Kapitel 4

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Nebelschweif machte sich auf den Weg zur Kinderstube. „Willst du nicht mitkommen und den Neuling begrüßen?" fragte Goldblüte. Die weiße Kätzin sah über die Lichtung, wie Feuerpfote mit Graupfote sprach. „Lieber nicht." gab sie zurück und setzte ihren Weg fort.

„Blaustern hat ein Hauskätzchen in den Clan aufgenommen?" fragte Rußjunges. Nebelschweif nickte. „Dem zeige ich wo's lang geht." rief Buntjunges. Ihre Mutter sah sie streng an. „Du wirst nichts dergleichen tun." gab sie streng zurück. Plötzlich kam Frostfell in die Kinderstube gestürmt. „Nebelschweif, komm nach draußen das musst du dir anhören. Es geht um Rotschweif." miaute sie aufgewühlt. Nebelschweif rannte sofort mit ihr nach draußen.

Blaustern saß auf dem Hochfelsen und unter ihr Rabenpfote, der leicht schwankte und verängstigt versuchte zu erklären was geschehen war. „Wir sind auf f-f-fünf Krieger vom FlussClan gestoßen, am Fluss, nicht weit vom Sonnenfelsen." erzählte er mit zittriger Stimme. „Eichenherz war darunter." fügte hinzu. Nebelschweifs Blick schnellte zu Blaustern. Die Anführerin ließ sich nichts anmerken. Rabenpfote erzählte weiter. „Rotschweif hat Eichenherz aufgefordert, seine Jäger vom DonnerClan- Territorium fernzuhalten. Er hat gedroht, dass der nächste Krieger des FlussClans, der auf unserem Territorium erwischt wird, getötet würde, a-aber Eichenherz wollte nicht nachgeben. Er meinte, sein Clan brauche Nahrung, egal, womit wir drohten." Rabenpfote holte tief Luft. Er hatte eine tiefe Wunde an der Schulter die unaufhörlich blutete. „In dem Augenblick haben die vom FlussClan angegriffen. Es war schwer zu erkennen, was genau passiert ist. Es war ein bösartiger Kampf. Ich habe gesehen, wie Eichenherz Rotschweif zu Boden drückte, aber dann ist Rotschweif ..." Plötzlich kippte Rabenpfote zur Seite und brach am Boden zusammen. Goldblüte rannte zu ihm und leckte seine Wangen, ehe sie nach Tüpfelblatt rief. Die Heilerin eilte von ihrem Bau zu ihm. Sie stupste Rabenpfote mit der Nase an und sah sich seine Wunden genauer an. „Es ist schon gut, Goldblüte, er ist nicht lebensgefährlich verletzt. Aber ich brauche paar Spinnenweben, damit ich die Blutung stillen kann." erklärte die Heilerin und sah sich schnell um. „Bernsteinkralle kannst du mir Spinnweben holen?" forderte sie ihn auf und er rannte sofort in den Heilerbau. Er kam zurück und übergab ihr die Spinnweben.

Nebelschweif sah zu Ginstertunnel aus dem gerade Tigerkralle zurückkehrte, er schliff die leblosen Körper von Rotschweif auf die Lichtung. Die Katzen um sie herum brachen in ein Trauergeheul aus. Nur Nebelschweif saß da wie angewurzelt. „Was ist passiert, Tigerkralle?" wollte Blaustern wissen, die immer noch auf dem Hochstein saß. Tigerkralle ließ das Nackenfell des Toten los und sah mit festem Blick zu Blaustern. „Rotschweif ist eines ehrenvollen Todes gestorben, niedergestreckt von Eichenherz." erzählte der dunkelgetigerte Krieger. Nebelschweif kniff die Augen zusammen. Eichenherz würde niemals so weit gehen und Rotschweif ebenfalls nicht, sie haben sich stets immer an das Gesetz der Krieger gehalten, wie kann das sein, dachte Nebelschweif. „Ich konnte ihn nicht retten, aber es ist mir gelungen, Eichenherz zu töten, während er sich noch hämisch über seinen Sieg freute." Tigerkralles Stimme war kräftig und tief. Nebelschweif sah hoch zum Hochstein zu Blaustern. Ihre Augen waren voller Trauer. „Rotschweif ist nicht vergeblich gestorben, denn ich glaube nicht, dass wir weitere Jäger aus dem FlussClan auf unserem Territorium sehen werden." Tigerkralle sah zu Nebelschweif. „Oder andere." fügte er hinzu. Nebelschweif legte wütend die Ohren an.

Nachdem alle eine Zeit lang schwiegen traten allmählich Katzen vor und erwiesen Rotschweif die letzte Ehre. Sie leckten sein blutgetränktes Fell sauber und murmelten ihm Worte zum Abschied zu. Nebelschweif trat langsam an ihn heran und kauerte sich neben ihn. „Wir waren in letzter Zeit nicht immer derselben Meinung." Die Stimme der weißen Kätzin versagte und sie sammelte sich um weiter sprechen zu können. „Es tut mir so leid." Sie beugte ihren Kopf nach unten und gab ihm ein letztes Mal die Zunge. „Glaub ihn kein Wort." hörte sie plötzlich Rotschweifs Stimme. Nebelschweif sah schweigend in den Himmel. Plötzlich trat Blaustern neben sie. Stumm drückte die weiße Kätzin ihre Nase in ihre Flanke. Nebelschweif nickte und ließ die Anführerin mit Rotschweif allein.

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Nach einer Weile schaute Blaustern auf und sprach mit Kummer in ihrer Stimme zum Clan. „Rotschweif war ein tapferer Krieger. Seine Treue gegenüber dem DonnerClan stand nie im Zweifel. Ich konnte mich immer auf sein Urteil verlassen, weil es die Bedürfnisse des Clans berücksichtigte und niemals von eigenen Interessen oder Stolz beeinträchtigt wurde. Er wäre ein guter Anführer geworden." Sie legte sich auf den Bauch und senkte den Kopf. Rotschweifs engsten Freunde leisteten ihr Gesellschaft. Es waren Buntgesicht, Sandpfote, Borkenpfote und Glanzfell. Nur Flickenpelz war nicht dabei, was Nebelschweif wunderte, er war doch sein Bruder.

Vor Mondhoch musste Blaustern einen neuen Anführer wählen. Nebelschweif beschloss zu ihrem alten Mentor in den Ältestenbau zu gehen. Sie blieb jedoch am Eingang stehen. Denn es waren Graupfote und Feuerpfote bei ihnen. „Tupfenschweif, erinnerst du dich noch an den Tag vor vielen Monden, Blaustern selbst zur Stellvertreterin ernannt wurde?" fragte Einauge. Tupfenschweif nickte. „Oh ja! Es war nicht lange, nachdem sie ihre Jungen verloren hatte." Nebelschweif trat ein und peitschte wütend mit dem Schwanz. „Es gibt Geschichten, über die man schweigen sollte." tadelte sie Tupfenschweif. Kleinohr sah überrascht zu ihr. „Ah, meine ehemalige Schülerin." rief Kleinohr erfreut. Die weiße Katze schritt an den Schülern vorbei und setzte sich neben ihren alten Mentor. Feuerpfote beobachtete jeden Schritt der Kätzin. „Blaustern wird nicht glücklich darüber sein, dass sie nun einen neuen Stellvertreter ernennen muss." meinte Kleinohr. Nebelschweif stimmte nickend zu und schluckte die aufkommende Trauer herunter. „Aber so ist es nun mal." miaute sie mit starker Stimme.

„Aber diesmal ist es wenigsten eindeutig, wen sie wählt." meinte Kurzschweif. Löwenherz, dachte Nebelschweif und stimmte nickend zu. Die beiden Schüler sahen sich fragend an. Nebelschweif sah im Augenwinkel das sich Tigerkralle scheinbar für das Gespräch interessierte, so wie er die Ohren spitzte. Plötzlich hörten die Katzen Blausterns Stimme über die Lichtung schallen, die wieder zu einer Versammlung rief.

Nebelschweif setzte sich an den Rand der Lichtung und beobachtete alles. „Ein neuer Stellvertreter muss ernannt werden." rief Blaustern. „Aber vorher wollen wir dem SternenClan für das Leben von Rotschweif danken. Heute Nacht wird er bei seinen Kriegerfreunden im Sternenvlies sitzen." Nebelschweif sah hinauf zum Himmel, der immer dunkler wurde. Alle Katzen sahen nun schweigend nach oben. Blaustern fuhr mit der Ernennung fort. „Und nun werde ich den Zweiten Anführer des DonnerClans ernennen. Ich sage dies vor Rotschweifs Leichnam, damit seine Seele es hören und meine Wahl billigen kann." Blaustern machte eine kurze Pause. „Löwenherz, wird der Zweite Anführer des DonnerClans sein." Löwenherz trat vor und wurde von einigen mit einem Stups mit der Nase gratuliert.

„Eine gute Wahl." hörte Nebelschweif wieder Rotschweifs Stimme. Sie sah zum Himmel hinauf. Daran hätte ich auch nie gezweifelt, sprach die Kätzin in Gedanken zu ihm. Blaustern sprach weiter. „Da Rotschweif außerdem Borkenpfotes Mentor war und es keine Unterbrechung in der Ausbildung geben darf, will ich sofort den neuen Mentor für Borkenpfote ernennen. Dunkelstreif, du bist inzwischen bereit für deinen ersten Schüler, daher wirst du seine Ausbildung übernehmen. Du hast einen guten Mentor in Tigerkralle gehabt, und ich erwarte, dass du einige der hervorragenden Fähigkeiten weitergibst, die man dir beigebracht hat." Dunkelstreif ging zu Borkenpfote und berührte vorsichtig die Nase seines neuen Schülers. Borkenpfote schien noch viel zu sehr in seiner Trauer um seinen Mentor zu stecken und schnippte nur höflich mit dem Schwanz. „Ich werde bei Rotschweifs Leichnam die Totenwache halten, bevor wir ihn bei Sonnenaufgang begraben." erhob Blaustern das Wort und sprang vom Hochfelsen. Rotschweifs Vertraute schlossen sich ihr an. Nebelschweif ging erschöpft in die Kinderstube. Ihre Jungen schliefen bereits.

Nebelschweif lag bei ihren Jungen im Nest. Die weiße Königin bekam kein Auge zu. Sie grübelte über Tigerkralles Worte und darüber, was Rotschweif ihr zugeflüstert hatte. Meinte Rotschweif sie sollte Tigerkralle nicht glauben. Wenn ja, wieso sollte er lügen. Nebelschweif spürten einen Stich ins Herz, denn plötzlich kam ihr ein Gedanke; was, wenn Tigerkralle seinen Mentor ähnlicher war als gedacht. 

Warrior Cats - EiskaltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt