53

2K 172 40
                                    

Alec:

Erst, als ich wie ein begossener Pudel ins Wohnzimmer dackelte, fiel mir auf, wie ruhig meine Eltern geworden waren.

Beide schauten mich so seltsam an, als ich mich einfach aufs Sofa fallen ließ und verzweifelt in eines der Kissen brüllte.

„Alec, Liebling" Das Sofa gab neben mir leicht nach, eine zarte Hand legte sich auf meinen Rücken und Mum strich darüber.

„Wieso mache ich immer alles falsch, Mum?", jammerte ich leidend und umarmte sie.

„Du machst nicht alles falsch, du lernst, wie du es richtig machen kannst, mein Schatz." Die streichelte über meinen Hinterkopf und hielt mich tröstend fest. „Das wird schon wieder. Dein Dave liebt dich, das hast du ja selbst gehört..."

„Sagen kann man viel", schnaubte Dad, der neben dem Sofa stand.

Ich löste mich von Mum, um ihn anzusehen. „Was kommt jetzt? Ein Ich hab's dir doch gesagt? Oder willst du noch weiter auf mir rumtrampeln. Ich bin eh schon fertig für heute, also muss ich dich leider enttäuschen, mehr geht grade nicht mehr"

„Was hältst du eigentlich von mir?" Dad schüttelte den Kopf, ungläubig, verletzt, aber auch gereizt.

„Er liegt schon nicht ganz falsch", gab Mum im kalten Ton von sich. „Du gehst jetzt am besten Arbeiten. Zum Mittagessen kannst du in die Stadt gehen oder du lässt es ausfallen, deine Entscheidung."

„Lydia...", versuchte Dad es, aber Mum brachte ihn durch einen einzigen Blick zum Schweigen.

Er seufzte. „Na schön. Hoffentlich hast du dich bis heute Abend wieder beruhigt, ich schlafe nämlich sicherlich nicht schon wieder auf dem Sofa..."

„Das sehen wir dann", schnaubte Mum nur und beachtete ihn schließlich nicht weiter.

Er ging, auch ohne noch etwas zu sagen und knallte dabei mal wieder übelst taltentiert die Tür zu, sodass Amy in ihrer Spielecke leicht zuckte, dann aber weiterspielte.

„Was ist schon wieder los bei euch?", fragte ich Mum besorgt.

Sie schnaubte. „Du bist jetzt alt genug, damit ich dir das sagen kann, Alec. Dein Vater ist ein Arschloch"

Irgendwie brachte mich das trotz allem zum Lachen. „Ich weiß... Ist schwer zu übersehen"

Sie nickte, seufzte und kuschelte sich dann an meinen Arm. „Ich liebe ihn ja eigentlich dafür, dass er eben diese Seiten hat, aber sie für bestimmte Menschen ablegen kann. Er kann auch sehr liebevoll sein, Alec, aufmerksam und aufrichtig, aber eben nicht immer..."

„Er hat dich aber nicht betrogen oder?" Man hörte in meiner Stimme, was mit Dad passieren würde, wenn Mum jetzt mir ja antwortete. Aber das tat sie nicht, zum Glück für seine Genitalien und die Zukunft meiner ungeborenen Geschwisterchen.

„Er hat mir etwas verheimlicht, eigentlich keine große Sache, aber die Tatsache, dass er es mir verheimlicht hat, beweist, dass es eben doch eine große Sache ist, zumindest für ihn. Als ich ihn darauf angesprochen habe, hat er es abgestritten und mir somit auch noch ins Gesicht gelogen und als ich ihm gesagt habe, dass ich die Wahrheit kenne, hat er mir die Schuld zugeschoben, so als würde ich jedes Mal total abdrehen, wenn er irgendetwas tut, das nicht meinen Vorstellungen entspricht. Weißt du, einerseits verstehe ich ihn, aber andererseits will ich ihn einfach nur schlagen"

„Willst du mir sagen, worum genau es geht?", hakte ich vorsichtig nach, da ich ihr so nicht helfen konnte.

Sie schüttelte den Kopf.

„Na gut", seufzte ich. „Weißt du, wenn er immer Sachen hinter deinem Rücken tut, die dich verletzten, wenn du es herausfindest, solltest du vielleicht dasselbe bei ihm machen. Ich weiß, du bist nicht so wie er, aber, wenn er mal checkt, wie andere sich unter seinem Verhalten fühlen, hört er vielleicht damit auf"

„Das klingt kindisch, Alec", seufzte Mum. „Aber weißt du was? Du hast recht. Ich mache das..."

Sie richtete sich wieder auf und machte sich ihre langen blonden Haare zu einem unordentlichen Zopf.

„So und bevor ich das tue, erzählst du mir, was mit Dave und dir los ist. Er hat sich sehr sauer angehört"

Ganz kurz hatte ich das Thema vergessen können, aber jetzt war der Moment leider schon wieder vorbei und das Gewicht legte sich auf mein Herz zurück.

„Ich mische mich angeblich zu viel in seine Angelegenheiten ein... Zum Beispiel als wir unterwegs waren, hab ich seine Medikamente aus der Apotheke abgeholt und mit Noah über seinen Gesundheitszustand geredet, ohne, dass er es wusste, aber er hat es halt dann doch rausgefunden und war ziemlich sauer... Und gestern ist er ja hier eingeschlafen, aber eigentlich muss er zu bestimmten Zeiten in seiner WG sein, aber ich habe seinen Betreuer angerufen und zur Sau gemacht, auch hinter Daves Rücken... Aber ich hab's ja nicht böse gemeint..."

„Alec", unterbrach Mum mich, legte ihre Hand auf mein Knie. „Hast du mir eben eigentlich zugehört?"

Ich schluckte und nickte, aber verstand nicht, worauf sie hinaus wollte.

„Du benimmst dich wie dein Vater"

Als sie das sagte und mir dabei auch doch mit einem leicht enttäuschten Blick in die Augen sah, blieb mein Herz für einen Moment stehen.

„A-Aber... Ich will ihm doch nur eine Stütze sein..." Tränen bildeten sich in meinen Augen.

Es war schrecklich, wie sehr es mich verzweifeln ließ, dass ich meinem Dad wohl nicht nur optisch ziemlich ähnlich war. Ich wollte nie so sein wie er, ich wollte immer das Gegenteil davon sein, aber anscheinend klappte das nicht so recht...

„Ich weiß, Schatz", hauchte Mum und rutschte wieder an mich heran, um mir eine Träne wegzustreichen, die sich gelöst hatte. „Aber dann sei ihm eine Stütze und trag ihn nicht gegen seinen Willen über den kompletten Weg. Auf kurz oder lang brichst du darunter zusammen und das muss wirklich nicht sein, denn das ist eine Last, die du dir selbst auferlegst. Sei sein Freund und nicht sein Betreuer oder Vormund. Natürlich gehört es da auch dazu, ihm beizustehen und zu helfen, aber Dave hat recht. Es gibt eine Grenze..."

„Ich bin ein scheiß Freund" Verzweifelt vergrub ich das Gesicht in meinen Handflächen.

„Nein, Schatz, du bist ein guter Freund, aber du bist auch noch sehr jung und unerfahren und musst das eben alles noch lernen. Das ist nicht das Ende eurer Beziehung, Liebling. Du musst nur daraus lernen und es nächstes Mal besser machen. Täte dein Vater das, müsste er jeden Monat mindestens eine Nacht auf die Couch"

Über den letzten Satz schaffte ich es tatsächlich etwas zu schmunzeln und schaute Mum wieder an.

„Na komm, jetzt gehst du dich erstmal frisch machen, wir essen was zusammen und dann sieht die Welt schon viel besser aus" Meine Mum wuschelte mir über die zerzausten Haare und schaute mich auffordernd an.

„Danke Mum, du bist die beste" ich drückte sie nochmal.

„Frau tut, was Frau kann", lachte sie.

Was würde ich nur ohne sie machen? Ich glaube, ich wäre schon lange weggelaufen, schon in meiner frühen Jugendzeit. Aber obwohl... Der Mut dazu hätte mir wahrscheinlich gefehlt. Sowie er mir nun fehlte, auf Dave zuzugehen.

Sollte ich zu ihm fahren und sehen, wie sein Gespräch mit Tucker verlaufen war. Sollte ich ihn anrufen? Ihm schreiben?

Ich wusste es nicht, ich wollte nicht schon wieder das Falsche machen und seine Wut auf mich weiter schüren. Aber ich wollte auch nicht desinteressiert wirken. Daher schrieb ich ihm eine einzige simple Nachricht und hoffte, diese war genug.

„Können wir bitte reden, wenn du Zeit hast? Es tut mir leid."


Das Herz Der Dunkelheit (Manxman)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt