aber bring nie wieder deine neuen Freunde in meine Kneipe

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-Malte
Ich richte meine Aufmerksamkeit wieder auf Severin, der mich mit einem kritischen Blick straft. Kann er mich nicht leiden? Forschend blicke ich in sein Gesicht, in der Hoffnung, er sieht das große Fragezeichen über meinem Kopf. Er richtet seinen Blick auf die Drums. Dann halt nicht. "Hast du überhaupt 'ne Ahnung, wo du gerade stehst? Du verschwendest deine Jugend zwischen Kneipen und WGs." Der Rhythmus durchfährt meinen Körper und füllt ihn mit Adrenalin. Ich hoffe sehr, hier entwickelt sich 'was Gutes.

-Sevi
Die Musik leitet mich, lässt mich meine albernen Gedanken vergessen und fast wie automatisch gleiten die Sticks zu den  richtigen Trommeln und erschaffen einen schnellen Rhythmus. Dieser Malte ist mir noch nicht ganz geheuer. Während der Rhythmus durch meine Arme vibriert, kann ich nicht anders, als zu schauen, was der Neue_
so macht. ,,Und du hältst deine Träume absichtlich klein, um am Ende nicht enttäuscht zu sein.", schreit Henning. Maltes Haare streifen seine Schläfen und seine langen Finger liegen auf den Saiten des Basses. Seine Augen sind geschlossen und er nickt im Takt. Er schlägt sich verdammt gut fürs erste Mal... Mein Magen zieht sich schmerzhaft zusammen und ein bitterer Geschmack steigt in meiner Kehle auf. Kein Grund eifersüchtig zu sein, Sevi...

-Malte
Die Stunden vergehen und die Songs gehen uns aus. "Das war schon ziemlich nice, Leute!", brülle ich, meine Ohren noch ein wenig betäubt von der Lautstärke unserer Musik. Unserer? "Bock auf 'n Bier? Ich geb einen aus." Ich lege meinen Bass zurück in den Koffer, verschließe ihn und schwinge meinen Arm auf Hennings Schulter. "Ja, war schon ziemlich geil!", entgegnet er mir und grinst erneut in die Runde. Severin trägt weiterhin sein etwas grimmiges Gesicht und lacht ironisch zurück. Was hat er denn? Scheint wohl ein Gewohnheitstyp zu sein. Naja, ist ja auch egal. "Los, lass uns gehen." Glücklich öffne ich die Tür und schwinge wie ein guter Gentleman es tut, bei jedem den Arm in die Tür. Severin besteht darauf, als letzter den Raum zu verlassen. Ich gehe vor, nehme einen guten Zug der frischen Luft von draußen und höre, wie oben die Tür zuknallt und Severin die Treppe herunter stampft.

-Sevi
Wütend fixiere ich meinen Blick auf die Stufen vor mir. Ich weiß eigentlich gar nicht, was mich an Malte nervt, aber irgendetwas an ihm geht mir gewaltig gegen den Strich. Auf Bier habe ich eigentlich auch gerade gar keine Lust... Als ich draußen ankomme, stehen schon alle zusammen und warten. Henning und Alice halten Händchen, während Chrissi und Malte in ein Gespräch vertieft sind. ,,Und schon war der Schlagzeuger vergessen...", murmle ich leise vor mich hin und trotte der Gruppe hinterher, die schon losgegangen ist, als ich aus der Tür trat. Mit einem kleinen Abstand kicke ich Steine über den grauen Fußweg.

-Malte
Auf dem Weg zur Kneipe führen Chrissi und ich zahlreiche Gespräche über unsere Lieblingskünstler, unsere Musikgeschichte, über alles, was uns eigentlich hier verbindet. In den vielen Sprechpausen, die Chrissi einlegt, um sich die Sätze im Kopf richtig zusammen zu legen, blicke ich zurück auf Severin, der hinter uns läuft und wütend Steine gegen Hauswände schießt. Chrissi wollte gerade anfangen, über seine musikalischen Anfänge zu reden, als ich ihn unterbreche. "Sag mal.. kann er mich nicht leiden? Hab ich irgendwas gemacht? Der ist schon die ganze Zeit so komisch. Oder ist das einfach nicht sein Tag?" Ich mag dieses Gefühl nicht, wenn man nicht dazu gehört und dieses Gefühl gibt er mir.

-Sevi
Ich bemerke seine Blicke über die Schulter, die sich wie Feuer in meinen Körper brennen. Was guckst du so...? Ja, ich laufe hier hinten anstatt bei meinen Freunden, weil ja auf einmal alle etwas Besseres zu tun haben... Mein Kopf sackt auf meine Brust und ich halte ihn gesenkt. Warum magst du ihn nicht, Sevi? Was ist dein Problem?

-Malte
Ich richte meinen Blick wieder nach vorne und wir betreten die Kneipe. Wir nehmen alle an einem großen Ecktisch Platz, der nur sporadisch von einer kleinen Deckenlampe erhellt wird. Der Besitzer blickt von der Theke zu uns und ich gebe ihm ein Zeichen für "4 Bier und 'ne Cola für die junge Dame, bitte!". Kaum eine Minute später stehen auch schon die Flaschen auf unserem Tisch und die Jungs füllen den gläsernen Aschenbecher, der durch das Licht komische Muster auf den dunklen hölzernen Tisch wirft. Ich packe mein Bier und rufe laut "Prost!" in die Runde. Wir richten die Flaschen in die Höhe und trinken ein Bier nach dem anderen. Die Freude scheint in unseren Gesichtern fest gemeißelt, außer in Severins. Ich beuge mich über den Tisch und suche das Gespräch. "He, alles gut bei dir?"

-Sevi
,,Hmmm..", brumme ich und hoffe, ihn damit abzuwimmeln. Das kühle Bier rinnt meine Kehle hinunter. Krampfhaft halte ich die Flasche umklammert und starre auf die gelbliche Flüssigkeit. Nur nicht in seine Augen sehen...
,,Hör zu.", meint Malte verärgert, "Es ist einfach lächerlich, wie du mich behandelst. Ich habe dir gar nichts getan. Wir haben doch nur zusammen Musik gemacht und trinken jetzt etwas. Also was ist dein Problem?" Er reibt sich frustriert die Hände und starrt mich an. ,,Schon okay. Wenn ich so störe, kann ich ja gehen.", erwidere ich monoton und stehe mit meinem Bier in der Hand auf. So... Jetzt könnt ihr euch ungestört unterhalten und so tun, als würde ich nicht existieren, ohne euch schuldig zu fühlen...

-Malte
Fragende Blicke füllen den dunklen Raum. Bockig lasse ich mich in die Eckbank fallen und kippe die letzen Schlucke Bier herunter. "Da hab ich mich ja gleich besonders beliebt gemacht, hmm?", raune ich, während die Freundin von Henning zu mir rutscht. "Ich.. ich habe mich noch gar nicht vorgestellt." Ich blicke in ihr bleiches Gesicht. "Ich bin Alice. Nimm's mit Sevi nicht so ernst. Eigentlich ist der 'nen ganz Lieber. Wirklich. Du hast wahrscheinlich nur 'nen schlechten Tag erwischt." Sie rutscht zurück zu Henning und die fast üblichen Liebeleien beginnen. Zusammen mit Chrissi schiebe ich Streichhölzer über den Tisch, als wären es die Rechenstäbchen aus der Grundschule. Ich merke, wie das Bier so langsam seine Wirkung zeigt, bestelle aber eine weitere Runde.

-Sevi
Ich bin zum Glück noch klar im Kopf. Ich lasse mich von meinen Füßen durch die verwinkelten, düsteren Gassen Kölns tragen. Irgendwie hatte ich gehofft, dass sich nach diesen Worten vielleicht mal irgendjemand für mich interessiert, aber nein. Ich seufze und reibe mir über die Augen, frustriert darüber, dass dieser Kerl den ganzen Abend mit meinen Freunden auf den Kopf stellt. Ich stopfe mir Kopfhörer ins Ohr, um auf andere Gedanken zu kommen. Aber immer wieder schweifen sie ab. Erinnern sich an mein kindisches Verhalten, sein Bassspiel, seine frustrierte Mimik und diesen sinnlosen Konflikt. ,,Fuck!", fluche ich und schalte die Musik aus. Der Mond hängt voll am Himmel und beleuchtet meinen unebenen Weg. Auch er scheint mich zu verspotten: ,,Na Severin... Gleich mal unsympathisch gemacht...? Fühlt sich das gut an? Wenn man von jemanden nicht gemocht wird, den deine Freunde mögen? Komm. Gib's zu. Du bist scheiße eifersüchtig auf den Kerl und wie schnell er sich eingefügt hat. Bestimmt könnte er sogar besser Schlagzeug spielen als du, so talentiert wie er war, oder...? Meinst du nicht?" ,,Halt deine Fresse.", zische ich meinem imaginären Gesprächspartner Mond zu.

-Malte
3 weitere Flaschen später, richte ich mich wacklig auf, um zu gehen. Ich greife nach dem Basskoffer, klatsche jeden einmal ab und verlasse die stickige Kneipe. "Wir sehen uns!", rufe ich aus dem mit Stickern beklebten Türrahmen und lasse die gläserne Tür ins Schloss fallen. Etwas zerstreut mache ich mich auf den Weg nach Hause. Die Straßenlichter verschwimmen vor meinem Auge. Uff, das war wohl ein Bier zu viel! Die Straßen sind wie leer gefegt, sodass mich zum Glück niemand nach Hause schwanken sieht. Die Kälte bläst durch meine Jacke und ich komme unserem Haus immer näher. In den Zimmern meiner Mitbewohner brennen die Lichter, die mir schlagartig Kopfschmerzen verpassen. Ich öffne die Tür, kämpfe mich die Treppe hoch, öffne die nächste Tür, fahre mit meinen Fingern über die Wand im Flur bis hin zu meinem Zimmer. Auch diese Tür öffnet sich und ich schmeiße mich aufs Bett.

-Sevi
Ich liege in meinem Bett. Die Wohnung ist dunkel. Markus und Tim sind bei Freunden. Henning sitzt wahrscheinlich noch in der Kneipe. Mit Malte. Widerstrebend kriecht dieser giftige Gedankengang aus meinem Kopf hervor und hinterlässt eine Spur aus Scham, Wut und Einsamkeit. Das ist alles so dumm gelaufen... Ich schließe meine Augen. Meine Gedanken kreisen um Malte, um die Probe, um Musik, um Malte, um die Kneipe, um Malte, um das Bier, wie es den anderen wohl geht, um Malte, um Malte, um Malte... Immer wieder um Malte... Dann holt mich die Schwärze ein und der Schlaf kriecht in jede meiner Poren. Ich schlafe ein.

Liebe auf den zweiten Blick [✔]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt