Kapitel 4:
Der Hass auf den Sommer.
Das Luau steht heute an. Ich kann es kaum erwarten, hinzugehen. Nicht. Ich hasse dieses Festival, es ist in der prallen Sonne in der größten Sommerhitze und es ist total unlogisch, dass irgendwer dieses Festival jemals genießen könnte. Ich bleibe so lange es geht in meinem Bett, um mich vor der Sonne zu verstecken.
Es klopft an meiner Tür.
„Sebby?", höre ich die Stimme meiner Mutter.
„Ja?"
„Darf ich rein kommen?"
„Von mir aus..."
Mum tritt in mein Zimmer. Sie trägt ein luftiges Sommerkleid, ihre roten Haare sind zu einer lockeren, aber hübschen Frisur hochgesteckt. Sie tritt auf mein Bett zu, setzt sich dann zu mir. „Wie geht es meinem hübschen Sohn?" Mum spielt ein wenig mit meinen Haaren, streichelt dann meine Schulter.
„Dein hübscher Sohn hasst den Sommer..."
„Ich weiß, aber oben warten deine Freunde schon auf dich."
„Sag ihnen, dass ich krank bin", bitte ich sie, für mich zu lügen.
„Welche Krankheit hast du heute?", fragt sie verständnisvoll nach.
„Pest..."
„Sebby..."
„Magendarmgrippe, dann will mich wenigstens keiner besuchen kommen..."
„Netter Versuch", höre ich Sams Stimme an der Tür. „Hey, Abby, ich hab dir gesagt, dass er so tut, als wäre er krank."
„Mist...", gibt Abby genervt von sich. „Ich hätte schwören können, dass er seine Arbeit vorschiebt."
Ich beobachte, wie Abby Sam zwei Geldscheine in die Hand drückt. Mein bester Freund steckt das Geld triumphierend in seine Hosentasche.
„Ihr wettet darauf, welche Ausrede ich benutze, um nicht raus gehen zu müssen? Ihr seid die schlimmsten Freunde aller Zeiten...", beschwere ich mich, Sam und Abby lachen.
„Hey, wir lassen dir ein bisschen Zeit, damit du dich hübsch machen kannst, wir warten oben."
„Max kommt übrigens auch gleich", gibt Abby zwinkernd von sich.
„Hehe, er kommt...", wiederholt Sam grinsend.
Mum schüttelt den Kopf, streichelt noch einmal über meine Schulter. „Lass dir Zeit. Wir gehen schon einmal vor, dein Schlüssel liegt oben. Ich hab dich lieb."
„Ich hab dich auch lieb, Mum."
...
Es ist heute zu heiß, um mich in meinem Hoodie zu verstecken. Auch für eine lange Hose, ist es viel zu heiß. Ich hasse den Sommer so sehr, dass ich ihn am liebsten aus dem Jahr streichen würde. Max versucht nach meiner Hand zu greifen, doch ich weiche ihm aus. Diese Aktion bleibt leider nicht unbemerkt, Sam und Abby tauschen schon diese wissenden Blicke aus. Nach zwei weiteren Versuchen, hält Max mich einfach am Arm fest.
„Was ist los?"
„Es ist zu heiß für Körperkontakt", winke ich ab, löse mich dabei von ihm.
„Okay..."
...
Am Strand nehmen wir Abstand zu der richtigen Feier, etwas Abseits bauen wir unser Lager auf, Max hilft Sam dabei einen Sonnenschirm aufzustellen, während Abby und ich Decken auflegen, um uns vor dem heißen Sand zu schützen. Es dauert nicht lange bis meine Freunde sich ins Wasser stürzen. Leidend, neidisch und verschwitzt sehe ich ihnen zu, wie sie die guten Seiten des Sommers genießen. Wie gerne würde ich wieder schwimmen gehen, aber ich schäme mich einfach zu sehr, um mich auszuziehen.
Mein Blick ist auf Max gerichtet, er kommt wieder näher zum Strand, das Wasser läuft über seinen schönen, trainierten Oberkörper. Die realistischen Rosen in Graustufen auf seiner Haut sind ein wahres Kunstwerk. Max ist ein ausgesprochen gutaussehender Mensch. Alles an ihm ist perfekt. Und an mir ist alles... scheiße.
„Hey Schönheit", begrüßt er mich grinsend. Er hebt seine Hände, hält sie über meinen Beinen in der Luft. Tropfen für Tropfen fällt das Wasser des Meeres auf meine Haut. „Bist du dir sicher, dass du nicht ins Wasser kommen willst? Ich kann dich fest halten, falls die Geschichte, dass du nicht schwimmen kannst, keine Lüge war."
Er greift nach einer Dose Joja Cola, öffnet sie, trinkt einen Schluck davon. Igitt... Wie kann er das Zeug nur trinken...? Bis jetzt dachte ich, dass Sam der einzige Mensch ist, der das Zeug runter bekommt.
„Also... rein technisch kann ich schwimmen...", gestehe ich.
„Und rein untechnisch gehst du nicht schwimmen, weil?"
„Öhm..."
„Max, lass ihn einfach!", ruft Sam aus dem Wasser. „Er will nicht, jeder Überredungsversuch ist verschwendete Zeit!"
Max sieht mich an, er stellt die Dose wieder zurück in die Kühlbox. Mit seinen kühlen Händen fasst er an meine Wangen, lässt sie dann zu meinem Hals gleiten. Seine Augen sehen genau in meine, der Moment ist irgendwie eher angenehm als unangenehm... Seine kühlen Finger fühlen sich an meiner heißen Haut wie der pure Himmel an. „Bekomm mir bloß keinen Hitzeschlag, du bist schon heiß genug", meint er, zwinkert mir dann zu. Ich will etwas erwidern, doch dann küsst er schon meine Stirn. „Bist du dir wirklich sicher, dass du nicht ins Wasser kommen willst? Du kannst einfach in Unterwäsche ins Wasser gehen, wenn du nichts dabei hast."
In... Unterwäsche... Nein, nein bloß nicht. Ich richte meinen Blick von Max, seufze. „Nein danke, ich... bin okay..."
„Sicher?"
„Ja..."
„Gut, ich kauf dir das mal ab", gibt er etwas skeptisch von sich. Er drückt das Wasser aus seinen Haaren auf meine Beine, streicht noch einmal meine Haut entlang, um es zu verteilen, bevor er auch schon wieder zurück zu meinen Freunden läuft.
Es ist nett von ihm, dass er sich Sorgen macht, aber ich kann einfach nicht ins Wasser... auch wenn ich es eigentlich möchte...
Oh Yoba, wieso hast du mich nur in diesen falschen Körper gesteckt?!
...
Die Suppen-Zeremonie, bei der jeder Bewohner der Stadt eine spezielle Zutat in besagte Suppe wirft, läuft dieses Jahr ausnahmsweise ruhig ab. Unsere Gruppe verhält sich dieses Mal fast schon erwachsen, keiner wirft etwas Ekel erregendes in den Suppentopf, im Gegenteil, wir haben uns Mühe gegeben, etwas Leckeres zu finden.
Unser Bürgermeister hat allen Grund, mit der Suppe anzugeben, unser Gast, der Governor lobt sie in höchsten Tönen. Ich verzichte auf die heiße Suppe, da mir ohnehin schon viel zu heiß ist. Ich bediene mich lieber an ein wenig Kuchen und den kühlen Getränken des Buffets.
Sam und Abby haben beschlossen, mich und Max alleine auf unserem gemütlichen Plätzchen sitzen zu lassen. Vielleicht versuchen sie dieses Mal wirklich die Kuppler zu spielen. Etwas teilnahmslos esse ich von dem Schokoladenkuchen, Max isst ein wenig gedämpftes Gemüse.
„Sag mal... schämst du dich wegen deinem Körper?", fragt Max beiläufig, er klingt beinahe desinteressiert, als wäre die Frage eine bloße Feststellung.
„Ja...", gebe ich leise zu, lege den Kuchen weg.
„Weil du so dünn bist, stimmt's?"
Ich blicke zu Max, er ist so nah dran, aber doch so weit entfernt mit seiner Annahme. Dass ich schlank bin, ist in meinem Fall eher etwas, worüber ich sehr froh bin. Wenn meine Brüste größer wären, würde ich sie mir in einer Nacht-und-Nebel-Aktion mit einem Brotmesser abschneiden...
„Naja... es gibt ein paar Dinge, die mich stören...", gebe ich leise zu.
„Wieso das denn? Also wenn ich dich so ansehe, würde sich sagen, dass du perfekt bist..."
Ich schüttle den Kopf. „Nein, nein... nein das bin ich nicht, überhaupt nicht."
„Was stört dich?"
„Max, ich will nicht darüber reden... bitte hör auf..."
„Tut mir leid...", entschuldigt er sich leise.
Dass Max das Gefühl hat, dass ich ‚perfekt' bin, bereitet mir Magenschmerzen. Einerseits finde ich es toll, dass ich mich schon so weit anpasse, dass man mir wirklich abkauft, dass ich ein vollwertiger Mann bin, anderseits fühlt es sich einfach scheiße an, Max zu belügen, auch wenn ich ihn eigentlich im Prinzip gar nicht wirklich belüge. Ich bin doch eigentlich ein Mann, mein Körper ist allerdings noch nicht so weit, genau das auch nach außen zu präsentieren...
Max sieht zu mir. Vorsichtig hebt er seine Hand, streichelt meinen Arm entlang. „Es tut mir wirklich leid. Ich verspreche dir, dass ich das Thema nie wieder anspreche."
„Danke..."
...
Wir bleiben bis spät nachts. Als die Sonne weg ist, geht es mir um einiges besser. Wir machen ein Lagerfeuer, grillen Marshmallows und haben eine wirklich nette, lustige Zeit. Für einen Sommerabend ist das hier wirklich nicht schlecht.
Auch jetzt gehen Sam und Abby ein wenig früher, Max und ich bleiben erneut alleine zurück. Wir liegen im warmen Sand, blicken in den Himmel, die Sterne sind heute Nacht wirklich ausgesprochen schön. Max greift nach meiner Hand, sein Daumen gleitet immer wieder über meinen Handrücken.
„Ich fasse es nicht, wie viele Marshmallows in deinen kleinen Körper reinpassen", scherzt Max, in die Stille, ich sehe zu ihm.
„Ich laufe mit Zuckertreibstoff."
„Das erklärt wieso du so süß bist."
„Danke, Max..."
„Ich hab über dich nachgedacht... Hast du vielleicht irgendwelche Narben, wegen denen du dich schämst?"
„Nein."
„Ein missglücktes Tattoo?"
„Nein."
„Eine Essstörung?"
„Nein."
„Okay, ich hab's: Du hast einen dritten Nippel", gibt Max etwas belustigt von sich.
„Nein, ich hab auch kein zweites Paar Hände oder einen Zwilling an meiner Hüfte", zähle ich noch weitere absurde Anomalitäten auf.
„Wieso versteckst du deinen Traumkörper dann vor mir?", fragt er nach, streichelt mich gleich darauf wieder.
„Ich kann's dir nicht sagen..."
„Wieso nicht?"
„Weil ich Angst habe, dass du mich dann nicht mehr magst..."
„Wieso sollte ich dich nicht mehr mögen?", fragt er weiter nach.
„Weil..."
Ich will es ihm wirklich sagen. Ich bin kurz davor.
Als ich meinen Mund öffne kommt jedoch kein Ton heraus.
Ich richte meinen Blick wieder in den Himmel.
„...ich kann's dir nicht sagen."
Max atmet tief durch. „Egal was es ist, ich versichere dir, dass ich dich trotzdem noch genauso gern habe wie jetzt."
Das klingt so vielversprechend, trotzdem kann ich es ihm nicht sagen. Die Worte kommen einfach nicht über meine Lippen. Ich würde damit alles kaputt machen. Max setzt sich auf, verschränkt seine Hände hinter seinem Rücken und beugt sich zu mir. Er küsst sanft meine Lippen, ich erwidere den Kuss vorsichtig. Da seine Haare in mein Gesicht hängen, hebe ich meine Hand, um die störende Strähne hinter sein Ohr zu streichen. Immer wieder drückt er seine Lippen auf meine, der Kuss bleibt jedoch unschuldig und liebevoll. Als Max sich von mir löst, legt er seine Hände in seinen Schoß.
„Du sag mal, wo stehen wir beide jetzt eigentlich? Von mir aus gäbe es keine Gründe, dich nicht als meinen Freund zu bezeichnen."
Ich lache über seine Formulierung. „Ist das die Max Jackson Version von ‚Willst du mit mir gehen?' Das ist echt verdammt süß."
Max lacht, dreht sich dann zu seinem Rucksack. „Warte eine Sekunde."
„Einundzwanzig."
„Was?"
„Naja, eine Sekunde ist vorbei."
„Haha, Scherzkeks", entgegnet er. Ich sehe nicht genau, was er macht, es dauert ein wenig, doch dann legt er mir etwas auf den Bauch. Als ich danach greife, merke ich, dass es ein Zettel ist.
Ich nehme ihn zur Hand, falte ihn auf. Auf dem Zettel befinden sich zwei Strichmännchen, unter dem größeren steht ‚Max' und unter dem kleineren steht ‚Sebastian' geschrieben. Die beiden Strichmännchen halten Händchen, darüber steht eine Frage geschrieben. ‚Willst du mit mir gehen? – Kreuze an.' Die beiden Auswahlmöglichkeiten sind ‚Ja' und ‚Ja'.
Lachend sehe ich zu Max, der mir grinsend seinen Stift entgegen hält.
„Überleg dir die Antwort gut, das kann dein ganzes Leben verändern."
„Darf ich auch mehrere Antworten ankreuzen?", frage ich lächelnd, als ich den Stift an mich nehme.
„Klar."
Mit zwei geschwungenen Kreuzen fülle ich beide Kästchen aus, zeige Max dann die Antwort. Er beugt sich erneut zu mir, um mich in einen liebevollen Kuss zu verwickeln.
„Du darfst die Zeichnung behalten", spricht er leise, gibt mir dann einen weiteren, zärtlichen Kuss.
...
Erst als ich im Bett liege, realisiere ich richtig, was heute passiert ist. Mir ist ein wenig kalt, ich habe mir nicht mehr die Zeit genommen, meine Haare zu föhnen. Ich streiche mir eine Strähne aus dem Gesicht. Max hat mich gefragt, ob ich sein Freund sein möchte und ich habe zugestimmt.
Er hat mich gefragt, ohne mein Geheimnis zu kennen.
Ich habe zugestimmt, ohne mein Geheimnis zu verraten.
„Egal was es ist, ich versichere dir, dass ich dich trotzdem noch genauso gern habe wie jetzt."
Nein, wirst du nicht...
Ich muss es Max morgen sagen, ich schulde ihm die Wahrheit. Das, was wir jetzt haben ist nicht echt, noch nicht... Aber vielleicht habe ich die Chance auf eine richtige, echte Beziehung bereits verspielt, ohne es gewollt zu haben. Ich weiß nicht, was ich machen soll. Es fühlt sich so an, als wäre es zu spät, ihm zu sagen, dass ich Transgender bin. Die ganze Zeit habe ich dieses Geständnis vor mir her geschoben, um auf den perfekten Moment zu warten und jetzt ist es plötzlich zu spät.
Egal, was es jetzt kostet, ich schulde ihm die Wahrheit. Vielleicht sieht er über meinen Körper hinweg. Aber wenn er es nicht schafft, sich mit der weiblichen Anatomie anzufreunden, kann ich nichts mehr rückgängig machen... Dann ist es vorbei, ein für alle Mal.
Ich wälze mich die halbe Nacht in meinem Bett hin und her, es dauert ewig, bis ich einschlafe.
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[Stardew Valley] Mein großes Geheimnis. [Abgeschlossen!]
Fanfiction[Stardew Valley] [Fanfiktion] Sebastian hält sich seit Jahren für anders und abnormal. Er ist Transgender und hat vor einigen Monaten seine Reise zu seinem neuen Ich begonnen, er will nun auch körperlich ein Mann werden. Ganz Pelican Town kennt Seba...