2.1: d a y t w o

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Harrys Zimmer war mit dem meinen gar nicht zu vergleichen. Er wohnte in einem riesigen Raum mit einer Fensterfront und einem Bett, das so weich wie eine Wolke aussah. Die Wände waren in milden Blautönen gestrichen und insgesamt sah der Raum teurer als alles aus, was ich je zuvor gesehen hatte.

Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, setzte er sich auf die ebenfalls blaue Couch, die so platziert war, dass man darauf direkt durch die Fenster hinaussehen konnte.

Nach einigem Zögern ließ ich mich neben ihm nieder und räusperte mich. „Und jetzt?"

Er verschränkte die Arme hinter dem Kopf, machte sich lang und legte seine Füße schließlich auf dem auf Hochglanz polierten Glastisch ab. Die Mühe, seine Schuhe auszuziehen, machte er sich dabei gar nicht.

„Keine Ahnung", entgegnete er und legte seine Arme auf beide Seiten der Rückenlehne, sodass er beinahe das ganze Sofa für sich einnahm.

„Ich hatte mir vielleicht vorgestellt, dass wir im Bett aufwachen könnten", erklärte ich irgendwann zögerlich und malte mir die Szene dabei im Kopf aus.

Er sah mich mit einer hochgezogenen Augenbraue an. „Du willst also doch mit mir ins Bett", grinste er und ich stritt es nicht einmal mehr ab, da er mir ohnehin nicht glauben würde und ich meine Zeit auch für Besseres verwenden konnte.

„Dann mach du doch einen Vorschlag!", forderte ich ihn heraus und verdrehte die Augen.

Plötzlich spürte ich einen leichten Druck an meinem Arm und fuhr herum, um zu sehen, dass er näher gerückt war und unsere Arme sich nun berührten. Ihm einen komischen Blick zuwerfend rückte ich weg, sodass uns wieder um die zwanzig Zentimeter Luft trennten.

„Wir machen Party", verlangte Harry, „und sind so richtig schön besoffen."

„Kommt gar nicht in Frage!", widersprach ich. „Die Fans wollen etwas Süßes und garantiert nicht zwei Betrunkene, die vor der Kamera herumtorkeln."

„Aber du bist betrunken bestimmt einfacher auszuhalten", brummte er, was ihn jedoch nicht davon abhielt, noch einmal an mich heranzurücken.

Mit einem Schnauben wich ich wieder zur Seite, sodass ich nun unmittelbar an der Kante der dunkelblauen Couch saß.

„Ich glaube nicht, dass Mr Winston damit einverstanden wäre", entgegnete ich und ließ seine Beleidigung einfach ungehört. Wenn ich mich darüber aufregte, würde er nur noch weiter machen.

„Ist doch scheißegal", meinte er achselzuckend. „Dann kommt er beim nächsten Mal wenigstens nicht mehr auf so eine verfickte Idee und gibt uns einfach eine Rolle und einen Text."

„Aber es passt gar nicht zu eurem Lied!", hielt ich dagegen und merkte gleichzeitig zum dritten Mal, dass er mir eindeutig zu nahe kam. Verärgert sprang ich auf. „Jetzt lass es doch einfach!", fuhr ich ihn an. „Wir müssen nur eine Szene von ein paar Sekunden herausarbeiten, können wir das nicht auch ohne unangebrachte Momente machen?!"

Statt darauf einzugehen, grinste er nur.

„Du willst es auch, gib es zu", schnurrte er, ich verdrehte erneut die Augen.

„Nein danke. Und jetzt, wo wir nun alle Missverständnisse geklärt haben, können wir ja mal mit der Arbeit beginnen."

Er stand auf, kam auf mich zu, ging dann aber an mir vorbei in eine Ecke des Raumes, der ich bisher noch nicht sehr viel Aufmerksamkeit geschenkt hatte und in der sich eine kleine Küche und eine Minibar befanden. Wahllos griff er nach einer Flasche, holte sich ein Wasserglas und schenkte sich viel zu viel auf einmal ein.

„Was machst du da?", wollte ich wissen. 

Er drehte sich zu mir um, das zu volle Glas in der Hand. Wer trank bitte ein alkoholisches Getränk aus einem Wasserglas?!

„Ich trinke, Süße, wonach sieht es denn aus?", gab er zurück, prostete mir zu und kippte das Zeug in einem Zug hinunter.

Perplex starrte ich auf ihn und dann auf das Glas, das nun leer war.

„Hast du noch nie jemanden trinken sehen?", fragte er mich höhnisch, als er den Blick bemerkte.

„Aus einem Wasserglas noch nie", antwortete ich trocken und er lachte sogar.

„Herzchen, eigentlich ist es doch egal, aus welchem Gefäß ich trinke. Es ist trotzdem dasselbe."

„Das stimmt", musste ich einlenken, „aber lass es doch bitte. Wir müssen arbeiten."

Er zuckte gleichgültig mit den Schultern und schenkte sich ein weiteres Glas ein. Wenn das so weiter ging, würde er schon bald stockbesoffen sein!

„Wir arbeiten doch. Ich versuche gerade herauszufinden, ob meine Idee taugt oder nicht."

„Wir haben deine Idee schon lange abgelehnt!", protestierte ich, während er sich das nächste Glas in den Rachen kippte.

„Du vielleicht", entgegnete er, „aber ich war eigentlich sehr zufrieden damit. Zwei Leute, zwei Stimmen. Deine Idee ist genauso abgelehnt wie meine."

„Aber meine Idee war gut!", hielt ich dagegen und er blinzelte einige Male, wahrscheinlich, um mit dem vielen Alkohol auf einmal klarzukommen. 

Ich fragte mich, wie lange es wohl dauern würde, bis es in seinem Blut angelangt war und ich die Auswirkungen davon bemerken würde.

„Mit ein bisschen Fusel siehst du ja fast erträglich aus", spottete er nun und ich zog eine Augenbraue hoch.

„Davor fandest du mich hässlich? Vögelst du also alles, was nicht bei drei auf den Bäumen ist?", antwortete ich resigniert und malte mir in meinem Kopf schon einmal aus, wie ich ihn unauffällig doch dazu bringen konnte, meine Idee durchzusetzen.

Er blieb mir die Antwort schuldig und griff erneut zur Flasche, doch dieses Mal schnappte ich sie mir. Nun hielten wir beide daran fest, er am Flaschenhals, ich an der Unterseite. Wir starrten uns an.

„Gib das her", sagte er dann wütend und zerrte daran.

„Es reicht!", erwiderte ich ebenso wütend, doch gleichzeitig bestimmt.

„Mir sagt keiner, was ich zu tun habe", erklärte er mir dann, „und am wenigsten ein kleines Mädchen wie du." 

Damit entriss er mir seine Flasche mit einem Ruck und schenkte sich nach, warf einen Blick auf mich, holte aus dem Schrank schließlich noch ein zweites Glas hervor und stellte es etwas zu heftig vor mir ab, bevor er es etwa zur Hälfte füllte.

„Hier", meinte er dann, „du kannst auch einen Schluck vertragen. Das Zeug entspannt einen."

Angeekelt musterte ich die Flüssigkeit in meinem Glas, hob es letztendlich aber doch hoch und schnupperte daran. Der Alkohol brannte in meiner Nase, ließ mich husten und veranlasste mich auch dazu, es hastig wieder abzustellen.

„Was zum Teufel trinkst du da?!", keuchte ich. Er würde definitiv stockbesoffen sein, vor allem, weil er sich in diesem Moment sein drittes Glas gönnte.

„Keine Ahnung", meinte er, meiner Meinung nach schon munterer als noch vor einigen Minuten, „aber ist doch egal. Bei dir braucht man was Starkes."

Entschlossen griff ich nach der Flasche, schritt zur Spüle der kleinen Küche seines Raumes und kippte den restlichen Inhalt – was nicht mehr allzu viel war – hinunter. Schluss damit!

„Süße, ich hab' 'ne ganze Bar davon", lachte Harry jedoch. 

Er hatte recht, was mich ärgerte. Wenn es so weiterging, konnte das ja noch ein toller Dreh werden.

Annie || h.s. ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt