4.1: d a y f o u r

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„Wisst ihr", meinte er dann allerdings, „so schlimm sind sie eigentlich gar nicht." Er blickte hinüber zu dem Tisch, an dem seine drei Bandkollegen saßen und lächelte leicht. „Louis und Harry sind nur im Moment etwas ... sie haben es nicht leicht."

Amira warf ihre Hand theatralisch nach oben, wodurch ihr Hund dem Stück Salami darin sehnsüchtig hinterher sah, und schaute dann bestimmt zu Liam. „Weißt du, jeder hat mal schlechte Tage, aber das ist noch lange kein Grund, sich so zu benehmen!"

Was Louis genau gemacht haben sollte, wusste ich immer noch nicht, doch ich vermutete, dass er nicht versucht hatte, mit ihr zu schlafen.

Liam blickte auf den leeren Teller vor sich und dann zurück zu den drei anderen Männern.

Ich wusste auch nicht wirklich, warum er überhaupt bei uns und nicht bei seinen Freunden saß, allerdings ging es mich auch nichts an.

In zwei Wochen würde ich sie alle hier ohnehin nie wieder sehen, da brauchte ich mir auch nicht unnötig Gedanken, um sie zu machen.

Die drei Braunhaarigen erhoben sich gleichzeitig und während Louis und Harry, ohne uns einen Blick zu würdigen, nach draußen schritten, kam der Dritte auf uns zugelaufen.

„Morgen", sagte er freundlich und wandte sich dann an den einzigen Mann an unserem Tisch. „Kommst du?"

Liam nickte, stopfte sich noch den letzten Bissen seines Brotes in den Mund und brachte dann seinen Teller weg, bevor er uns zuwinkte und seinem Freund folgte.

Wir warteten noch, bis auch Lena fertig gegessen hatte, dann standen wir auf und gaben unsere Teller bei einem am Eingang stehenden Kellner ab.

Aus dem Augenwinkel konnte ich zwei Teller, die noch auf dem Tisch standen, an dem zuvor die drei braunhaarigen Männer gesessen hatten, sehen, worüber ich nur den Kopf schüttelte. Ich konnte mir schon denken, wessen Teller das waren.


Gegen Vormittag wurden wir von Mr Winston dazu aufgefordert, die erste Szene des jeweiligen Teams zu proben, bevor wir sie morgen das erste Mal filmen würden.

Wenig euphorisch folgte ich Harry also in dessen Zimmer. Ich hoffte nur, dass er sich nicht wieder betrinken würde.

Als wir den Raum betraten, hielt der Braunhaarige mit direktem Schritt auf die Minibar zu und ich verdrehte genervt die Augen.

Doch zu meiner Überraschung war es eine Flasche Wasser, welche er aus dieser zog, kein Alkohol. Ob das nun daran lag, dass ihm das Trinken verboten worden war oder ob er heute einfach keine Lust dazu hatte, war mir herzlich egal.

„Hast du eine Idee?", fragte er mich, während er sein Glas füllte, drehte sich dann zu mir und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Theke.

„Wir liegen beide im Bett", begann ich zu erklären und ließ mich nicht davon einschüchtern, dass seine Augen sich direkt in meine bohrten, „du komplett unter der Decke und ich so halb. Dann richtest du dich auf und beginnst zu singen, während ich reglos liegen bleibe – die Kamera schwenkt dabei leicht hin und her."

Für ein paar Sekunden blieb er stumm und nickte dann zu seinem Bett. „Zeig's mir."

Er dachte wohl, dass es mir etwas ausmachen würde, doch das tat es nicht, weshalb ich kommentarlos den Raum durchquerte, meine Schuhe abstreifte und die zusammengeknüllte Decke anhob, um darunter zu kriechen.

„Mit Anziehsachen im Bett", tadelte Harry und folgte mir, doch ich ignorierte ihn.

„Du liegst hier", sprach ich und klopfte auf das Kopfkissen links neben mir. „Während du direkten Blickkontakt zur Kamera hältst, habe ich meine Augen geschlossen."

„Wie liegst du da?", unterbrach Harry mich und funkelte mich herausfordernd an. „Ich will's sehen."

Allein schon aufgrund seines letzten Kommentars hätte ich mich liebend gern geweigert, doch es war nun mal mein Job, weshalb ich kurz darauf die Decke über meinen Unterkörper warf, mich auf den Rücken legte und meinen Körper so positionierte, dass er in der Kamera gut zur Geltung kommen würde.

So machten Profis das und ich wollte einer sein. Ich wollte, dass meine Arbeit perfekt sein würde, dass ich mich professionell verhielt und mir keine Fehler nachgewiesen werden konnten. Jeder meiner zukünftigen Arbeitgeber würde sich, bevor er mich buchte, dieses Musikvideo ansehen, da es ohne Zweifel mein bisher größter Dreh war.

Ich blickte zu Harry, um seine Reaktion zu erkennen, doch er grinste nur kokett und öffnete dann langsam seinen Mund.

„Das machen wir. Das gefällt mir", meinte er, während er mit seinen Fingerspitzen gegen das Glas tippte.

Etwas erleichtert seufzte ich auf. Es war mir bewusst, dass Harry mich soeben wieder angemacht hatte, doch auch wenn er mit der Idee nur einverstanden war, weil er mich heiß fand, war mir das mehr als recht.

Kurz kehrte Stille in den Raum, welche nur durch Harrys leise Schlucke unterbrochen wurde.

„Deine Entschuldigung", sagte er dann, „nehme ich damit übrigens auch an."

Zähneknirschend wandte ich meinen Blick ab.

Ob es ihm bewusst war, dass ich diese nicht ernst gemeint hatte, wusste ich nicht, aber jedenfalls spielte er es gegen mich aus.

„Gut", erwiderte ich jedoch und blickte zuckersüß zu ihm. „Dann wäre doch alles geklärt, oder?"

Seine Miene fiel und er starrte mich wütend an, wahrscheinlich, weil er es einfach nicht schaffte, mich zu provozieren.

Mit einer etwas zu schnellen Bewegung stellte er sein Glas ab und kam dann bedrohlich ein paar große Schritte auf mich zu.

„Ich kann dir dein Leben zur Hölle machen, wenn ich will", fauchte er, doch meine Miene blieb gleichgültig.

„Versuch es doch", meinte ich, stand auf und zog mir meine Schuhe an, bevor ich mich ihm gegenüberstellte.

„Glaub mir, das hier ist erst der Anfang, Anna", sagte er, während seine Mundwinkel leicht zuckten, doch ich blieb unbeeindruckt.

Aufgrund des falsch genannten Namens ließ ich mich nun wirklich nicht provozieren.

„Ich weiß, Harold", erwiderte ich also und schritt an ihm vorbei.

Er regte sich wegen Sachen auf, die mich völlig kalt ließen, was ich gut gegen ihn ausspielen konnte. Ich benutzte nur dieselben Waffen wie er, doch wer nicht mit Feuer umgehen kann, sollte eben nicht mit Funken spielen.

Annie || h.s. ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt