Annie || h.s. ✓

5.3: d a y f i v e

Wir saßen in einem kleinen Kreis auf dem Bett. Man hatte mich neben Louis und Harry gesetzt. 'Jackpot', wie Amira mir sarkastisch zugemurmelt hatte. Das hatte ich mir auch gedacht, weshalb meine Laune auch dementsprechend im Keller war.

„Unterhalten Sie sich ruhig", wies Mr Winston an. „Die Tonspur wird später rausgeschnitten und ich denke, dass es einfacher wird, wenn Sie wirklich reden."

Wir nickten und sahen uns an.

In meinen Händen, mit den von meiner Stylistin vor dem Dreh lackierten Nägeln, hielt ich Karten. Wir sollten Karten spielen, allerdings kannte ich weder das Spiel noch dessen Regeln.

Ich war scheinbar die Einzige, denn alle anderen legten ihre Karten auf den Stapel und schauten mich dann erwartungsvoll an. Ich linste in die Mitte des Kreises. Das Herz-Ass. Wahllos legte ich irgendeine Karte, was zu allgemeinem Aufstöhnen führte.

„Na los, nimm schon", forderte Amira mich auf und ich sah sie verwirrt an.

„Was?"

„Die Karten", entgegnete sie und schob den Stapel in meine Richtung. „Das sind deine. Du hast die Runde gewonnen."

„Ich ...", ich räusperte mich und sah auf die Karten.

Eine Sekunde lang überlegte ich, ob ich gestehen sollte, dass ich nicht die geringste Ahnung von dem Spiel hatte, doch als ich Harrys Blick sah, verwarf ich die Idee. Er sah mich so überheblich an, dass ich mich nicht traute, es zuzugeben.

„Natürlich", meinte ich dann also, doch in diesem Moment mischte sich Mr Winston ein.

„Was ist denn das hier für eine Trauerrunde?", fragte er, „Na los, machen Sie sich ein bisschen lockerer, lachen Sie miteinander. Wir wollen im Musikvideo nicht sehen, wie Annie ihre Gefährten im Kartenspielen schlägt, sondern wie sich alle amüsieren und ausgelassen sind."

Jetzt nutzte ich doch die Gunst der Stunde und sagte schnell: „Ich weiß ja nicht mal, wie das dumme Spiel geht."

Meine Worte gingen im Chaos der Anweisungen unter.

„Noch mal, aber diesmal bitte mit etwas mehr Elan", forderte Mr Winston also und machte einen Schritt zurück, um aus den Bildern der Kameras zu sein.

„Können wir Mau-Mau spielen?", fragte Lena begeistert und klatschte in die Hände. „Das habe ich früher immer mit meiner Oma gespielt!" Sie wippte auf dem Bett auf und ab.

„Klar", meinte Liam und setzte ein Lächeln auf. „Gebt mir mal eure Karten, ich mische dann."

Ich musste zugeben, dass sie Profis waren. Die Stimmung hatte sich so schlagartig geändert, dass selbst ich Probleme hatte, mich darauf einzustellen.

„Klopf klopf", brachte Harry ein und wir sahen ihn erwartungsvoll an.

„Wer ist da?", fragte ich.

„Anna", antwortete er mit voller Überzeugung.

„Anna wer?"

„Anna Tür hat wer geklopft", sagte er und begann zu lachen.

Ich sah in die Runde.

Amira griff sich an die Stirn. „Oh Scheiße, war der schlecht."

„Klopf klopf", meinte ich trocken und sah Harry an.

„Wer ist da?", fragte dieser brav.

„Der Witz."

Es herrschte für einen Moment absolute Stille, dann brach Niall in Gelächter aus. „Hat sie nicht gesagt, oder?"

Auch der Rest der Gruppe fing nun an, zu lachen. Es war ansteckend, ich musste ebenfalls kichern.

„Klopf klopf", sagte nun Amira kopfschüttelnd.

„Wer ist da?", erwiderten wir nun alle im Chor.

„Werner."

„Werner wer?", fragten wir.

„Werner-vt mich eigentlich die ganze Zeit mit diesen schlechten Witzen?"

Schon wieder schallendes Gelächter.

Die Witze waren eigentlich nicht einmal lustig, aber wenn man einmal mit dem Lachen angefangen hatte, war es schwer, wieder damit aufzuhören.

Doch auch dieses Mal unterbrach uns Mr Winston nach einiger Zeit.

„Schon besser", kommentierte er, „aber Sie müssen bedenken, dass Sie alle frisch verliebt sind. Da muss ein bisschen mehr Romantik mit ins Spiel." Zu allem Übel griff er nach Harrys Arm und legte diesen um meine Taille. „Sie ist Ihre Freundin, umarmen Sie sie doch wenigstens mal!"

Die Szene startete erneut.

Harry war während des Drehs kaum wiederzuerkennen. Er war wohl auch ein guter Schauspieler, wenn er denn wollte, denn er versetzte sich nahezu perfekt in die Rolle meines Freundes.

Irgendwann konnte ich mich sogar dazu überwinden, meinen Kopf auf seine Schulter zu legen, allerdings nicht lange, denn es kam mir ein wenig übertrieben vor.

„Mau!", rief Emily irgendwann erstaunlich laut für ihre sonstigen Verhältnisse und grinste uns verschmitzt an.

„Nein!", jammerte Niall, während wir weiterspielten, „Ich brauche doch nur noch drei Karten!"

„Oder auch nicht", gab Louis daneben zurück und legte eine Sieben, sodass sein Kollege den Regeln nach zwei Karten hätte ziehen müssen.

„So schnell gebe ich mich nicht geschlagen!", rief dieser jedoch und legte eine zweite Sieben.

Emily verzog das Gesicht, da sie nun am Zuge war – Harry und ich setzten diese Runde aus und spielten stattdessen weiter das verliebte Pärchen. Grummelnd nahm sie letztendlich die vier Karten und schlug Niall dann leicht gegen die Schulter.

„Du bist blöd!", schmollte sie, woraufhin er einen Arm um ihre Schultern legte.

„Ich weiß doch", lachte er.

Ich nutzte die Gelegenheit, um nach Harrys Hand zu greifen. So eine kleine Geste kam oftmals besonders wirkungsvoll rüber.

Der Lockenkopf sah mich kurzzeitig prüfend mit seinen grünen Augen an, dann verschränkte er unsere Finger miteinander und drückte meine Hand. Man hätte wirklich meinen können, wir seien ein Paar.

„Was steht auf dem Grab eines Mathematikers?", lockerte Amira die Stimmung nun erneut auf.

Lena riss die Augen auf, deutete mit dem Finger auf die dunkelhäutige Freundin und rief wie aus der Pistole geschossen: „Damit hat er nicht gerechnet!"

„Du bist gut!", sagte Amira anerkennend.

„Flachwitze sind mein Spezialgebiet", grinste die Blonde.

„Okay, ich denke, das reicht für heute", unterbrach uns Mr Winston schließlich. „Gute Arbeit!"

Sofort löste ich mich aus Harrys Umarmung und rückte ein Stückchen weg.

„Gut gespielt", meinte er zu meiner Verwunderung und nickte mir zu.

„Ebenfalls", gab ich knapp zurück.

Und schon wieder wusste ich nicht, was ich davon halten sollte.