Die Familie

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"Hiyoko?", ruft Shota seine Tochter, die ohne zu zögern zu ihm rennt und am Ende ihr kleid glatt streicht. "Komm, gehen wir", spricht er mit ruhiger, betrübter Stimme zu ihr, worauf sie nur nickt und seine Hand hält. Auf dem Weg spricht keiner von ihnen ein Wort und Shota in seinem eleganten Anzug und zusammengebunden Haaren achtet gut darauf, dass seine Tochter an seiner Seite ist, jedoch bemerkt er zweifellos, wie Hiyoko leicht zittert, aber nicht wegen der Kühle im Schatten der Bäume, nein, sondern der bald stattfindenden Beerdigung ihrer Mutter. Auf dem Friedhof angekommen stehen bereits unzählige Trauergäste auf dem Platz, auch kleine Kinder sind anwesend und jeder der die beiden Ankömmlinge gesehen hat, ist sofort erstarrt vor Entsetzen.

Für gewöhnlich ist es üblich schwarz zu tragen, aber Hiyoko nicht und einige der hier Angehörigen beginnen gleich zu tuscheln, andere wiederum schnellen zu Shota vor und versuchen auf dezente Weise zu fragen, warum das Kind in einem hellblauen Kleid mit Sonnenhut zu einer Beerdigung kommt. Auch das er selbst eine gebastelte Papierblume an seinem Anzug trägt, was für gewöhnlich an Hochzeiten angemessen wäre, wird auf der Stelle infrage gestellt. Hiyoko selbst sieht, wie zwei Jungen, etwas älter als sie, auf sie zukommen und sie mit ihrem monotonen Gesichtsausdruck anschaut. Shota der inzwischen die nervigen Fragen und Vorwürfe locker abgewimmelt hat, sieht zu seiner Rechten auf Hiyoko, die die beiden Jungen mustert.

"Ho, was soll den der Aufzug? Warst wohl noch nie an ner Beerdigung, was? Tze! Wenn seine Mama dich so sehen würde, drehe die sich vor Scham im Grab! Oh Mann jeder hat zwar das Recht hässlich zu sein, aber deine Mutter hat die Grenze bei weitem überschritten! Wahrscheinlich hat sie Selbstmord begangen, weil ihr bewusst gewesen sein muss, dass sie eine reine Schande für ihr Familie war";"Du beschämst deine Mutter in dem Aufzug! Hast du denn gar keinen Respekt?/! Tja ihre Geburt ist mit Sicherheit keine Bereicherungfür diese Welt gewesen, sonst lebe sie noch!", werfen die beiden um sich mit einer herablassend Stimme und haben ein hämisches Grinsen auf den Lippen. Hiyokos Gesicht bleibt zwar grösstenteils monoton, aber ihre Augen ziehen sich zusammen, wie bei einem Raubtier, welches seine Beute fixiert hat, jedoch spürt sie den leichten Druck von der Hand ihres Vaters und glaubt, dass dies ein Zeichen sei sich zu mässigen. Aber Shotas eigentliches Verhalten dient eigentlich nur, dass er selbst nicht ausrastet, obwohl er ebenfalls sein übliches ernsthaftes Gesicht zeigt. Im selben Moment als Shota was sagen möchte, kommen sie jeweiligen Mütter dazu und geben je ihren Bälgern eins aufs Dach und entschuldigen sich inständig bei Aizawa. Als sich die Mütter auch bei Hiyoko entschuldigen wollen, ist diese bereits unauffindbar und dann geht die ne leichte Panik bei den Anwesenden durch, aber Shota grinst innerlich, da er weiss, wo sie hin ist.

Am Sarg, wo der Leichnam von Hiyokos Mutter liegt, mustert Hiyoko alles. Wie ein Tier, dass vorsichtig aus dem Versteck kommt, so geht sie selbst, mit ihrem Blick von oben bis unten, auch die Hände ganz sanft über den toten Körper. An der Stelle, wo einst das Herz schlug, ist ewige Stille, dies hindert Hiyoko nicht kurz auf den Sarg zu klettern, ihren Kopf auf das tote Herz, schliesst die Augen und verweilt kurz so. Als Schritte ertönen, erschreckt sie sich und klettert hastig auf den Boden runter, bis sie allerdings merkt, dass die Schritte sich entfernen. "Mama, ich habe das Kleid, das du mir geschenkt hast, an. Ich weiss man trägt für gewöhnlich schwarze Kleidung, aber ich wollte es nur dir zu Ehren tragen. Bitte, sei mir nicht böse. Jetzt wo du von uns gehen wirst, lass uns bitte noch einmal singen, ja?...Du siehst so wunderschön aus in deinem Kleid...Ich hab dich lieb Mama", diese Worte flüstert sie so leise, dass es kein Echo im Raum gibt und gibt ihrer Mutter ein Kuss auf die Stirn, so wie sie es von ihr gekannt hatte. Mit ihrer zarten kleinen Hand ergreift Hiyoko den kleinen Finger an der linken Hand als ob sie sich was versprechen würden und singt das eine Schlaflied und summt Lieder, die sie von ihr gehört hat.

Shota ist unbemerkt in der Tür stehen geblieben, sieht zu seinen beiden Mädels und lächelt sanft. Geduldig wartet Shota bis seine Tochter fertig gesungen hat, gesellt sich zu ihr: "Das war sehr schön meine kleine. Ihr hätte es bestimmt gefallen, aber nun müssen wir uns von ihr verabschieden". Zum Abschluss gibt er seiner verstorbenen Frau einen Kuss auf den Mund und geht rein zur Zeremonie. Die Zeremonie ist sehr ruhig und viel Geheule, selbst Shota vergisst ein paar Tränen, nur Hiyoko nicht.

Nach der Beerdigung gehen Hiyoko und Shota nach Hause, auch auf dem Nachhauseweg spricht auch hier niemand ein Wort. Zuhause sind beide mit den Nerven am Ende un Hiyoko, zieht sich um und verträumt ihr Kleid sorgfältig, und zwar für immer. Während Shota in der Küche etwas zum Abendessen kocht, hört er plötzlich ein leises Wimmern. Sofort rennt er in Hiyokos Zimmer, wo er sie bereits weinend vor dem Kleiderschrank stehen sieht. "D-d-das w-w-wars M-m-ma-Mama ist fort f-fü-für immer...", kommt es brüchig aus ihr und versucht vergeblich ihre Tränen zu unterdrücken, wobei diese bereits unaufhaltsam runterkullern. Shota kniet zu ihr nieder, dreht sie zu sich, wobei sie jeglichen Augenkontakt vermeidet und nimmt sie wortlos fest in die Arme. "Du hast deine Trauer die ganze Zeit über gut versteckt, aber nun lass es raus, nein es muss raus!", flüstert ihr Vater zu und sie krallt sich an sein Shirt und lässt allen Frust in einem Schrei und laufenden Tränen raus.

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