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Jake:

Nach meinem Spaziergang habe ich schon ein bisschen Bammel, dass Ken und Isak mich nicht mehr reinlassen. Ken würde ich es auch zutrauen, dass er mich einfach vor der Tür vergammeln lässt, aber Isak nicht.

Innerlich seufze ich auf.

Isak ist echt ein toller Kerl. Ein bisschen alt vielleicht, aber solange er Ken guttut, fällt mir nichts ein, was dagegen spricht.

Ich denke, hätte Matt mir dieses Video nicht zukommen lassen, wäre ich niemals hier aufgetaucht, aber schon als ich ihn zu Anfang des Videos erkannt habe, musste ich feststellen, wie sehr ich Ken vermisst habe.

Ich glaube, ich liebe ihn immer noch. Aber ich bin selbst schuld, immerhin habe ich nicht sehr Gentlemanlike mit ihm Schluss gemacht und eine richtige Begründung hatte ich dafür auch nicht. Ich war so an ihn gewöhnt, dass ich gar nicht mehr wusste, wie farblos mein Leben ohne ihn ist, habe es als selbstverständlich angesehen, aber das war es nun mal nicht.

Ich habe nicht vor, mich zwischen ihn und Isak zu drängen, ich will ihnen nur das Beste. Aber trotzdem mag ich noch ein bisschen hierbleiben. Weg von meiner Arbeit, weg von meinen Freunden, und vor allem weg von meiner Mutter. Seit ich in meinem Beruf ganz gut verdiene, kommt sie wöchentlich bei mir angekrochen und manipuliert mich, sodass sie schließlich fast so viel Geld von mir bekommt wie ich Steuern zahlen muss. Wenn es dann deshalb bei mir nicht mehr reicht und ich sie um Geld bitte, beschwert sie sich, wie unverschämt ich doch sei und dass sie mir 18 Jahre lang ihr Geld überlassen hätte und das reichen müsste. Sie habe ihre Verpflichtung erfüllt.

Manchmal glaube ich, sie sieht in mir nur eine Geldanlage. Ist wahrscheinlich auch so. Hätte ich einen Vater, würde ich mich sicherlich an ihn wenden, aber leider habe ich diesen nicht. Ich bin die Produktion eines schlechten One-Night-Stands - die Worte meiner Mutter, nicht meine - und einen wirklich festen Freund hatte Mum eigentlich nie.

Sie denkt, es hält sie jung, wenn sie sich durch die Gegend hu... schläft, dabei machen sich schon alle hinter ihrem Rücken über sie lustig. Aber ihr das beizubringen, ist wie mit einer Feder einen Stein zerschlagen zu wollen. Es funktioniert einfach nicht.

Als ich schließlich vor der Wohnungstür stehe und Ken mich reinlässt, bin ich ziemlich erleichtert. Er wirkt zwar nicht erfreut dabei, aber das ist nun mal so, wenn man in der Zweisamkeit mit seinem Lover gestört wird.

Anscheinend haben die beiden ihre Zeit aber nicht sehr sinnvoll genutzt, denn Isak sitzt am Esstisch und brütet über ein paar Unterlagen, während Ken auf dem Sofa liegt und ein Buch liest und sich in seinen Ohren Kopfhörer befinden.

Möglichst unauffällig lege ich mich zu ihm und luge in das Buch hinein. Bis ich etwas davon lesen kann, liegt mein Kopf auf seiner Schulter, aber dann klappt es ganz gut.

Ken mustert mich missbilligend, ich lächele ihn engelsgleich an. Er schüttelt nur mit dem Kopf, erlaubt es mir aber, meinen Kopf dort liegen zu lassen und liest weiter.

Schon ziemlich schnell merke ich, dass der Roman nicht gerade anspruchslos ist und steige nach zwei Seiten aus. Zum einen, weil er schon knapp vor Ende ist und ich die Zusammenhänge gar nicht verstehe, zum anderen, weil mir die Sprache zu hoch ist und des Weiteren, weil er so schnell liest und ich deshalb nicht mal mithalten könnte, wenn ich wollte. Ich tue aber trotzdem so, als würde ich noch mitlesen, kuschele mich stattdessen jedoch an ihn.

Er ist ein richtiger Mann geworden in den letzten fast 5 Jahren. Er ist groß geworden, seine Stimme tiefer und allgemein wirkt er reifer. Vielleicht hat aber nicht nur die Zeit das aus ihm gemacht, sondern auch seine Erlebnisse. Was Matt mit ihm gemacht hat, ist nicht ganz ohne. Ich bin einfach sehr froh für Ken, dass er Isak hat. Sie kleben zwar nicht aneinander wie Kaugummis, aber ich glaube dennoch, dass sie sich sehr gerne haben und füreinander viel tun würden.

Irgendwann richtet Ken sich etwas auf, sodass er nicht mehr auf dem Sofa liegt, sondern sitzt und mein Kopf auf seinem Oberschenkel zu liegen kommt. Er nimmt das gar nicht richtig zur Kenntnis, so vertieft wie er in seine Lektüre ist, legt seinen Arm auf meiner Brust ab und liest weiter. Ich krame mein Handy heraus und stöbere ein bisschen durch die Sozialen Netzwerke. Das Bild von Ken und mir, das ich vorgestern geschossen habe, hat fast doppelt so viele Likes wie meine sonstigen Bilder. Die Kommentare rasten auch total aus mit Fragen, ob wir wieder zusammen sind - von Leuten, die uns kennen- oder, wer denn der hübsche Kerl ist, der mich so genervt anschaut, während ich breit grinsend und mit Zunge raus posiere.

Meine Mutter hat mich auch schon gefühlte Tausend mal angerufen. Zum Glück habe ich sie stumm geschaltet und auf WhatsApp blockiert, sonst würde sie mir jetzt nur alles vermiesen.

Als teile ich durch diesen Gedanken dem Teufel persönlich mit, wie er mich am besten foltern kann, klingelt es an der Tür.

Ken schaut überprüfend zu Isak, aber der rührt sich nicht, erwartet also, dass einer von uns aufmacht. Er verdreht die Augen, schiebt mich weg und geht zur Tür.

Nicht lange danach ertönt ihre Stimme und ich weiß jetzt schon, dass es jetzt mächtig Drama geben wird. Was aber wirklich auf mich zukommt, hätte keiner ahnen können.


Das Herz Der Dunkelheit (Manxman)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt