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Alec:

Das Essen hatte gut angefangen, jeder hatte etwas bekommen, Mum hatte sich nebenbei darum gekümmert, dass auch Amy ihre Babynudeln aß, alles war gut gewesen.

Dad hatte Dave natürlich ausfragen müssen, aber so richtig provokant, dass ich mich ein paar Mal richtig hatte zurückhalten müssen.

Dave hatte es jedes Mal bemerkt und unter dem Tisch beruhigend seine Hand auf meinen Oberschenkel gelegt.

„Na schön", meinte Dad, nachdem Dae sich erfolgreich dafür verteidigt hatte, dass er noch keinen Job gefunden hatte.

„Vielleicht möchtest du uns dann mal von der ganzen Sache erzählen, wie es denn überhaupt zu Amys Zeugung gekommen ist..."

Dave sah Dad überrascht an. „Alecs Existenz müsste eigentlich beweisen, dass sie wissen, wie das funktioniert. Also erstmal wärmt man sich ein bisschen auf, durch rummachen und so..."

„Das meinte ich nicht!", unterbrach mein Dad ihn empört.

Ich blickte schmunzelnd auf meinen Teller, damit keiner sah, wie belustigt ich war.

„Oh, dann war das wohl ein Missverständnis. Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, dass sie von mir verlangen, ihnen einfach so von Dingen zu erzählen, die bisher nicht mal meine Therapeutin aus mir rausbekommen hat."

Dave sprach zwar in seiner netten Stimme, aber ich sah ihm an, dass er sich jetzt, bei genau diesem Thema so angegriffen fühlte wie bei keinem zuvor. Außerdem krallten sich seine Finger leicht in meinen Oberschenkel, als müsse er sich so festhalten, um nicht aufzuspringen.

Ohne wirklich nachzudenken schob ich meine Hand unter seine, sodass sich unsere Finger verschränkten.

Als das passierte, schloss Dave für einen Moment die Augen und atmete tief durch.

„Ich verstehe, dass sie das wissen wollen, wirklich, und obwohl ich mit allem, was meinen Entzug angeht, sehr offen bin, gibt es auch Sachen, über die ich nicht sprechen will oder kann. Was damals passiert ist, hat nichts mit meinen jetzigen Qualitäten als Vater zu tun, also halte ich es nicht für nötig, ihnen davon zu erzählen"

Ich drückte seine Hand leicht, um ihm zu versichern, dass ich da vollkommen hinter ihm stand.

Mein Dad war nicht Gott. Er musste nicht alles wissen.

Dave erwiderte das durch das Streichen seines Daumens über meinen, um zu signalisieren, dass er verstanden hatte.

„Wenn ich ehrlich bin, halte ich jede Einzelheit für wichtig. Es geht hier immerhin um ein auf Hilfe angewiesenes Kleinkind. Du bist noch sehr jung und..."

„Dad, bitte, ich wurde geboren als du 20 warst. Du bist nicht das Jugendamt, Dave jetzt so auszuhorchen. Er muss vor dir keine Prüfung ablegen geschweige denn sie bestehen. Er ist wegen seiner Tochter hier und nicht deinetwegen"

Das hatte ich einfach nicht mehr zurückhalten können, aber jetzt, nachdem mein Dad mich mit seinem Todesblick ansah, wäre es mir lieber, ich hätte die Klappe gehalten.

Vor allem das seine Tochter schien meinen Dad provoziert zu haben.

Bevor es zwischen uns noch weiter eskalieren konnte, erklang Amys Weinen, nachdem sie jetzt schon eine Weile nur noch gequengelt hatte.

„Ja, mein Schatz, ich weiß, dass du müde bist...", meinte Mum liebevoll und tupfte ihr den Mund ab, um sie schließlich auf den Schoß zu nehmen. „Ich denke, ich lege sie heute etwas früher zu ihrem Mittagsschlaf hin, entschuldigt uns"

Dave schaute seiner Kleinen ganz verloren hinterher, als Mum mit ihr den Raum verließ.

„Das mit den Schlafstörungen ist unteranderem eine Folge ihrer Umstände bei der Schwangerschaft und Geburt", meinte Dad.

„Und sie bekommt ihre letzten Zähne. Das ist total normal", beruhigte ich Dave.

Er nickte verstehend, sah aber ein bisschen betrübt aus, weil wir sie von oben noch schreien hörten.

„Darf ich was probieren, um sie zu beruhigen?" Dave schaute mich bittend an, wusste, dass er von meinem Dad ein Nein zu hören bekommen würde.

Ich aber stand auf und zog ihn mit hoch. Dabei dachte ich keine Sekunde daran, dass Dad dadurch gesehen haben musste, dass Dave und ich Händchen gehalten hatten.

Ich klopfe leise an die offene Zimmertür zu Amys Kinderzimmer, wo Mum vor dem Bettchen stand und versuchte, Amy zu beruhigen.

„Darf ich..." Dave musste gar nicht zu Ende sprechen, da ich die weinende Amy schon aus ihrem Bettchen gehoben hatte und sie ihm in die Hand drückte.

Er wirkte zunächst mehr als überfordert, bis er sie in einer guten Position hatte, um sie zu halten.

Dann begann er in einem Rhythmus mit den Fingern auf ihren Rücken zu klopfen, wiegte sich leicht hin und her und begann zu singen.

Mum warf mir einen überraschten Blick zu und ich musste etwas grinsen.

Seine Stimme war einfach traumhaft. Beim Singen etwas höher als beim Sprechen, weich, sanft, aber bei manchen Tönen nahm sie einen rauen Ton an, sodass man sofort wusste, Dave war mit einer Rose zu vergleichen. Auf den ersten Blick wunderschön, die Blüten weich und seidig, doch sie hatte immer noch Dornen, vor denen man sich besser in Acht nehmen sollte.

Schon nach den ersten drei Versen war Amy etwas ruhiger geworden, und je länger das Lied ging, desto leiser wurde ihr Weinen. Schniefend legte sie die Wange auf seiner Schulter ab, rieb sich müde über die Augen und nuckelte friedlich an ihrem Schnuller herum, während ihre Augen immer wieder zufielen und sich wieder öffneten.

Der Anblick war einfach nur noch süß, wie Dave seinen Kopf an den seiner Tochter lehnte, regelmäßig auf ihren Rücken klopfte, dabei aber immer sanfter wurde, sowie seien Stimme leiser.

Er ging zum Bett, als sie ihre Augen schon ein paar Minuten nicht mehr öffnete, legte sie vorsichtig ab ließ aber die Hand in ihrer Wange und strich noch etwas darüber, während er leise weitersang.

Mum verließ lächelnd den Raum, ich sah, wie sie Dad, der im Türrahmen stand, mit rauszog und mir dabei zuzwinkerte, was mich lächeln ließ.

Irgendwann stellte Dave das Singen ein, blieb aber weiterhin bei seinem Mädchen und sah ihr beim Schlafen zu.

Ich näherte mich ihm an und erkannte eine feuchte Spur auf seiner Wange.

„Wieso weinst du?", flüsterte ich, strich dabei besorgt über seinen Rücken.

Er richtete sich auf, schniefte und strich sich die Tränen weg. „Ich kann nicht glauben, dass es eine Sache gibt, die ich in meinem Leben nicht komplett verbockt habe..."

„Hei..." ich zog ihn in eine Umarmung, obwohl er gar nicht wirklich richtig weinte.

Trotzdem, ich wollte ihn jetzt einfach umarmen. Und er schien es zu brauchen, denn er erwiderte es sofort und drückte sich fest an mich.

„Danke", meinte er dabei leise.

Ich wusste nicht, wofür er sich denn bitte bedanken wollte, immerhin hatte ich ja nichts Besonderes getan, aber statt nachzufragen, hielt ich wie so oft einfach lieber den Mund und genoss es einfach, ihn im Arm zu halten.

Mir war dabei gar nicht so bewusst, dass das unsere erste richtige Umarmung war. Und dass es bei weitem nicht die letzte sein würde.


Das Herz Der Dunkelheit (Manxman)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt