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Mein Rucksack, vollgepackt mit Produkten die ich eben gekauft hatte, zog stark an meinen Schultern und machte sie schwer wie Blei. Ich hatte schon lange nicht mehr so eine Last auf dem Rücken gehabt, aber ich bemerkte kaum was, weil ich die ganze Zeit an den Vorfall im Supermarkt denken musste. So viele Fragen waren in meinem Kopf aufgekommen, ich wollte sie am besten alle so schnell wie möglich beantwortet haben, sonst würde ich womöglich noch platzen. Was war in der Vergangenheit passiert, dass ich mich nicht mehr daran erinnern kann?

Ich kam zuhause an, und als ich die Wohnung betrat, stellte ich mit Überraschung fest, dass meine Mutter schon zuhause war. Sehr gut, ich würde sie gleich fragen.
"Hallo, mein Scha- wow, du warst einkaufen? Gut, dann muss ich ja nicht mehr gehen...lass mich dir helfen."
Ich hatte es nichtmal geschafft Hallo zu sagen, schon nahm sie mir den Rucksack von den Schultern und trug ihn in die Küche. Woher wusste sie überhaupt dass ich einkaufen war?
Ich folgte ihr und half ihr dann beim Auspacken. Ich platzierte alles nötige im Kühlschrank, setzte mich hin und sah meiner Mutter beim Aufräumen der Theke zu.
"Eomma?", sagte ich kleinlaut und schaute gleich danach auf den Boden. War es richtig, sie zu fragen? Anscheinend wusste sie ja von allem, aber erzählte mir nichts. Das musste doch einen Grund haben.
"Ja?", antwortete sie fröhlich, keine Ahnung von dem was als nächstes kommen würde.
"Heute im Supermarkt...ein Typ hat mich angesprochen. Der kam mir sehr bekannt vor...Ich hatte für einen Moment den Eindruck, ihn schon einmal gesehen, nein, gekannt zu haben."
Sie drehte sich um und sah mich fragend an. "Weiter?"
"Und er hat sich bei mir entschuldigt. Dafür dass er mich irgendwie schlecht behandelt hatte. Er hatte noch einen Freund bei sich, der Jinho heißt. Der hat ihm dann etwas zugeflüstert, und der Typ der mir bekannt vorkam hat dann gesagt, dass wenn ich immer noch von nichts weiß, ist es wahrscheinlich besser so."
Ich sah sie an, ihr Gesichtsausdruck hatte sich komplett verändert. Sie sah verzweifelt, panisch aus.
"Was meinte er damit? Woher kenne ich ihn? Und was verschweigst du mir?", fragte ich daraufhin, ich sprach alles deutlich aus. Ihr stiegen plötzlich Tränen in die Augen und sie begann, erst leicht, dann heftig ihren Kopf zu schütteln.
"Nein. Nichts. Ich werde nichts sagen!" Mit diesen Worten verließ sie dann die Küche und rannte die Treppen hoch.
Was war das?
Egal. Sie verschwieg mir eindeutig etwas, und sie verweigerte sich wirklich, es mir zu sagen, sie stemmte sich dagegen. Aber ich würde meine Antworten noch bekommen. Ich würde danach suchen, und ich würde bald schon damit anfangen.

Spät am Abend vibrierte mein Handy und ich sah Minhos Nummer auf meinem Bildschirm. Sofort schlich sich ein breites Grinsen auf mein Gesicht und ich griff ohne zu zögern nach meinem Handy um abzunehmen.
"Hallo?" So unwissend wie möglich nahm ich den Anruf entgegen, konnte mir das Lächeln aber immer noch nicht verkneifen.
"Hey, Jisung. Ich bin's.", antwortete seine weiche, tiefe Stimme, sie jagte mir eine Gänsehaut ein.
"Hey.", antwortete ich ebenfalls. "Wie gehts? Wie ist es ausgegangen?", fragte ich dann, mir war eingefallen dass er seine erste Prüfung abgeschlossen hatte.
Er lachte leise. "Alles war gut. Ich hab alles beantwortet, so wie wir es gelernt haben."
Ich atmete erleichtert auf. Das würde er locker bestehen.
"Schön. Sehr schön. Ich freu mich schon darauf zu erfahren, wie es ausgefallen ist." Minho machte einmal kurz "Mhm", und nach einer Pause sagte er dann: "Jisung?"
"Ja?"
"Komm mal zur Tür."
Mein Herz fing an, zu rasen, und ich vergaß, dass ich am Telefon war, weshalb ich auf einmal nickte und dann verwirrt den Kopf schüttelte.
"J-ja, warte."
Ich stand auf, bewegte mich zur Tür, ich rannte regelrecht. Dort angekommen raste mein Herz noch mehr als vorher. Mit jeder Sekunde beschleunigte es sein Tempo, ich hatte das Gefühl, ich würde gleich einen Herzinfarkt bekommen. Direkt vor der Tür zusammenbrechen.
Wenn ich gleich die Tür gleich öffnen würde, würde er dann da stehen? Würde Minho mich anlächeln, auf mich zugehen, mich umarmen, mich küssen?
Voller Erwartung machte ich dann die Tür auf, langsam, mir selber einen Nervenkitzel einjagend.
Und tatsächlich. Er stand da. Er stand vor meiner Tür, schaute mich aus seinen tiefbraunen Augen an, diese warmen Augen, die mich schonmal früher angesehen. Sein markantes Gesicht, der scharfe Kiefer, seine vollen Lippen. Er war größer als ich, ungefähr einen halben Kopf, und ich fühlte mich so sicher bei ihm. Als würde er eine Wand um mich herum sein, die keiner durchdringen konnte.
Sein Lächeln. Er hob seine Hand um mir mit seinen warmen Fingern über die Wange zu streichen. Sein Atem. Alles was ich hörte ist sein gleichmäßiger, ruhiger Atem, doch trotzdem hörte man seine Aufregung heraus, die Freude mich zu sehen. Für einen Augenblick glaubte ich sogar, sein Blut fließen zu hören.
Ich sagte nichts. Ich sah ihn einfach an, tief in die Augen, als würde ich das Universum hinter seinen Augen sehen, seine Gedanken lesen können.
"Du bist wunderschön.", flüsterte er, und betrachtete mich weiterhin, nahm mein Gesicht schließlich in seine Hände.
"Jisung...Ich bin hergekommen um dich was zu fragen."
Ich nickte langsam, wartete auf den nächsten Moment als würde etwas spektakuläres passieren. Vielleicht würde es das sogar.
"Wir haben uns vor ein paar Tagen erst kennengelernt, und ich glaube an sowas wie Liebe auf den ersten Blick nicht, aber ich bin mir sicher, dass es aus uns etwas werden könnte. Deshalb will ich so viel Zeit wie möglich mit dir verbringen, ich will mehr über dich wissen."
Seine Hände wanderten an meine Hüfte, den Augenkontakt hatte er bis jetzt nicht abgebrochen. Als wollte er, dass mein Herz raste, dass ich immer aufgeregter wurde, weil er alles so hinaus zögerte.
"Und dann will ich dir gehören.", fügte er noch hinzu, bevor er mich küsste. Endlich.
Ich wusste es vorher nicht, aber jetzt wo er mich endlich wieder küsste, merkte ich, wie sehr ich seine Lippen eigentlich vermisst hatte. Wie sehr ich ihn vermisst hatte.

Kalon (Minsung) [Stray Kids FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt