Ertrinken

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-Malte
"Du brauchst nicht darauf warten, dass ich dir hinterherlaufe. Das bin ich schon zu oft!" Wir beide stürmen die Treppe herunter. Erst knallt meine Tür, dann die Haustür. "Fick dich, man!", rufe ich ihm noch hinterher, aber er kann mich sowieso nicht hören, weil die Tür schon längst zugefallen ist. Ich stampfe ins Wohnzimmer. "WAS IST?", brülle ich und lasse mich auf die Couch fallen, immer noch rasend vor Wut. "Ähm.. wir.. wir wollten eigentlich mit euch einen Film gucken, aber...", stammelt meine Mutter und Paps beendet den Satz. Nicht äußert sensibel. "Ja... das hat sich dann wohl erledigt." "Ist das dein SCHEIẞ ERNST? ER IST SCHON WIEDER VOR MIR WEGGELAUFEN! JA, SCHON WIEDER! ERST IST ALLES PALETTI UND DANN BAM. ICH KÖNNTE..  MAN FUCK! SO'NE VERFICKTE SCHEIẞE! Dann soll er doch gehen. MIR RECHT. Ich habe ihm ja nicht gerade gesagt, wie sehr ich ihn liebe. Und dass ich mich für ihn verändern will. NEIN. NATÜRLICH NICHT. BOOOOAH!" Ich rupfe am Stoff der Couch, als müsste ich ihn durchlöchern. Die Wut steigt mir zu Kopfe und mir wird unglaublich warm. VERDAMMTE SCHEIẞE!! "Malte! Rede nicht so mit deinem Vater. Und vielleicht wäre es schlauer, wenn du uns auch alles erzählst, damit wir dir.. soweit du es auch willst.. helfen können." Ich beginne, so gut wie alles zu erzählen. Ich lasse die Sachen weg, bei denen ich weiß, sie wären ihm mehr als unangenehm, AUCH WENN ES MICH EINEN SCHEIẞDRECK INTERESSIEREN SOLLTE. Er hat's geschafft. Jetzt sitzt du heulend auf der Couch deiner Eltern, obwohl du einfach nur sauer sein müsstest. Wie früher versuchen sie mich zu trösten, aber diesmal ist es irgendwie etwas anderes.. Fuck.

-Sevi
,,FICK DICH DOCH, SELBER!", kreische ich wütend gegen die zugeknallte Haustür und stürme zur Bushaltestelle. Ich will ja nur Aufmerksamkeit. Danke Malte. Du scheinst mich ja sehr zu lieben, wenn ich mich dir anvertraue, um Aufmerksamkeit zu bekommen. ,,DANN SUCH DIR DOCH JEMAND ANDEREN, DEN DU FICKEN KANNST!", schreie ich und verschrecke somit eine Katze, die auf dem Gehsteig umherstromert. ,,WAS GLOTZT DU SO? ALLES IST SO SCHEISSE!!! FUUUUUUCK." Meine Stimme hallt durch die ganze Straße. Ich schaue auf das Bushaltestellenschild. Natürlich fährt heute kein Bus mehr in dieses SCHEISS KAFF. Was mach ich denn jetzt? Verzweifelt stütze ich meinen Kopf in meine Hände und spüre heiße Tränen, die mir der schneidende Wind in die Augen treibt. Vielleicht auch nicht nur der Wind... ,,Ach scheiße..." Mein Schultern beben. Wie kann man auf der einen Seite so liebevoll sein und mir dann vorwerfen, ich würde ihn nur mit meinen Problemen zutexten? ,,DU LIEBST MICH? 'N SCHEISS TUST DU! DU DRECKIGER WIXXER." Meine Stimme geht in einem heftigen Schluchzer unter und ich ziehe meine Knie an meine Brust. Ich schlinge die Arme um sie. Vielleicht hättest du ihm nicht das mit den Beziehungsproblemen- ACH HALT DIE FRESSE. NEIN. NEIN. NEIN. Meine Hose wird nass von den Tränen. Zu allem Übel fängt es jetzt auch noch an zu regnen. Das Wetter umschreibt meine Lage perfekt. Der Regen tropft auf das Dach der winzigen Haltestelle. Tock. tock. Tock.

-Malte
Schweißgebadet werde ich auf der Couch wach. Meine Eltern betrachten mich, als wäre ich gerade von den Toten auferstanden. Fuck, mein Kopf. "..Du hast dich ganz schön in Rage geredet, hmm.", entgegnet mir mein Vater, als er mir ein Glas Wasser reicht. Mit einem großen Schluck ist das Glas gelernt und ich wische mir mit meinem Shirt den Schweiß von der Stirn. Wie auch meiner Familie fallen mir an meinem Bauch all die Flecken auf. Knutschflecken. Spitze. Als würde es irgendetwas bringen, reibe ich mit meinem Daumen darüber, als könnte ich sie von meinem Körper wegradieren. Funktioniert nicht. WELCH' eine Überraschung. "Ma.. Malte? Was hast du jetzt vor? Wirst du mit ihm reden?", wirft Mama in den Raum, während sie meine Radier-Aktion beobachtet. "Ähm... Bier. Tschüss." Ich greife nach einen der Schlüssel am Schlüsselbrett und verlasse das Haus. Vielleicht hättest du dir etwas anderes anziehen sollen.. Am Kiosk nebenan werden die ersten Flaschen gekauft und im Park geköpft. Seinen Frust im Alkohol zu ertränken ist nie schlau, aber.. "VERDAMMTE SCHEIẞE.", hallt durch den Park, als ich die letzte Flasche leere und gen Himmel starre.

-Sevi
Ich habe doch eh nichts zu tun... Alk hat noch nie bei Problemen geschadet... Halb benebelt von meinen Gefühlen renne ich durch den Nieselregen auf der Suche nach einer Kneipe. Als endlich ein blinkendes Schild in Sichtweite kommt, bin ich komplett durchnässt. Außer Atem stoße ich die Tür auf. Die Bar vorne ist komplett besetzt. An einigen Tischen haben sich Gruppen von Männern versammelten und gröhlen irgendwelche Volkslieder in den Raum. Erschöpft lasse ich mich auf eine Bank sinken und frage mich, was das wohl für einen Eindruck macht. Ein zerknitterter Typ mit Knutschflecken am Hals, verstrubbelten Haaren und demuliertem Shirt... Mein Blick bleibt an der Karte über der Bar kleben. Becks... Das, was Malte immer bestellt... Ach fuck! Warum muss ich immer an ihn denken?! Dass ich ihn während dieses Gedankens noch in meinem Mund schmecken kann, macht die Sache auch nicht einfacher.
,,Willst du nichts trinken?", fragt eine tiefe Stimme neben mir. Erschrocken fahre ich zusammen. Ein breit gebauter Kerl hat sich lautlos neben mich gesetzt. Sein Kopf ist kurz geschoren und warme, braune Augen mustern mein Gesicht. Das komplette Gegenteil von Mal-
,,Doch klar.", erwidere ich trotzig und versuche nicht auf den Bizeps zu achten, der sich unter seinem eng anliegenden T-Shirt spannt. ,,Cool. Ich geb dir einen aus." Grinsend geht er vor zur Bar. Wenn man Malte sich nicht für mich interessiert, dann genieße ich eben die Gesellschaft anderer...

-Malte
Nachdem ich wieder halbwegs aus meinen Träumen zurückgekehrt bin, drücke ich mich von der Bank und suche mir den Weg durch unser schönes VERSCHISSENES KAFF, in dem dich so gut wie jeder kennt, und dich jetzt verachtend anglotzt. Na vielen Dank auch. Mein Weg führt mich an der einzigen Kneipe hier vorbei. Bier würde zwar reichen, um zumindest fürs Erste alles zu vergessen Kein unbekannter Fakt, Malte, aber heute muss mehr her. Ich krame nach meinem Geld in der Hosentasche und betrete die etwas muffige Kneipe. Ziemlich gut besucht. Wer hier wohl alles versucht, die Liebe seines Lebens zu vergessen, hmm? Ich stelle mich an die volle Bar, bestelle etwas, bei dem ich jetzt schon weiß, dass ich das später sehr bereuen werde und wende mich an den Stehtisch neben den Spielautomaten. Die vielen Geräusche lassen meinen Kopf jetzt schon dröhnen, aber ich muss vergessen. Ich muss ihn vergessen. Bärchen..

-Sevi
Deans komplette Seite ist gegen mich gedrückt. Sein heißer Atem streift mein Ohr, als er sich zu mir beugt. ,,Bist du eigentlich schwul?" ,,Warum?" ,,Du starrst mich die ganze Zeit so an." ,,Du mich nicht, oder wie?" Er lacht. ,,Na dann können wir ja etwas miteinander anfangen." Sein alkoholisierter Atem schlägt mir ins Gesicht. Ich rieche bestimmt genauso... Schnell stürze ich den nächsten Kurzen herunter. "Schnaps wirkt erst nach einer gewissen Zeit. In dieser Wartezeit werden häufig noch mehr Gläser getrunken. Hierdurch verstärkt sich die Wirkung der Benommenheit. Man hat mehr intus, als man glaubt." Scheiß drauf. Meine Sicht flimmert kurz. All die lauten Geräusche dröhnen in meinem Kopf. Ich bin so benommen, dass ich zunächst gar nicht Deans Hand bemerke, die an der Innenseite meines Oberschenkels entlang streicht. Ich muss an Maltes weiche Lippen denken, die diese Stelle berührt haben. ,,Ey... Lass das.", nuschle ich unverständlich und sacke gleichzeitig an seine Schulter. Der Kerl hat mir zu viel eingeflößt... ,,Dir gefällt es doch auch.", lallt er darauf und fässt mir unverhohlen in den Schritt. Mein Atem stockt. Hör auf. Hör auf. Wenn bloß Malte hier wäre. Meine Augen verdrehen sich, bis nur noch das Weiße zu sehen ist. Und dann... Ganz verschwommen, dass ich mir nicht sicher bin, ob mich meine Augen betrügen, starre ich in seine geschockten, blauen Augen an der anderen Seite der Bar. Dean bemerkt den Augenkontakt und knurrt neben mir. ,,Kennst du den?" Benommen schüttle ich den Kopf. Er dreht ihn hart mit der Hand zu sich und küsst mich. Ich kneife die Augen zusammen. Scheiße.

Liebe auf den zweiten Blick [✔]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt