e p i l o u g e

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Das Taxi hielt, ich stieg aus und zahlte. Sofort prasselte der Regen auf mich herab, was mich dazu veranlasste, trotz der wenigen Meter zum Restaurant meinen Schirm aufzuspannen. Auf dem Asphalt der Straße machten meine schwarzen Schuhe, die einen leichten Absatz hatten, laute Geräusche, während ich hinüber ging und mich hastig durch die Tür in das warme Innere des Restaurants rettete.

„Mylady?", meinte ein Kellner, der mich gesehen hatte, höflich und nahm wie selbstverständlich meinen nassen Schirm sowie meinen Mantel, um sie zur Garderobe zu bringen.

Für gewöhnlich konnte ich mir ein Restaurant wie dieses nicht einmal leisten, aber Louis und Eleanor hatten darauf bestanden mich einzuladen, wenn sie denn schon mal in der Gegend waren. Ich freute mich, sie wiederzusehen. Deswegen hatte ich mein schwarzes Kleid aus dem Schrank gekramt, die hübschen Perlenohrringe, die Mum mir zum letzten Geburtstag geschenkt hatte, angezogen und mich etwas aufwendiger geschminkt.

„Es dürfte ein Tisch auf Tomlinson reserviert sein", sagte ich zurückhaltend und lächelte scheu. Der Kellner bat mich, ihm zu folgen.

Wären es nicht Louis und Eleanor gewesen, die ich ohnehin schon so selten sah, hätte ich das Treffen heute vermutlich abgesagt, was nicht zuletzt daran lag, dass ich gestern, nach all der Zeit, einen Brief von Harry erhalten hatte. Einen Brief, der all die Wunden, die fast verheilt gewesen waren, wieder aufgerissen und mich über meinen Entschluss nachdenken hatte lassen.

„Es ist der Tisch ganz hinten links", sagte mir der Kellner und führte mich die letzten Meter zu dem Tisch, der ein wenig durch eine Trennwand vor der Sicht der anderen Gäste geschützt war. Also konnte ich erst dahinter sehen, als ich unmittelbar davor stand.

Ganz gegen meine Erwartungen war noch niemand dort. Vermutlich waren meine beiden Freunde aufgehalten worden und kamen, so schnell sie konnten.

Nachdem ich mich gesetzt hatte, kramte ich in meiner Handtasche nach meinem Handy, um zu überprüfen, ob einer von ihnen mir geschrieben hatte, aber es herrschte absolute Funkstille.

„Annie", riss mich da eine überraschte Stimme aus den Gedanken und ebenso verdutzt sah ich auf. Es war eine raue, tiefe Stimme, die sich, seit ich sie zum letzten Mal gehört hatte, nicht wirklich verändert hatte. Noch immer ließ sie mein Herz höher schlagen und noch immer wusste ich sofort, zu wem sie gehörte.

„Harry", wisperte ich.

Und da stand er: Seine braunen Locken waren nass vom Regen, er trug einen schwarzen Anzug mit einer dunkelroten Fliege und einem weißen Hemd. Seinem Blick zu urteilen, war er genauso überrascht über meine Anwesenheit wie ich über die seine.

„Annie, was ... was tust du denn hier?", fragte er verblüfft und ließ sich abwesend auf den Stuhl mir gegenüber sinken.

Ich brauchte einen Moment, bis ich die Bedeutung seiner Worte begriffen hatte, zu sehr war ich damit beschäftigt gewesen, jede seiner Bewegungen zu analysieren.

Wie hatte ich nur vergessen können, wie grün seine Augen waren? Wie hatte ich vergessen können, wie süß sein Lächeln aussah und wie glücklich ich mich fühlte, wenn ich bei ihm war? Aber wie hatte ich auch vergessen können, wie schmerzhaft es war, an ihn zu denken?

„Ich ...", ich räusperte mich, „Ich bin mit Louis und Eleanor verabredet."

„Seltsam", erwiderte er, „denn das bin ich auch. Ich glaube, wir wurden beide getäuscht."

Ich nickte und sah zur Seite. Was erhofften sich die beiden daraus? Wollten sie den alten Schmerz zurückkehren lassen?

„Ich habe deinen Brief bekommen", meinte ich dann leise und er sah auf. Seine Mimik verspannte sich.

Annie || h.s. ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt