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Mit einem breiten Grinsen im Gesicht lag ich in meinem Bett, mein Herz raste immer noch, und ich bekam ihn einfach nicht aus dem Kopf. Er hatte sich dort drin eingefangen wie eine Fliege im Spinnennetz. Wie eine Klette in langem Haar, wie ein Klebestreifen auf Papier. Und es störte mich nicht einmal, er sollte dort bleiben.
Er will mir gehören.
Noch nie war ich so glücklich darüber, jemanden zu haben, der meine Liebe erwiderte. Das war ja nicht mal so oft passiert, normalerweise war immer bei mir alles einseitig. Niemand hatte je meine Liebe erwidert, niemand wollte mich. Doch jetzt er. Er kam einfach in mein Leben reingelaufen, er hat sich in mein Leben gerammt. Hätte sein Vater mich nicht zum Psychologen gebracht, hätte ich ihn wahrscheinlich niemals kennen gelernt. Wäre mein Bruder nie gestorben, hätte ich nie zum Psychologen gehen müssen.
Warte. Der Psychologe hatte Recht.
Alles passiert für einen guten Grund.
Heißt das der Tod meines Bruders lief darauf hinaus dass ich meiner ersten großen Liebe über den Weg lief?
Krass.
Aber ich konnte nicht froh sein dass mein Bruder tot war, niemals. Nur weil ich Minho kennengelernt hatte.
Minho.
Er will mir gehören.
Ich schloss die Augen, nahm einen tiefen Atemzug, öffnete meine Augen wieder. Ich  hatte Glück im Pech, nein, Glück wegen Pech. Sollte ich glücklich sein? Sollte ich verwirrt sein, traurig sein?
Mit einem Mal fühlte ich mich zwischen meinen Gefühlen total hin und her gerissen. Ich könnte mit keinem zusammen sein kurz nach dem Tod meines Bruders, er war mir viel zu wichtig. Ich hoffte Minho würde mir genug Zeit lassen, ich wollte ihn auch nicht verlieren.
Ich will ihm gehören.
Doch dann tauchten die Fragen wieder auf, die Fragen, die ich unbedingt beantwortet haben wollte. Die Fragen über meine Vergangenheit. Aber warum erinnerte ich mich nicht daran?
Ich stöberte alle meine Erinnerungen durch, versuchte etwas zu finden, was mir sagen würde: Das. Das ist es. Da fing alles an.
Aber ich fand nichts. Und wenn ich mich nicht erinnern konnte, was war nach dem Vorfall passiert, der mein Gedächtnis ausgelöscht hatte? Wo befand ich mich danach?
Und nachdem ich mir diese Fragen gestellt haben, kam es plötzlich. Es blitzte in meinem Gehirn auf, plötzlich war alles da was ich brauchte.
Ich erinnerte mich nicht mehr an meine Kindheit, doch an was ich mich erinnern konnte, war, wo ich war, nachdem ich alles vergessen hatte.
Ich war im Krankenhaus.
Und mir fiel auf, dass mir nie jemand gesagt hatte, wieso.
Ich sprang auf und lief zu dem Zimmer meiner Mutter, klopfte hektisch an.
"Eomma? Eomma! Hey, ich weiß dass du das nicht willst, und dir ist das total unangenehm, aber ich erinnere mich an den Tag wo ich im Krankenhaus aufgewacht bin. Vor vier Jahren. Ich habe ständig gefragt warum ich im Krankenhaus war, doch niemand hat mir je gesagt wieso!"
Plötzlich wurde die Tür sperrangelweit aufgerissen und meine Mutter stand mit weit aufgerissenen Augen vor mir. Sie hatte Angst.
Doch ich blieb ruhig. Ich konnte es mir nicht leisten sie jetzt zum durchdrehen zu bringen, es war ohnehin schon zu viel für sie.
"Eomma.", sagte ich mit ruhiger Stimme und trat ein paar Schritte auf sie hinzu.
"Warum war ich im Krankenhaus?"
Ihr Blick senkte sich. Sie starrte eine Weile auf den Boden, ihre Auge füllten sich mit Tränen, sie fing an zu weinen.
Doch sie nahm sich zusammen.
Sie stellte sich gerade hin, schaute mir direkt in die Augen. Dann, endlich, öffnete sie langsam ihren Mund und sagte mit gebrochener Stimme:
"Anterograde Amnesie. Du hattest einen schweren Autounfall und hast dein Gedächtnis verloren."

Kalon (Minsung) [Stray Kids FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt