37 || Wie ein zersplittertes Glas

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Just Like You - Louis Tomlinson


Ich konnte gar nicht genau sagen, wie lange Noah und ich eng umschlungen auf dem Parkplatz standen. Keiner sagte ein Wort, wir klammerten uns nur aneinander, wie Ertrinkende an einen Rettungsring und niemand war bereit den anderen loszulassen. So lange hatte ich mich nach seiner Nähe gesehnt und jetzt konnte ich Noah endlich wieder in meinen Armen halten. Es fühlte sich gut an, so unglaublich gut, endlich wieder die Wärme seines Körpers zu spüren.

In diesem Moment hatte ich das Gefühl, als wäre der ganze Schmerz der letzten Wochen wie weggefegt. Noah war bei mir und hielt mich so fest an sich gepresst, als würde er mich nie wieder gehen lassen wollen. Ein Hoffnungsschimmer überkam mich, vielleicht würde doch noch alles zwischen uns gut werden...

Irgendwann löste ich mich trotzdem von Noah. "Wir sollten los. Komm, ich fahre dich nach Hause", meinte ich dann mit belegter Stimme. Unser Streit und die Umarmung hatten mich emotional total aufgewühlt.

Es war, als würden erst meine Worte Noah zurück in die Realität reißen und er weitete panisch die Augen. "Ich kann nicht nach Hause, Luna. Das geht nicht."

Mit einem Mal wirkte er vollkommen aufgelöst. Er begann vor mir auf und ab zu gehen und sich dabei verzweifelt die Haare zu raufen.

Ich hingegen spürte Besorgnis in mir aufkommen. Was war bei Noah zu Hause passiert, dass er erst betrunken zur Schule kam und sich dann noch nichtmal nach Hause traute? Automatisch suchte ich Noah mit meinen Augen nach Verletzungen ab, aber ich konnte nichts entdecken, was mich nur noch mehr beunruhigte.

"Wir können auch zu mir fahren", bot ich Noah deshalb an, um ihn etwas zu beruhigen. "Meine Eltern sind arbeiten und Tyler ist in der Uni."

Die Frage, was mit ihm los war, stellte ich vorerst zurück, auch wenn sie mir nur so auf der Zunge brannte. Aber ich kannte Noah mittlerweile lange genug und wusste, dass er nur von sich aus darüber reden würde und jetzt war weder der Ort noch die Zeit dafür.

Tatsächlich blieb Noah stehen und atmete sichtbar auf. "Das wäre meine Rettung", antwortete er leise, wobei seine Stimme ganz rau klang.

Es tat mir im Herzen weh, zu sehen, wie sehr Noah litt. Er hatte es nicht verdient, dass ihm sein Vater das Leben zur Hölle machte. Kein Wunder, dass er seinen Frust an anderen Leuten ausließ, kein Mensch konnte so ein Leid stillschweigend ertragen.

"Dafür bin ich doch da", meinte ich sanft und zwang mich zu einem Lächeln, auch wenn mir gerade gar nicht danach zu Mute war.

Dann setzte ich mich in Bewegung und Noah folgte mir. Er schwankte und torkelte neben mir her und jetzt wurde mir erst wieder bewusst, dass er ja immer noch stockbesoffen war. Das hatte ich bei unserer Umarmung eben tatsächlich fast verdrängt.

"Was ist denn jetzt los, eben konntest du doch auch fast normal gehen?", wandte ich mich an den braunhaarigen, dezent nach Alkohol riechenden Jungen neben mir und runzelte irritiert die Stirn.

"Da hast du auch noch meine Hand gehalten", entgegnete Noah und grinste mich schelmisch an.

Versuchte er gerade allen Ernstes, mit mir zu flirten, nachdem er eben fast vor mir zusammengebrochen war? Unglaublich, wie schnell seine Stimmung umschlagen konnte, obwohl das bestimmt zum Teil dem Alkoholeinfluss geschuldet war.

Auch wenn ich wusste, dass Noah es genau darauf anlegte, griff ich wieder nach seiner Hand und zog ihn mit mir. Als ich kurz einen Blick zu ihm warf, sah ich, dass Noah zufrieden lächelte.

"Du bist ein Idiot, weißt du das?", meinte ich kopfschüttelnd, aber auch auf meine Lippen hatte sich ein kleines Lächeln geschlichen.

"Würdest du mich nicht dauernd daran erinnern, hätte ich es vielleicht schon vergessen", scherzte Noah.

Three MonthsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt