Verbal

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-Malte
Das Glas klirrt in meiner Hand und fällt Scherbe für Scherbe auf den Boden. IST DAS SEIN SCHEIẞ ERNST?  In der Hoffnung alles sei nur ein Traum oder die Wirkung des Alkohols, reibe ich mir die Augen. Es ist kein Traum. Ich stürme wutentbrannt zu seinem Tisch und ziehe den Typen von ihm weg. "He! Weg von meinem Mann!" Kaum lösen sich seine Lippen von Sevis, landet auch schon seine Faust in meinem Gesicht. Triumphierend kniet er über mir, mit diesem schrecklichen Grinsen und dieser unglaublichen Alkoholfahne. "Dein Mann? Sieht mir aber nicht danach aus." Dieser Satz schießt mir sofort das Adrenalin in den Körper. Ich richte mich auf und der Fremde und ich beginnen eine ziemlich unnötige Kneipenprügelei. Hast du nicht gesagt, du willst nicht mehr um ihn kämpfen? Dir sei das jetzt alles total egal? Ist es nicht. Als der Barkeeper uns trennt und mit der Polizei droht, hört der Fremde sofort auf, um sich zu schlagen. "Hey. Ist schon gut, man. Ich bin weg. Siehst du. War doch nur ein Spaß, nicht? Ein kleines Spielchen unter Männern, richtig?" Er verlässt die Kneipe. Ich dagegen sacke auf einem der Holzstühle zusammen, während mir unbekannte Stimmen Fragen an den Kopf werfen. "Alles gut bei dir?", "BRAUCHST DU EINEN KRANKENWAGEN? HALLOOOOO?", "Du.. du bist schwul?" Diese Stimme gehört wohl einer Person, die ich kenne. "Brauchst du Wasser?", "HALLOOOO, können sie mich hören?"

-Sevi
Ich kann meinen Mund vor Staunen gar nicht mehr schließen. "Mein Mann"... Er hat mich gerettet. Von seinem Heldenmut ist allerdings nicht mehr viel übrig. Sein rechtes Auge ist gerade dabei zuzuschwellen und er hat einen heftigen roten Fleck am Kiefer. Alle bombardieren ihn mit Fragen. Ich dagegen konnte mich immer noch nicht von der Bank lösen. Mein Kopf kann all das gerade nicht verarbeiten. Das Einzige, wozu er in der Lage ist, ist Malte, Malte, Malte, Malte.... Seine Augen liegen tief in den Höhlen. Er sieht furchtbar erschöpft aus. Hasi... Langsam scheinen sich meine Beine wieder bewegen zu können, ich torkle Richtung Bar. ,,Ey! Wir brauchen einen Kühlakku.", lalle ich dorthin, wo ich einen Menschen bei der ganzen Umgebung, die sich dreht, vermute. Vor Malte wurde ein Glas Wasser abgestellt, was er gierig trinkt. Ein kühler Gegenstand wird in meine Hand gedrückt. ,,Jetzt geh schon damit zu deinem Freund.", brummt eine frustrierte Stimme, als ich mich nicht rühre. Abgehackt nickend stolpere ich zurück zu Malte. Dieser scheiß Alkohol... Sein Kopf ist auf seine Brust gesackt, seine Augen sind geschlossen. Er muss mich nun endgültig hassen. Nach dem Kuss... Unsicher stehe ich hinter ihm und stütze mich am Stuhl ab. ,,D-du musst das kühlen..." Schwerfällig öffnet er die Augen und versucht mich zu fixieren. Als er mich erkennt, verfinstert sich sein Gesicht. ,,Gib her.", grummelt er und reißt mir das Kühlpack aus der Hand. Allerdings findet er sein Auge nicht. ,,Hier hin..." , dirigiere ich ihn und lege meine Hand auf seine. Er zuckt zusammen. Zwei Betrunkene, beide unfähig zum Treffen. Seine Finger verkrampfen sich unter meinen. ,,Lass das, ich kann das!" Ich lasse meine Hand, wo sie ist.

-Malte
"Du brauchst mir nicht helfen. Geh doch einfach. Das kannst du doch am besten.", brumme ich, als nun noch eine dritte Person dazukommen muss, um mir diesen scheiß Kühlakku aufs Auge zu drücken. Eine andere verbindet mir gerade die Hand. Ich kann nicht erkennen, wer es ist. Alles ist verschwommen. Aber das kann dir ja auch egal sein. Die Fragen gehen weiter, aber diesmal sind sie an Sevi gerichtet. "Hat ihr Freund irgendwelche Allergien?", "Sollten wir nicht doch einen Krankenwagen rufen, oder wollen sie ihren Mann mit nach Hause nehmen?", "Wollen sie ihrem Freund nicht helfen, anstatt nur blöde in der Ecke herumzustehen?", "Alles gut bei ihnen?" Freund. Mann. Lustig. Ich glaube, diese Sache hat sich erledigt. Verwirrt suche ich in meiner Hosentasche nach meinem Handy und halte es in seine Richtung. Ich glaube es zumindest. "Ruf meinen Vater an. Er soll mich abholen. Los, mach schon!"

-Sevi
,,Geht ja auch freundlicher...", brumme ich und greife nach dem Handy. Es wird mir aus der Hand gerissen. ,,Setzen Sie sich mal. Sie sind ja zu nichts mehr fähig. Ich rufe Ihren Vater an." An Malte gerichtet fährt der Unbekannte fort: ,,Nummer?" ,,Die ist eingespeichert..", nuschle ich, "Unter Paps." ,,Ich kann selber für mich sprechen. Halt einfach dein Maul. Brauchst nicht auf fürsorglich tun, nachdem du dich verpisst hast.", brüllt er mir ins Ohr. Seine harten Worte treiben mir die Tränen in die Augen, doch ich schlucke sie herunter. "Geh doch einfach. Das kannst du doch am besten."
,,Jetzt sein Sie mal etwas freundlicher! Der arme Kerl heult gleich los.", erwidert eine weitere Person. Eine Frau, soweit ich das erkennen kann. Sie hält noch den 1. Hilfe Koffer in ihren Händen. ,,Hmmmpf.", grummelt Malte unbeteiligt und dreht seinen Kopf zu mir. Krampfhaft beiße ich auf meine Unterlippe, um meine verletzten Gefühle nicht zu zeigen. Seine Hand sucht verwirrt meine. Sie zittert. "Brauchst nicht auf fürsorglich tun, nachdem du dich verpisst hast." Verletzt presse ich meine Hand an meine Brust und lausche den gemurmelten Worten des Mannes, der hinter uns mit Maltes Handy telefoniert. ,,Dann eben nicht, du Eisbär. Kalt wie Eis. Echt Leute! Der Kerl hat mich einfach stehen lassen, nachdem-" ,,HALT DOCH EINFACH DEIN MAUL!", schluchze ich wie ein Schlosshund und fahre mir hastig über die Augen, aus denen immer mehr Tränen kommen. Warum muss er so scheiße sein, wenn er besoffen ist?

-Malte
"Was hast du erwartet? Wie sollte ich denn deiner Meinung nach reagieren? HAST DU FREUDENSPRÜNGE ERWARTET, ODER WIE? KÜSST EINFACH SO JEMAND ANDEREN, JEMANDEN DEN DU GAR NICHT KENNST! KURZ NACHDEM DU MAL WIEDER ABGEHAUEN BIST, WEIL ICH.. WEIL ICH SO SCHEIẞE BIN, HMM?! ABER SCHÖN, DASS DU SO SCHNELL JEMAND NEUEN GEFUNDEN HAST, JA! ICH FREUE MICH JA SOOOO FÜR DICH!" Ich greife immer fester nach seiner Hand, aber der Schmerz stoppt mich. Ebenso wie mein Vater, der gerade durch die Tür stürmt und seine Arme zwischen uns drückt. "JUNGS! JETZT IST GUT, MAN! KOMMT MAL RUNTER VON EUREM HOHEN ROSS!" Beleidigt drehe ich mich zurück und beobachte die Frau, die immer noch mit dem erste Hilfe Koffer vor mir rumfuchtelt.

-Sevi
Ich weiß nicht mehr, wie wir in das Auto gelangt sind. Ich weiß nur noch, wie ich auf der Rückbank saß, mein Gesicht gegen die Scheibe presste und Malte neben mir immer noch vor sich hin fluchte. Ich wollte ihn gar nicht küssen, aber gut. Das willst du ja nicht hören, fehlerloser Malte... Meine Gedanken kreisen immer weiter. Malte ist inzwischen neben mir verstummt. ,,Du schläfst heute natürlich bei uns, Sevi. Wir setzen dich nicht auf die Straße.", meint Noel von vorne freundlich und nickt  mir unmerklich zu. ,,BOAH EY, NE! WARUM DENN? DER HAT ES DOCH VERDIENT VOR DER TÜR ZU SITZEN. ER-" ,,Jetzt halt aber mal die Luft an, Malte! Soweit ich das beurteilen kann, bist du nicht der Einzige hier, der verletzt ist. Schau dir doch mal Severin an! Der heult schon die ganze Zeit! Anstatt immer noch einen draufzusetzen, könntest du einfach mal leise sein und Sevi nicht noch mehr leiden lassen. Er hat einen Fehler gemacht, das weiß er auch. Er tut sich selber damit noch mehr weh, als dir." Mein Weinen hallt durch die Stille, die sich im Wagen ausbreitet.

-Malte
"..Tschuldigung.", knurre ich, aber die Wut fällt einfach nicht von mir ab. Ich habe mich lange nicht mehr so überfordert gefühlt, wie in diesem Augenblick. Vielleicht sollte man wirklich in Ruhe darüber reden..? ABER WIR WISSEN DOCH ALLE, WO DAS ENDET!
"Hier." Ich reiche ihm eine Packung Taschentücher, die ich eben in der Tasche des Sitzes vor mir gefunden habe. Die restliche Autofahrt bleibt still, bis wir zu Hause ankommen und uns mein Vater beide auf die Couch schickt, um alles zu klären. Vielleicht will ich das jetzt aber nicht? "MIR EGAL, wie ihr es macht und was ihr macht, aber klärt die Sache! Das kann man sich ja nicht mit angucken!" Sicherheitsabstand. Ja. Paps stellt sich in den Flur und lehnt sich an die Wand, während er uns einen bösen Blick zuwirft. Mama kommt dazu und scheint ziemlich erschrocken, als sie uns beide so.. verkümmert auf dem Sofa entdeckt.

-Sevi
Malte schaut mich weiterhin böse an. Ich bin an allem schuld. Schon kapiert.
,,Muss das-"
,,JA MUSS ES!", schreit Malte. Ich nicke eingeschüchtert. Maltes Vater wirft ihm einen warnenden Blick. Er verdreht genervt die Augen.
,,Dann hau mal deine Erklärung raus. Los."
,,Wofür?"
,,Wofür? Siehst du mich lachen? Wofür wohl?!"
,,Bleib ruhig, Malte.", zischt sein Vater und hebt warnend die Augenbrauen. Ich ziehe mich immer mehr in mich zurück und bringe keinen Ton heraus. Ich kann mit diesem Malte nicht umgehen. Er behandelt mich wie Dreck.
,,I-ich... Ich...." Meine Stimme versagt. Arrogant blickt er auf mich herab.
,,Hat es dir die Sprache verschlagen, Süßer? War der Kuss so gut?" Ein gefährliches Lächeln zuckt in seinen Mundwinkeln. Er macht mir Angst. Mein Stolz schrumpft immer weiter.
,,Ähm... Du... Ich-"
,,Awwww... Klein Sevi... Kommt nicht mehr aus dem Stottern raus, hmmm?" Wann ist aus ihm so ein Arschloch geworden? Mein Unterlippe beginnt, unkontrolliert zu zittern.
,,Doch... Ich-" Lasse mich viel zu sehr von ihm einschüchtern.
,,Das werden wir ja noch sehen, kleiner Leonardo." Das gibt mir den Rest. Ich klappe zusammen. Mir wird schwarz vor Augen.

Liebe auf den zweiten Blick [✔]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt