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Alec:

„Ich hab dir echt viel zu sagen", meinte Dave seufzend. „Ich weiß auch gar nicht, womit ich anfangen soll. Ich denke, was dich am meisten interessiert, könnte vielleicht das sein, was mit Amy zu tun hat... Ich meine, wie das alles dazu gekommen ist und so. Ich weiß, zu deinem Dad hab ich gesagt, dass ich darüber nicht reden will... Es ist nicht so, dass ich das Thema allgemein vermeide, sondern einfach in Gegenwart von bestimmten Personen. Ich bin nicht dumm... Ich merke, dass dein Dad nach Gründen sucht, mich schlecht zu machen. Dann werde ich sie ihm sicherlich nicht auf dem Silbertablett servieren"

Ich nickte zustimmend. „Nimm das aber bitte nicht persönlich, er ist immer so. Er will immer was gegen alle in der Hand haben und die machtvollere Person in jeder Situation sein... Ich denke, das kommt mit seinem Beruf einher..."

Dave schaute mich vielsagend an.

Zu dem Thema Beruf: Anwalt musste er gar nicht mehr viel sagen, wir wussten beide wie wir dazu standen.

„Wie viel weißt du denn über meine Situation früher?", hakte Dave vorsichtig nach.

Ich ging alle Erinnerungen durch, in denen Noah mir von Dave erzählt hatte, stellte fest, dass es nicht viele waren, und konnte sie somit zusammenfassen. „Also, dass du dein Tanzstudium abbrechen musstest wegen deinem Knie und dass du mit Heather zusammen warst und sie mit ihrer Besten Freunden betrogen hast und sie dabei geschwängert hast. An mehr erinnere ich mich nicht"

Dave nickte verstehend. „Ja, also das stimmt schon mal. Es hat halt alles so mit dem Unfall angefangen und den Schmermitteln, die ich da bekommen habe... Ich hab immer viel mehr genommen als ich eigentlich gebraucht hätte, damit ich halt weitertanzen kann, aber das hat die Verletzung natürlich nicht geheilt und dadurch hab ich so ziemlich alles kaputt gemacht, was da kaputt gehen kann... Dann hab ich angefangen die Schmerzmittel mit Alkohol zu mischen, ich hab gekifft und bin einfach immer wieder in diese Kreise abgerutscht. Ich habe geschnupft, Pillen genommen und geraucht. Ich denke, aus alle dem hätte ich es vielleicht noch rausgeschafft, wenn ich einen kleinen Anreiz gehabt hätte, aufzuhören... Aber mit der ersten Heroinspritze hab ich mein Urteil unterschrieben."

Er seufzte und fuhr sich einmal durch die Haare, die er in einem unordentlichen Dutt hinten zusammengebunden hatte.

„Weißt du, man unterschätzt das alles. Man denkt, ja gut eine geht noch und dann höre ich auf." Er lachte leicht und schüttelte dabei den Kopf. „Wenn es so einfach wäre, würde man es nicht als Sucht bezeichnen. Ich weiß, dass es meine Verantwortung ist, was da mit mir passiert ist und dass ich bei jeder Spritze die Entscheidung selbst getroffen habe, sie zu nehmen, aber in dem Moment kam es mir immer so richtig vor. Jedes Mal dachte ich, Noah wird es verstehen. Er weiß ja, dass es mir schlecht geht. Es ist ja nur eine einmalige Sache..."

Es berührte, mich, was er erzählte und natürlich bemerkte ich, wie aufgewühlt er wurde, aber trotzdem blieb ich einfach sitzen und hörte zu, da ich das Gefühl hatte, genau das war es, was er jetzt brauchte.

„Naja, das ist so die Kurzfassung wie es zu meiner Abhängigkeit kam. Ich will das jetzt nicht als Ausrede benutzen für alles, was ich getan hab, als ich high war, ich will einfach... Keine Ahnung. Du sollst verstehen, dass ich viel von dem, was ich das getan habe, niemals gemacht hätte, wenn ich bei klarem Verstand gewesen wäre. Heather zu betrügen... So dumm das jetzt klingt, aber damals hat sich das so richtig angefühlt. Ich habe nach dem Tod meiner Mum viel mit Heather gestritten. Meistens ging es um Noah. Ich wollte nicht, dass er geht und bei Brian lebt. Heather hatte recht damit, dass es das Beste für ihn war, aber ich hab das nicht eingesehen, es hat sich so angefühlt, als würde ich ihn auch noch verlieren... Tamara war auch sehr gut mit mir befreundet und sie war irgendwie immer meiner Meinung. Ich wusste, dass sie mal in mich verliebt war, aber ich hatte keine Ahnung, dass sie das zu dem Zeitpunkt immer noch war. Als wir mal alleine waren, weil Heather meine Launen nicht mehr ausgehalten hat, hab ich Tamara das erste Tütchen angeboten. Es..."

Er schnaubte leicht. „Ich dachte damals, das sei richtig sozial von mir, mit meinen Freunden zu teilen... Ich hab sie dadurch mit mir in die Abhängigkeit gezogen. Sie wollte immer mehr und mehr, wir haben angefangen, zusammen zu spritzen und natürlich kam es auch so dazu, dass wir öfter miteinander geschlafen haben... Zu verhüten war dabei das letzte, woran wir gedacht haben. Es weiß eigentlich keiner, dass wir fast vier Monate lang eine Affäre hatten, alle denken, es war eine einmalige Sache. Naja, jedenfalls hat Tamara mir irgendwann gesteckt, dass sie schwanger ist... Was denkst du macht ein Junkie da?"

Dave schaute mich an, aber er erwartete keine Antwort. „Ich hab sie als Hure beschimpft und gesagt, dass sie sich verpissen soll, bevor ich das Kind aus ihr rausprügle... Am selben Tag hat Heather mit mir Schluss gemacht, weil Tam ihr gesteckt hat, dass wir was zusammen hatten. Tam ist abgehauen und ich war das Arschloch, das sie abhängig gemacht, ausgenutzt und verscheucht hat... Das war ich ja auch. Aber damals dachte ich im Recht zu sein. Ich weiß, wie das jetzt klingt... ich bin da auch echt alles andere als stolz darauf. Ich weiß, dass Tamaras Abhängigkeit und ihr Tod meine Schuld sind. Aber ich weiß auch, dass ich zu dem Zeitpunkt nicht ich selbst war und... das klingt für sich jetzt vielleicht wie ein billiger Versuch, mich zu rechtfertigen und vielleicht ist es das auch, aber ich selbst hätte niemals so reagiert. Ich hätte Heather niemals betrogen... und eine Frau geschlagen hätte ich auch niemals, schon gar keine schwangere... bis zum Krankenhaus hab ich dann nichts mehr von Tam gehört... und naja den Rest, was Amy betrifft, hast du ja selbst mitbekommen. Ich kann dir auch gar nicht sagen, ob das alles ist, was passiert ist. Ich hab ein paar krasse Erinnerungslücken an die Zeit, aber das ist so das, was ich in der Therapie zusammengebastelt habe..."

Dave war meinem Blick die meiste Zeit der Erzählung über ausgewichen, aber nun schaute er mich wieder an.

Ich erkannte genau, wie sehr ihn das alles mitnahm, wie er sich für ein Verhalten früher schämte und die Situation allgemein, wie sehr er es rückgängig machen wollte. Obwohl das echt viel auf einmal gewesen war, blieb ich weiter sitzen und hörte zu.

„... ich habe dir eigentlich noch viel mehr unschöne Sachen zu erzählen... Aber ich denke das war jetzt schon ziemlich viel für dich... Ich kann verstehen, wenn du jetzt Abstand willst und... allgemein nichts mehr mit mir zu tun haben... Ich fand die Vorstellung einfach nur falsch, dir Dinge aus meiner Vergangenheit zu verschweigen, von denen ich denke, dass sie mich maßgeblich geprägt haben... Was du daraus machst, ist aber natürlich deine Sache. Egal, wie du darauf reagierst, ich verstehe das, wirklich"

Ihm weiterhin stur in die Augen sehend stand ich auf.

„Steh auf!", forderte ich ebenfalls von ihm.

Er biss ich nervös auf die Unterlippe, schluckte, aber tat es.

Angespannt verfolgte er meine Bewegungen, als ich um den Tisch herum auf ihn zukam.

Ich bemerkte, dass er den Atem anhielt, solange, bis ich meine Arme um ihn legte und er ihn gepresst wieder ausstieß.

Er erwiderte die Umarmung vorsichtig, auch etwas ungläubig.

„Das einzige, was das zwischen uns ändert, ist, dass ich dir umso mehr vertraue, weil du mir das erzählt hast, Dave. Danke"

Er atmete nochmal deutlich hörbar aus, ich konnte quasi riechen, wie erleichtert er war. „Nein, ich danke dir. Es gibt niemanden außerhalb der Therapie, dem ich so vertrauen würde. Nicht mal Noah"

Leicht begann ich zu lächeln und schloss meine Arme fester um ihn.

Ich fand nichts, was ich darauf erwidern konnte, aber ich wusste, das musste ich auch gar nicht.

Aufgrund dessen, was er mir erzählt hatte, sah ich ihn nicht als anderen Menschen oder so. Mir wurde nur umso bewusster, was er alles hatte durchmachen müssen und ich bewunderte ihn umso mehr für die Person, als die er nun vor mir stand.


Das Herz Der Dunkelheit (Manxman)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt