Kapitel 2 *

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Es gibt ein indisches Märchen von einem Spiegel. In dem jeder etwas anderes sieht - nämlich sich selbst. Ich kenne Spiegel, in denen man stets nur dasselbe sieht, ganz gleich, wer in sie hineinschaut.

- Wieslaw Brudzinski -

Gesine zog mich nun den langen Flur entlang, wo wir immer wieder an dreiarmigen Leuchtern vorbeikamen

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Gesine zog mich nun den langen Flur entlang, wo wir immer wieder an dreiarmigen Leuchtern vorbeikamen. Der Boden des Flurs war mit karamellbraunen Fliesen ausgelegt, die unsere Schritte wie das Ticken einer Uhr klingen ließen. Schließlich standen wir vor einer hellen Tür aus Ahornholz, die Gesine mit einem „et voilà" öffnete.

Der düstere Raum, den wir betraten, war voll mit bunten Klamotten, so weit das Auge nur reichte. Ich war überwältigt von der Auswahl und schaute weiter umher. An einer Wand waren ovale Spiegel und halbrunde Tische montiert. Vor diesen standen auch schwarz gepolsterte Stühle, die mich mehr an meinen Friseur erinnerten.

„Das ist unsere Maske!", sprach Gesine so stolz, als würde sie gleich davon platzen. Sie führte mich, immer noch an der Hand haltend, zu einem der Stühle.

Ich fühlte mich die ganze Zeit, als wäre ich ein kleines Mädchen, das ohne ihre Mutter nicht wüsste, wohin es gehen sollte. So setzte ich mich ohne Widerworte auf einen der Stühle und erschrak etwas, nachdem ich mich nach links gedreht hatte.

Neben mir saß ein blondes Mädchen, welches blaue Augen hatte. Ich schätzte sie auf vielleicht schon siebzehn Jahre und auf alle Fälle war sie älter als ich. Sie schautete mich mit ängstlichen Augen an, die nur zu sagen schienen: „Bitte rette mich von hier."

Aber was kann ich nur tun?

Vielleicht einfach die Hand von ihr halten oder doch lieber mit ihr sprechen?

Vielleicht ihr gut zureden oder sie doch in den Arm nehmen?

Was kann ich nur tun?

Während sie mich anschaute, fingerte sie mit den angekauten Fingernägeln immer wieder am Ärmel ihres grauen Pullovers herum. Ich wollte ihr helfen, aber meine Lippen wollten nicht gehorchen. Wir sprachen beide kein Wort miteinander und so starrte ich einfach nur zurück, ohne einen klaren Gedanken fassen zu können.

Neben uns erschienen zwei Frauen, die wie französische Dienstmädchen gekleidet waren. Sie trugen schwarze langärmlige Kleider mit einer umgebunden weißen, verspielten Schürze. Am Ende des Rockes fielen ein paar schwarze Schuhe mit niedrigem Absatz auf. Ihre goldenen Haare waren zu einem Zopf gebunden.

Meine Augen schauten nur gespannt wie die Sehne eines Bogens auf das Schauspiel. Gesine flüsterte den beiden etwas ins Ohr. Was hatten sie nur vor?

Beide nickten und holten daraufhin zwei Wägen, die Scheren, Tuben, Schminke, Bürsten und allerlei andere Dinge von einer Maske beinhalteten.

„Dann lass uns anfangen, euch in passende Rollen zu stecken. Zuerst fangen wir mit den Kleidern an", sagte eine der Bediensteten während sie in die Hände klatschte.

Gefangen im Märchendorf - wird überarbeitet-Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt