy warf sich in seinem Bett mehrheitlich von einer Seite auf die andere. Mal war ihm zu kalt und er deckte sich bis zum Kinn zu, dann war ihm wieder zu heiss und er musste die Decke wegschieben. Zudem fing die Einstichstelle, wo die Infusion gelegt worden war, an zu jucken. Und dauernd drangen verschiedene Geräusche von draussen und von der Wohnung oberhalb zu ihm durch, was sonst praktisch nie der Fall war.

Irgendwann war er wohl doch eingeschlafen, denn plötzlich schreckte er hoch, weil draussen ein Hahn krähte. Und krähte. Und weiter krähte.
Bellamy war auf dem Bauch liegend erwacht. Diese Position ermöglichte es ihm nun, das Gesicht frontal im Kissen zu vergraben und hinein zu grummeln. Endlich hätte er schlafen können und dann musste dieser blöde Gockel anfangen, Terror zu machen! Das war ja nicht zum Aushalten!

Murrend erhob er sich und schlurfte ins Bad. Dort stellte er mit einem Blick in den Spiegel fest, dass seine Haare in Sachen Unordnung allmählich denjenigen von Lonny Konkurrenz machten. Seine dunklen Locken waren völlig zerzaust und standen zum Teil wirr vom Kopf ab. Ausserdem waren sie inzwischen eindeutig zu lang geworden. Seinen Bart stutze er im 2-wöchentlichen Rhythmus, doch seine Haare hatten schon monatelang keine Schere mehr gesehen.
Bellamy legte den Kopf schief und betrachtete nachdenklich sein Spiegelbild. Er sah wirklich ein wenig verwildert aus.
Schön, dass wenigstens ein Teil deiner Selbstwahrnehmung noch funktioniert.

Er nahm das Rasiermesser zur Hand, welches er irgendwann einmal auf der Erde gefunden hatte und seither als eines der wenigen persönlichen Besitztümer bei sich aufbewahrte. Da er ein seltsames Bedürfnis nach Veränderung hatte, rasierte er den Bart komplett ab, so dass sein Gesicht nach Jahren wieder ganz glatt war. Es war ein seltsam befreiendes Gefühl. Auch wenn seine Haut nun etwas gar berührungsempfindlich war. Das würde sich aber bestimmt schnell wieder legen.
Nach der Rasur nahm Bellamy eine Dusche, ging danach in den Wohnbereich und frühstückte ausgiebig.

Als nächstes reparierte er kurzerhand den Tisch, der schon seit gut drei Wochen arg wackelte. Als auch dies erledigt war, verliess er seine Wohnung und begab sich auf direktem Weg zum Friseur, welcher sich im Dorfzentrum befand. Da diese Möglichkeit bestand, zog Bellamy es definitiv vor, den Profi aufzusuchen, anstatt selbst Hand an seine Haare zu legen. In der Vergangenheit hatte er das ein-, zweimal getan und leider war dabei ein nicht sehr zufriedenstellendes Ergebnis herausgekommen, weshalb er das Haareschneiden lieber Octavia oder Raven überlassen hatte.

Als Bezahlung für seine Dienste bat der Friseur lediglich darum, dass Bellamy ein Fenster des Salons reparierte, welches ständig klemmte.
In Sanctum gab es kein Geld. Die Zahlungsmittel bestanden aus Lebensmitteln, handgefertigten Waren oder sonstigen Gütern und Dienstleistungen. Erstaunlicherweise hatte dieses System bisher recht gut funktioniert.
Nicht überall regierte Geld die Welt. So schien es jedenfalls.

Bellamy kehrte zu seiner Wohneinheit zurück. Er bog gerade um die Ecke in den breiten, hellen Flur, von dem man zur Eingangstür seiner Wohnung gelangte, als er auf zwei Personen traf. Offenbar hatten sie bei seiner Tür gewartet. Die kleinere Gestalt, welche die dunkelbraunen Haare zu einem Zopf geflochten hatte, winkte ihm freudig zu. Madi.
Es war allerdings nicht ihre Anwesenheit, die Bellamys Herz einen Purzelbaum schlagen liess.
Die andere Person war Clarke. Sie war doch noch zu ihm gekommen!

"Siehst du", sagte Madi zu Clarke, "ich wusste, dass er nicht lange wegbleiben würde. Zum Glück haben wir gewartet."
Clarke nickte geistesabwesend, während sich bei Bellamys Anblick ihre Augen immer mehr weiteten.

Er stand nun vor den beiden Besucherinnen und verstand nicht ganz, weshalb sie ihn so komisch anstarrten. Es waren doch nur Haare.

"Wow! Bell, du siehst ja plötzlich voll anders aus!", rief Madi erstaunt. "Vor allem jünger - obwohl du natürlich immer noch alt bist, aber du weisst, was ich meine."

Bellamy und Clarke tauschten einen belustigten Blick.
"Autsch. Ich bin noch nicht einmal 30 und werde als alt bezeichnet. Wie schmeichelhaft", seufzte er und sah Madi dann aus schmalen Augen an. "Wenn man übrigens den Kryoschlaf mitzählt, dann hast auch du krass viele Jahrzehnte auf dem Buckel - mal daran gedacht, du Schlaumeier?"

Madis Mund klappte auf und sie sah ein wenig geschockt aus. "Oh Mist, du hast Recht! Ich bin in Wirklichkeit nicht 13, sondern über 130 Jahre alt! Ein Fossil!"

Clarkes sexy Lachen erklang, was Bellamys Aufmerksamkeit schlagartig auf sie lenkte. Er liebte ihr Lachen.
"Ach Madi, das Alter spielt doch überhaupt keine Rolle. Hauptsache, wir leben und sind alle gesund", sagte sie diplomatisch.

Das Mädchen wirkte nicht ganz überzeugt, doch sie nickte, nur um Bellamy von Neuem zu mustern.
Langsam wurde ihm das Gestarre ein wenig unangenehm.

"Man kann dein Gesicht jetzt viel besser sehen", kommentierte sie. "Auf der Erde hat mir Clarke immer Bilder von euch gezeigt, die sie gezeichnet hat. Jetzt erkenne ich, dass diejenigen von dir wirklich peinlich genau waren! Die Sommersprossen, das Grübchen am Kinn und sogar die kleine, senkrechte Narbe an der Oberlippe - die übrigens cool aussieht ..." Madi studierte ihn immer mehr wie ein besonders interessantes Insekt.

Clarke nahm ihre Ziehtochter bei der Schulter und zog sie sanft zurück.
"Madi, das reicht jetzt. Was du machst, ist unhöflich. Bellamy ist doch kein Studienobjekt."

"Ich bin nur überrascht, wie gut er jetzt aussieht, das ist alles. Ich mag Bärte nämlich nicht besonders."

"Bellamy sieht immer gut aus, ob mit oder ohne Bart", bemerkte Clarke wie automatisch und Bellamy hätte fast den Hausschlüssel, den er eben hervorgeholt hatte, fallen gelassen.
Clarke wiederum erstarrte, während ein Hauch von Rot ihre Wangen überzog.
Hatte ihr eigenes Kompliment sie etwa genauso überrumpelt wie ihn?

"Ähm ... Ich - also wir, Madi und ich - wir sind eigentlich hergekommen, um dich etwas zu ... zu fragen", stammelte sie und sah dabei überallhin, ausser in seine Augen.

"Begleitest du uns zum See?", übernahm Madi das Reden. "Wir wollen schwimmen gehen. Bitte, Bell!" Ihr Grinsen war hoffnungsvoll und absolut unschuldig. Zu unschuldig.

Bellamy liess sich jedenfalls nicht lange bitten. Selbst wenn er heute keinen freien Tag gehabt hätte, hätte er wohl alles stehen und liegen gelassen und einen seiner Kollegen gebeten, bei der Einheit für ihn einzuspringen.
"Sicher. Ich begleite euch gern", antwortete er erfreut.

Über Clarkes Gesicht ging ein Strahlen.
"Schön! Das ist schön ... äh, also dann treffen wir uns in einer halben Stunde bei dem grossen Felsen am Südufer des Sees, okay? Wir werden erst noch einige Sachen zusammenpacken, du weisst schon, Proviant und so ...", lächelte sie schief.

"Sie meint ein Picknick", verbesserte Madi, wobei sie in ihre locker geballte Faust grinste. Allem Anschein nach gelang es ihr nur mit Mühe, nicht loszukichern.

"Genau, ich meine natürlich ein Picknick", stimmte Clarke verlegen zu. "Das war Madis Idee, weisst du. Das mit dem Schwimmen und dem ... Picknick."

Bellamy unterdrückte nun ebenfalls ein Grinsen. Er musste zugeben, dass eine nervöse Clarke wirklich amüsant war, da konnte er die Kleine voll und ganz verstehen.
"Das ist eine super Idee, finde ich. Danke, dass ihr mich eingeladen habt", erwiderte er ruhig, obwohl es in seinem Innern ganz anders aussah. Dort fand gerade ein mittelgrosses Feuerwerk an Emotionen statt.

"Das hingegen war Clarkes Idee! Sie hat schon seit Tagen ... "

"Wir sollten jetzt besser gehen", fiel Clarke Madi hastig ins Wort und zog sie am Arm mit sich, "Bis nachher, Bellamy!"

Als die beiden davongingen, drehte sich Madi nochmals um und zwinkerte Bellamy verschwörerisch zu. Er lachte kopfschüttelnd vor sich hin.
Dieser gerissene kleine Commander.

Eine zweite Chance (Bellarke FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt