11.1: d a y e l e v e n

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„Habt ihr schon irgendwelche Pläne für heute?", versuchte ich die beiden letztendlich aus dieser für sie unangenehmen Situation zu retten, doch an Harrys Blick erkannte ich, dass ich mich selbst dadurch in solch eine gebracht hatte.

„Wir haben heute einen Dreh?", erinnerte mich dieser mit hochgezogenen Augenbrauen und ich verdrehte innerlich die Augen.

Heute war echt nicht mein Tag.

„Aber dir geht's doch gut, oder?", fragte er mich dann und ich konnte sogar eine Besorgnis in seinem Gesicht erkennen. Noch vor ein paar Tagen hätte ich nie im Leben damit gerechnet, solch eine Emotion jemals bei ihm ausfindig machen zu können, doch er überraschte mich immer wieder. „Du bist heute Morgen so komisch verpeilt."

Dass er mich mittlerweile anscheinend doch so gut einschätzen konnte, dass ihn solche Kleinigkeiten schon beunruhigten, rührte mich gewissermaßen.

Doch bevor ich etwas auf Harrys Worte erwidern konnte, erhob Louis das Wort und setzte ein keckes Grinsen auf: „Lange Nacht gehabt?"

Solche Bemerkungen war ich von dem Blauäugigen schon gewohnt, doch diesmal war sie zur Abwechslung mal nicht beleidigend gemeint – jedenfalls fasste ich sie nicht so auf.

Ich freute mich gerade sogar ein wenig darüber, dass ich es anscheinend wirklich geschafft hatte, Eleanor und Louis aus ihrer unangenehmen Situation zu befreien, doch im selben Moment lief ich rot an und ließ mit einer unauffälligen Bewegung meinen Knutschfleck unter meinen Haaren verschwinden.

Ob man diesen überhaupt noch sah, wusste ich nicht, jedoch war dieses Verhalten schon zu einem Reflex geworden, weshalb ich nicht mehr darüber nachdachte.

Der Lockenkopf schüttelte grinsend den Kopf und sah dann zu seinem besten Freund, während ich einen Blick mit der Braunhaarigen wechselte, die mich sanft anlächelte.

Ich war mir nicht sicher, ob Louis auf seine Frage eine Antwort erwartete, aber da er mich nicht ansah und Eleanor nicht den Eindruck machte, als würde sie etwas von mir wissen wollen, fühlte ich mich auch nicht dazu gezwungen, etwas zu sagen, weshalb ich einfach schwieg und die nun ziemlich entspannte Situation genoss.

„Willst du mitkommen, Annie?", fragte Harry plötzlich und ich zuckte leicht zusammen, da ich aus meinen Gedanken gerissen worden war.

Stirnrunzelnd fragte ich mich, ob ich einen Teil eines Gespräches nicht mitbekommen hatte, denn ich konnte mir den Kontext seiner Frage nicht erschließen.

„Wohin?", hakte ich also nach und hoffte, mich damit nicht zu blamieren.

Da Eleanor und Louis allerdings fast genauso verwirrt wie ich aussahen, nahm ich letztendlich an, dass Harry wohl einfach ohne Zusammenhang gefragt hatte. Das beruhigte mich ein wenig.

„Ich wollte noch ein bisschen nach draußen gehen, bevor der Dreh anfängt", erklärte er mir. „Magst du mitkommen?"

Unsicher blickte ich auf meine erst halb geleerte Schüssel, dann wieder zu ihm.

Sein Angebot klang verlockend, aber sollte ich dafür die Hälfte meines Frühstücks ausfallen lassen?

Letztendlich beschloss ich jedoch, dass ich noch mein ganzes restliches Leben lang essen konnte, die Chance, mit Harry allein zu sein, wenn er gute Laune hatte, sollte ich mir hingegen nicht entgehen lassen.

„Klar", antwortete ich ihm also.

Hastig brachte ich mein Tablett weg und lief dann zur Tür, wo Harry schon auf mich wartete.

Er bot mir seinen Arm an, worauf ich mich bei ihm einhakte und zusammen verließen wir das Gebäude.

Sobald wir draußen waren, wurde unser Schritttempo gemächlicher, langsam schlenderten wir an dem hübschen Springbrunnen vorbei, welcher der Luft um sich herum einen angenehmen Geruch verlieh.

„Hier könnte ich ewig bleiben", seufzte ich und schloss genüsslich die Augen.

Die ersten Sonnenstrahlen schienen auf mein Gesicht.

„Solange ich bei dir bin, könnte ich überall lange bleiben", entgegnete Harry schlicht, doch die Worte reichten völlig aus, um mein Herz rasen zu lassen und ein Kribbeln in meinem Bauch zu erwecken. „Du bist so ziemlich das einzig Gute, das mir in letzter Zeit passiert ist."

Langsam öffnete ich meine Augen wieder, damit ich ihn ansehen konnte.

„Immer wieder schaffst du es, dass mir die Worte fehlen", sagte ich, hob meine Hand und strich damit sanft über seine Wange.

„Du musst nichts sagen. Es reicht völlig aus, wenn du einfach nur da bist und mich nicht allein lässt."

Mit diesen Worten schlenderten wir in Richtung des kleinen Parks.

Es schien mir, als wolle Harry noch etwas sagen, doch er kämpfte mit sich selbst und konnte die richtigen Worte nicht finden.

„In dieser Hölle der Berühmtheit ist man viel zu oft allein, weißt du das?", setzte er schlussendlich an, aber ich antwortete nicht, da ich wusste, er erwartete keine Antwort von mir. „Tag für Tag schwirren etliche Menschen um dich herum und wollen deine Aufmerksamkeit haben. Manche wünschen sich einfach nur, dass du sie bemerkst. Andere hingegen wollen Profit mit dir erlangen, dich ausschlachten und bis zum letzten Tropfen auspressen, bis du einfach nur noch eine leere Hülle am Boden bist, die keinen Penny mehr verdienen kann. Und dann gibt es noch diejenigen, die tun, als seien sie deine Freunde, nur um im entscheidenden Moment die Maske fallen zu lassen und zu zeigen, dass sie von Anfang an nur zu ihrem eigenen Nutzen gehandelt haben – und das sind die Schlimmsten von allen, weil du ihnen vertraut hast. Am Ende ist doch jeder für sich allein und es gibt niemanden, Annie, der in diesem Loch, in dem du gefangen bist, auch nur einen Blick auf dich wirft." Er streckte seine Hand aus und drehte meinen Kopf so, dass ich ihm in die Augen blicken musste. „Und dann bist du gekommen und hast mir eine Hand gereicht. Das ist wohl das Beste, was je ein Mensch für mich getan hat."

Annie || h.s. ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt