Kapitel 16: Neues Jahr, neues Glück.

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Kapitel 16
Neues Jahr, neues Glück.

Die frische Frühlingsluft zieht durch die Fenster in mein Arbeitszimmer. Max hat aktuell sehr viel zu tun, ich darf ihm allerdings nur sehr wenig Arbeit abnehmen, um zu helfen. Ich kümmere mich für ihn um die Hühner, füttere sie und lasse sie aus dem Hühnerstall.

Obwohl ich mehr tun könnte, möchte mein Verlobter nicht, dass ich mich körperlich überanstrenge. Er sagt das nicht, weil er mich für unmännlich hält oder gar weil er ein Macho ist. Max ist schlicht überbesorgt. Er hat immer ein wenig Angst, dass ich keine Luft bekomme und umkippe, da ich trotz all den Gesprächen und Max' Zusicherung, dass er nicht auf meine Brüste achtet, weiterhin tagsüber meinen Binder trage. Es ist vielleicht dumm, immerhin trage ich ihn nachts nicht und wir schlafen zusammen im selben Bett, aber... Es geht hier um mein Wohlbefinden und um die Illusion, die ich für mich selbst aufrechterhalten will. Es ist schwer zu erklären, aber ich fühle mich durch meinen Binder geschützt und sicher.

Glücklicherweise hat das alles ein Ablaufdatum. In wenigen Wochen ist es soweit und dann... darf ich Max gar nicht mehr helfen, weil ich mich wegen der Operation schonen muss. Aber auch das wird vorbeigehen!

In der Mappe neben mir auf dem Tisch liegen alle Dokumente, die ich im Krankenhaus brauchen werde. Ich habe sie feinsäuberlich zusammengetragen und geordnet. Als ich meine Reise zu meinem neuen Ich begonnen habe, hätte ich nie gedacht, dass sich so viele Dokumente zusammensammeln. Angefangen hat alles mit psychologischen und psychiatrischen Gutachten, außerdem musste ich einen mehrstündigen Test durchstehen, bei dem ich hunderte von Fragen zu mir und meiner Persönlichkeit beantwortet habe. Von den vielen Stunden Gesprächstherapie will ich gar nicht erst anfangen...

Meine Beine baumeln von meinem Drehstuhl, abwechselnd schwingen sie nach vorne und dann nach hinten. Meine Augen ruhen immer noch auf der violetten Mappe. Ich will alles griffbereit haben, sobald es losgeht. Das Ende ist in Sicht. Bald kann ich mich unters Messer legen...

Eine Weile sitze ich einfach nur vor meinem aufgedrehten Computer. Heute ist mir nicht nach arbeiten, mein Geist ist viel zu unruhig, ich kann mit meinen Gedanken nicht bei der Sache bleiben. Alles, was ich tippe, besteht aus so vielen Fehlern, dass ich nochmal dreifache Arbeitszeit aufwenden müsste, um diese wieder auszubessern.

„Ach Mann..."

Ich fahre meinen Computer hinunter, schalte den Bildschirm aus und begebe mich nach draußen. Muffin sitzt neugierig vor dem gut abgesicherten Außenbereich von Max' Hühnern und beobachtet ihre gefiederten Freunde. Eigentlich wollte Max seine Hühner frei auf der Farm herumlaufen lassen, allerdings hat er immer noch Angst, dass sie sich verlaufen und nicht wieder nach Hause finden oder vielleicht von wilden Tieren gefressen werden. Ich bin sicher, dass er Muffin auch nicht ganz über den Weg traut. So oft wie sie ihn gekratzt hat, kann ich ihm das jedoch nicht verübeln.

„Hey Muffin. Na, was machst du? Beobachtest du deine Freunde?" Meine Katze miaut. Sie schmiegt sich an meine Beine und reibt ihr Köpfchen an meinem Schienbein. Nicht nur sie möchte schmusen, ich habe auch das Bedürfnis, meine Katze zu knuddeln. Ich nehme Muffin auf den Arm. „Ich hab dich so lieb." Ich gebe ihr einen liebevollen Kuss auf den Kopf. Muffin schnurrt genüsslich, als ich sie hinter den Ohren kraule.

Zusammen mit meiner Katze gehe ich auf Max zu, der in der prallen Sonne arbeitet. Er setzt gerade einige Erdbeerpflänzchen in verschiedene Töpfe. „Hast du all deine Erträge vom Herbst in Erdbeeren investiert? Willst du der große Erdbeerpate werden?", frage ich belustigt, als ich die vielen, vielen Pflanzen sehe, die noch darauf warten, eingepflanzt zu werden.
„Was? Nein, Blödsinn. Das ist Eigenbedarf, ich liebe Erdbeeren und ich will Literweise Marmelade machen und das eine oder andere Glas vielleicht verkaufen. Ich hab schon im Internet gelesen, wie das funktioniert. Ich sollte das sogar hinbekommen, ohne Hilfe zu brauchen."
Ich setze Muffin ins Gras, setze mich dann zu Max auf den Boden. Obwohl er verschwitzt ist, streichle ich über seinen muskulösen Oberarm. „Darf ich dir helfen?"
„Was ist mit deiner Arbeit?", antwortet mein Verlobter mit einer Gegenfrage.
„Naja... läuft heute nicht so gut."
„Okay. Am besten du fängst da drüben im Schatten an. Schnapp dir eine kleine Schaufel. Die Töpfe sind schon fast vollgefüllt, du kannst sie aber problemlos schieben, sie stehen auf Rollen."
„Das ist ja clever."
„Work smarter not harder", antwortet Max schmunzelnd. „Es ist ganz einfach. Erst ein bisschen Erde, dann ein bisschen Dünger und oben drauf dann das kleine Pflänzchen, okay?"
„Wird gemacht."

...

Nach einem harten Arbeitstag auf der Farm liegen Max und ich im Bett. Meine Hände liegen auf meinen Brüsten, ganz vorsichtig knete ich sie, um die Schmerzen zu erleichtern. Meine Brüste zu massieren ist ein komisches Gefühl. Nicht nur, weil sie nicht da sein sollten, sondern weil die Massage etwas weh tut, aber auch gleichzeitig Erleichterung verschafft.

Wie es wohl ist, sobald sie weg sind?
Ich würde mir auf jeden Fall einiges ersparen. Ich könnte endlich auf einige Schichten meiner Kleidung zu verzichten. Es wäre mir sogar möglich, ohne Shirt schwimmen zu gehen. Meine Körperhaltung würde sich bestimmt bessern, ich müsste mich nicht mehr so verbiegen, nur um meine Oberweite vor den vielen Blicken zu verstecken.

„Okay, ich muss dich jetzt fragen, weil es so seltsam aussieht. Was machst du da?", fragt Max, als er von seinem Laptop aufsieht.

An Max' Nachttisch leuchtet eine Lampe, abgesehen davon spendet sein Laptopbildschirm weiteres Licht. Schnell nehme ich die Hände von meinen Brüsten und ziehe peinlich berührt die Decke bis zu meinem Kinn hoch. Normalerweise mache ich das nicht, wenn Max anwesend ist. Im Normalfall mache ich das in der Badewanne, wenn ich mich unter einem großen Schaumberg verstecke. Ich dachte, dass Max so beschäftigt mit seiner Buchhaltung ist, dass er mich gar nicht wahrnimmt, doch ich habe mich wohl geirrt.

„Nichts..."
„Das sah irgendwie nicht nach ‚nichts' aus..."
„Ja, also..."
„Lass dir Zeit", bittet Max mich wie so oft. Er widmet sich wieder seiner Arbeit und tippt wieder an auf seiner Tastatur herum.
„Alsoooo... Das Gewebe soll gut durchblutet sein und so... Außerdem hab ich mich gefragt, wie das wohl so ist, wenn sie dann wirklich weg sind. Ich hab mal gelesen, dass einige sich zuerst gefühlt haben, als hätten sie einen riesigen Fehler gemacht, weil die Hormone ja dann noch verrückter spielen als sie es ohnehin schon tun..."
Max sieht zu mir, er wirkt ein wenig verunsichert. „Du machst aber keinen Rückzieher oder? Du bist schon so weit gekommen, kurz vor der Ziellinie aufzugeben, ist... naja..."
Ich schüttle den Kopf. „Nein, niemals. Ich bin nicht umsonst durch die Hölle gegangen. Auch wenn ich ein bisschen Angst vor der Narkose und natürlich auch der Operation selbst habe, weiß ich, dass ich das schaffe. Es ist das Beste für mich. Ein paar Tage im Krankenhaus zu bleiben, wird mich nicht umbringen."
Max atmet durch, streichelt dann kurz meine Wange, ehe er sich wieder seinem Bildschirm widmet. „Hey... wegen der Durchblutung... Massierst du da einfach irgendwie oder ist da eine Technik dahinter?"
„Einfach so, dass es relativ angenehm ist..."
„Aha... Lass dich nicht aufhalten, wenn es dir hilft."
„Naja, ich weiß nicht, jetzt ist es irgendwie komisch."

Max nimmt eine Liste zur Hand, notiert etwas, bevor er seufzt und seinen Laptop abdreht. Er blickt auf den Bildschirm, dessen Licht blau strahlt. Durch das kalte Licht wirkt Max etwas traurig.

„Ist alles okay, Max?"
„Ich hoffe, dass ich den Frühling irgendwie überlebe. Was habe ich Idiot mir nur gedacht? Für sechs Gläser Marmelade brauche ich einen Kilo Erdbeeren... Das rentiert sich niemals... Ich bin ein Trottel. Ich wünschte, ich hätte ein paar Tipps von meinem Opa. Irgendwie hab ich nach einem Jahr auf dieser Farm immer noch nicht den Dreh raus..."
„Wie hast du es letztes Jahr gemacht?", erkundige ich mich.
„Ich hab erst einmal das gesamte Gelände aufgeräumt und mit den ersten Samen ein kleines Gemüsebeet angelegt. Ich hab deiner Mum Holz verkauft, die gefundenen wilden Kräuter habe ich getrocknet und an Gus verkauft. Ich hab Vogelscheuchen gebastelt, um die Raben von meinem Beet fernzuhalten. Das Beet wurde immer größer und zur Erntezeit hat Lewis mir geholfen mein kümmerliches Gemüse zu verkaufen. Mit den Kürbissen habe ich einen großen Glücksgriff gemacht, die haben sich sehr gut gemacht und sogar noch besser verkauft. Der Herbst war sehr ertragreich, aber durch die Winterpause bin ich ziemlich ausgebrannt. Ich habe einige Tipps für Nebenverdienste bekommen und sie so gut es ging verfolgt. Ich habe ein Tagebuch über alle Pflanzen geführt, damit ich auf mein gesammeltes Wissen zugreifen kann. Ich kann mir Dinge nicht so gut merken, deswegen ist es für mich wichtig, schriftliche Aufzeichnungen zu haben." Ich nicke. Max hat noch mehr Arbeit in die Farm gesteckt als ich dachte. „Einiges hat sich rentiert, anderes lief weniger gut. Ich versuche aus meinen Fehlern zu lernen, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich dieses Jahr erfolgreicher sein werde."

Max steht auf und bringt den Laptop zu seinem Schreibtisch. Auch die Liste wird dort abgelegt. Er kratzt sich am Kopf, als er wieder auf mich zukommt. Missmutig bleibt er vor dem Bett stehen. Er verschränkt seine Arme.

„...ich hab Angst, dass ich bald so pleite bin, dass ich mir weder Wasser noch Strom leisten kann und... ...und wieder in die Stadt und in einen normalen Job zurück muss... Es wäre zwar leicht, einen anderen Job zu finden, aber ich will keinen anderen Job mehr. Das hier ist meine Berufung. Ich fühle mich auf der Farm wohl und bin glücklich, nur eben überhaupt nicht erfolgreich", erzählt Max, wobei er auf und ab geht.
„Wieso sagst du mir das erst jetzt?", frage ich erschrocken nach. „Ich helfe dir..."
„Ich wollte dich nicht beunruhigen, Sebastian. Du kannst mir ja auch gar nicht helfen."
„Doch, doch, ich kann dir helfen", sichere ich ihm zu. „Hast du Schulden?"
„Nein, wie gesagt, ich habe all das hier geerbt, die Fixkosten für das Haus sind gering, nur dass die Wasserrechnungen so hoch sein werden, habe ich unterschätzt. Ich hatte ein paar Rücklagen und ein kleines Startkapital von meinem Opa. Den Großteil hab ich allerdings letztes Jahr verbraten. Samen und Dünger sind gar nicht mal so billig, wenn man große Mengen davon braucht." Max verzieht etwas das Gesicht. „Ich hätte mir für den Winter ein zweites Standbein aufstellen und mehr arbeiten müssen, anstatt den Winter als Freizeit anzusehen. Das war sehr dumm von mir..."
„Ja, aber, wenn du nur den Großteil verbraten hast, heißt das doch, dass du noch ein paar Rücklagen hast, wenn ich das richtig verstehe. Wieso hast du dann jetzt schon Panik?"
„...weil ich das alles durchgerechnet habe und... mich das nervös macht. Ich habe einiges geplant, was ich allerdings jetzt durch Geldmangel doch nicht umsetzen kann. Im Moment geht es um meine Existenz. Ich habe Angst, dass ich es nicht schaffe, Sebastian."
„Du weißt doch noch gar nicht, wie viel Ertrag du diesen Frühling haben wirst. Du hast ein paar Obstbäume, du hast dein Feld, du hast viele, viele Erdbeeren und andere Pflanzen. Und außerdem hast du mich", muntere ich ihn auf. „Komm zu mir."

Max steigt zurück zu mir ins Bett, legt sich dann seitlich hin, sodass er mich ansehen kann. Er legt seine Hand an meinen Bauch und streichelt mich ein wenig. Ohne Decke zwischen uns würde mir das besser gefallen.

„...ich mach mir einfach Sorgen, weil du ja wochenlang nicht arbeiten kannst, Sebastian. Ich muss mich um dich und um die Farm kümmern. Außerdem muss ich jetzt nicht nur mich versorgen, sondern auch dein Bäuchlein füllen. Du bist meine Familie. Letztes Jahr war es egal, wenn ich eine oder zwei Wochen kaum Geld für eine warme Mahlzeit hatte. Ich wollte nicht immer auf meine Rücklagen zurückgreifen, also hab ich ab und an ein bisschen Diät gemacht und das gegessen, was ich geerntet habe. Aber jetzt muss ich dafür sorgen, dass es dir gut geht. Ich kann dich unmöglich dazu zwingen, auf irgendwas zu verzichten, das geht nicht... Ich will, dass du alles hast, was du brauchst..."

Ich kuschle mich etwas näher an Max, seine Hand rutscht an meine Hüfte. Ich mache es mir an der Brust meines Verlobten gemütlich und lege meine Hände an seine Brust.

„Ich liebe dich, wir schaffen das zusammen. Wenn wir Hilfe brauchen, dann helfen Mum und Dad uns bestimmt. Du bist nicht alleine, die ganze Familie ist für dich da."
„Ich weiß nicht, ob ich das annehmen kann", antwortet Max geschlagen. „Ich will niemanden ausnutzen."
„Du kennst meine Eltern, dir wird nichts Anderes übrig bleiben, als es anzunehmen", erkläre ich zuversichtlich.
„Ich will aber kein Schnorrer sein, Sebastian... Mein Opa hat es auch alleine geschafft."
„Du bist auch kein Schnorrer. Du bist mein Verlobter, ein Teil meiner Familie. Die Familie hält zusammen."

Ich verschließe Max' zweifelnde Lippen mit meinen. Er findet recht schnell Gefallen daran und intensiviert den Kuss. Unsere Zungen treffen aufeinander, Max erkundet forsch meine Mundhöhle. Es dauert nicht lange, schon sitzt er auf mir. Ich bekomme zarte Küsse auf den Hals. Ich genieße jede einzelne Sekunde, in der er mich berührt.

„Ich liebe dich, Max."
„Ich liebe dich auch, Sebastian", haucht er gegen meinen Hals.

...

Ein regnerischer Tag sorgt dafür, dass Max etwas Freizeit hat, denn die Pflanzen gießen sich von selbst. Die Hühner sind bereits versorgt, bei Regen verlassen sie ungern ihren Stall, weswegen sie heute keinen Auslauf an der frischen Luft bekommen.

Max' gesamte Aufmerksamkeit ist einem Plan gewidmet, der vor ihm auf dem Tisch ausgebreitet ist. Es ist der Bauplan einer Scheune. Max möchte sich eine eigene Werkstatt einrichten. Dass nicht nur die Maschinen, sondern der Bau der Scheune selbst zu teuer ist, liegt meinem Verlobten im Magen. Er quält sich damit selbst und ich verstehe nicht, wieso er das tut.

Er weiß es noch nicht, aber wenn er seine Finanzen checken würde, würden ihm die Augen aus seinem hübschen Kopf fallen, denn mein Dad hat ihm eine kleine Finanzspritze verabreicht. Das Geld sollte gestern oder heute angekommen sein.

„Du Max? Wie viel Geld gibt dein Konto aktuell her? Wir müssten einen Großeinkauf erledigen. Ich kann das aber auch übernehmen, wenn du knapp bist. Du weißt, dass du mich nicht aushalten musst, oder?"
„Ach was... aushalten..." Max sieht auf, er lächelt bitter. „Weißt du... Ich hab mir immer vorgestellt, dass ich irgendwann einen bezaubernden Mann finde und ich ihm die Möglichkeit bieten kann, zu Hause zu bleiben kann. Er soll die Freiheit haben, sich seinen Hobbys zu widmen. Und später, wenn wir dann Kinder haben, dann übernimmt er auch das. Ich dachte immer, dass ich der Mann bin, der das Geld nach Hause bringt. Der seinen Ehemann mit kleinen Geschenken verwöhnen kann, der nach Hause kommt und sich in den Armen seiner Familie von einem harten Arbeitstag entspannen kann."

Max stützt seinen Kopf an seiner Handfläche ab. Sein Arm ist auf die Tischplatte gestützt. Er sieht mich an, lächelt dabei wieder so bitter wie eben.

„Den bezaubernden Mann habe ich jetzt, nur bin ich ums Verrecken nicht in der Lage, ihn zu ernähren und ihm die Möglichkeit zu geben, sorglos zu tun und zu lassen, was er möchte."
Ich nicke, greife dann nach meinem Glas Orangensaft und nehme einen Schluck davon. Als ich das Glas abgesetzt habe, antworte ich ihm: „Also willst du mich also doch aushalten."
„Es ist vielleicht altmodisch und vielleicht brauche ich es auch für mein Ego, aber ich liebe es, mich um dich zu kümmern, Sebastian. Das hat nichts mit aushalten zu tun."
Ich zucke mit den Schultern. „Naja... einkaufen sollten wir trotzdem", erinnere ich ihn an unser eigentliches Problem. „Wir brauchen alles. Angefangen von Putzmittel und Toilettenpapier bis hin zu Salz und Öl."
„Mhm... Egal wie viele Vorräte man aufstockt, sie sind trotzdem schneller verbraucht als eingekauft", stimmt Max mir zu. Er tippt auf seinem Smartphone herum.
„Du bist heute echt mies drauf, Max."
„Naja, ich hätte viel zu tun gehabt", antwortet er mir. „Unkraut jäten, die Dachrinne säubern, Rasenmähen..."
„Ist im Regen doof, aber das ist gut für mich, weil wir jetzt einkaufen gehen können."

Ich trinke mein Glas leer und stelle es in den Geschirrspüler, nachdem ich es kurz abgespült habe. Meine Katze schmiegt sich an meine Beine, sie schnurrt genüsslich, ehe sie sich schon wieder auf den Weg ins Wohnzimmer macht. Als ich ihr nachsehe, kann ich noch einen kurzen Blick darauf werfen, wie sie auf ihren Kratzbaum springt. Sie versteckt sich bestimmt in der kleinen Höhle, die Max für sie gebaut hat.

„Hm?", erklingt Max überrascht. „Was... Das kann nur irgendein Fehler sein."
„Was ist denn?"
Max sieht mich ungläubig an. „Das ist total seltsam."
„Was denn?", frage ich, obwohl ich haargenau weiß, was er meint.
„Hast du deine Finger im Spiel? Dein Dad hat mir 50.000 überwiesen. Mit dem Verwendungszweck Zuschuss für deine eigene Werkstatt. Sebastian, ich finde das nicht lustig. Ich habe dir schon oft gesagt, dass ich keine Almosen möchte. Dein Dad bekommt sein Geld wieder zurück."

Anstatt sich zu freuen, reagiert Max beinahe, als wäre das Geld eine Beleidigung. Als würde es ihn kränken, dass Dad ihm helfen möchte. Als er sich mit gerunzelter Stirn seinem Display widmet, gehe ich dazwischen. Ich lege meine Hand auf sein Smartphone.

„Gib deine Hand weg."
„Max, hör mir mal zu. Wir haben Geldprobleme und Dad will helfen. Lass ihn helfen. Es ist ja nicht so, als hätte er dir eine Million überwiesen und wir jetzt in Saus und Braus leben. Er will lediglich helfen, damit wir deine Scheune bauen können." Mit meiner freien Hand hebe ich Max' Kinn an. „Du bist zwar ein großer, starker, unabhängiger Mann, aber wir brauchen das Geld."
Max zieht eine Schmolllippe. „Ich will deinem Dad nichts schuldig sein."
„Sieh es mal so: Du heuerst Mum für die Scheune an. Du bekommst zwar Familienrabatt, aber trotzdem musst du mindestens das Material bezahlen, das Geld fließt also wieder zurück in die Familie." Ich lasse Max los und deute auf den Plan auf dem Tisch, sein Blick folgt mir. „Sobald alles steht, richtest du dir mit dem restlichen Geld deine Werkstatt ein, die im Winter unser zweites Standbein sein wird. Du wolltest doch ein zweites Standbein. Eine eigene Werkstatt eröffnet uns viele Möglichkeiten."
„Das schon, aber..."
„Nichts aber, Max. Ich habe eine ganz tolle Idee für einen Nebenverdienst. Im Internet habe ich immer öfter gesehen, dass die Leute ganz verrückt auf Schmuck aus natürlichen Materialen sind. Wir haben die perfekten Voraussetzungen dafür, selbst Schmuck herzustellen. Überall liegt Material zum Arbeiten und das vollkommen kostenlos. Das könnte mein neues Hobby werden und wir könnten damit Geld machen."
Max lässt einen tiefen Seufzer los. Er lehnt sich in seinem Stuhl zurück. „Du stellst dir das alles so einfach vor, Sebastian. Nimm es mir nicht übel, mein Schatz, aber von der richtigen Welt hast du wenig bis gar keine Ahnung. Deine Eltern haben dich dein ganzes Leben behütet und beschützt und es war vollkommen egal, ob deine kleine Programmierersache dir Geld bringt oder nicht." Er nimmt meine Hand. „Sieh mich nicht so beleidigt an, ich will deinen Job nicht geringschätzen. Du bist unerfahren und das ist ja auch nichts Böses. Du musstest dich bis jetzt nicht um finanzielle Probleme sorgen. Du musstest nie darüber nachdenken, woher du dein Essen bekommst, weil es frei zur Verfügung stand."
Ich senke meinen Blick. „Du nimmst das Geld nicht an, richtig?"
„Es ist nicht so als hätte ich eine Wahl... Entweder ich nehme das Geld oder ich muss mich tatsächlich bei Joja bewerben. Ich brauche Geld, um die Fixkosten zu decken. Bis ich wieder etwas einnehme dauert es eine Weile. Meinen Lebenslauf habe ich schon verfasst. Wenn ich zwei oder drei Tage die Woche bei Joja arbeite, dann reicht das zumindest um über die Runden zu kommen. Wenn ich für den Bau meiner Werkstatt einen Kredit aufnehme, komme ich aus den Schulden wohlmöglich nie wieder raus. Ob ich überhaupt einen Kredit bekomme ist ja schon fraglich. Kein Einkommen, kein Kredit, also bleibt mir fast nur noch der Job bei Joja..."
„Bitte behalte das Geld, Max. Lass uns unsere Vorräte auffüllen und das Beste daraus machen. Dad investiert in uns und wir zeigen ihm, dass wir es schaffen, unser eigenes Geschäft aufzuziehen. Das könnte spannend werden."

Max schmunzelt. Er zieht mich an der Hand zu sich und verwickelt mich in einen tiefen Kuss. Um es bequemer zu haben, klettere ich auf seinen Schoß und lege meine Arme um ihn, dabei löse ich den Kuss keine Sekunde. Ich werde liebevoll gestreichelt. Die Nähe zueinander sorgt nicht nur dafür, dass ich mich besser fühle, ich habe auch das Gefühl, dass es Max gleich wieder viel besser geht. Doch alles Schöne hat einmal ein Ende...

Max lächelt mich an. Er streicht mir die Haare aus dem Gesicht und küsst meine Nase. „Na dann raus aus den Jogginghosen und schlüpf in deine feinste Löcherjeans. Wir leihen uns das Auto deiner Mum und plündern den nächsten Joja Markt."
„So gefällt mir das schon viel besser", antworte ich freudig.

[Stardew Valley] Mein großes Geheimnis. [Abgeschlossen!]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt