15. Kapitel

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☀Aloe Blacc - Make Way☀



K a t h a r i n a

Der Wind nimmt hinterlässt kalte, brennende Stellen in meinem Gesicht. Die Startbahn aus Asphalt scheint unendlich lang zu sein. Der weiße Privatjet ist riesig. Diana neben mir ist perfekt geschminkt und hat falsche Wimpern auf ihren Augen, die sie eigentlich erblinden lassen sollten, so groß wie sie sind. Jilli hat ihre roten Haare in einen einfachen Bun hochgebunden. Es steht ihr. Sie ist völlig ungeschminkt, in einer schwarzen Hose und einem schwarzen kurzen Top, das eng an ihrem Oberkörper anliegt. Im Gegensatz zu ihr, trage ich einen riesigen Pullover, der mir bis zu meinen Knien geht. Meine enge Leggings liegt mir eng an meinen Beinen an und endet in meinen quietschgelben Scoopysocken, die von meinen schwarzen Trainern geschützt werden. Mein Rucksack liegt mir schwer auf dem Rücken. Die Koffer wurden zuvor schon von Männern ins Flugzeug transportiert. James geht vor mir in die riesige Blechbüchse über die vielen Treppen. Mit jedem Schritt scheint mir immer mehr Luft aus meinen Lungen gepresst zu werden. Jilli und Scott unterhalten sich, aber meine Ohren haben irgendwie auf Durchzug geschalten. Das letzte Mal, als ich in einem Flugzeug saß, bin ich geflohen. Habe alles was ich liebte verlassen. Ich atme noch einmal tief ein und aus. Dann nehme ich die letzte Erhöhung und stehe im Inneren. Das letzte Flugzeug in dem ich war, zeigte mehrere riesige Unterschiede.

Erstens, es war voll mit Menschen. Voll mit Männern, deren Seelen zerbrochen waren. Voll mit Männern, die keinen Respekt vor ihrer eigenen Mutter hatten. Voll mit Frauen, die sich vor langer Zeit irgendwie zusammengeflickt hatten, als sie verlassen wurden. Voll mit Frauen, die stärker als ganze Armeen von Männern waren. Und es war voll mit schreienden Kindern, die die Welt noch nicht verstanden hatten. Deren Seelen noch unberührt waren.

Zweitens, es stank widerlich. Es stank nach Hass, Trauer, Wut und Wurstsemmeln. Man atmete Schmerz ein. Es vergiftete die Seele. Hier, riecht es nach Desinfektionsmittel und verschiedenen Reinigern. Eine weiche Duftnote, die mich beruhigt ist auch vorhanden.

Und drittens, damals war ich zerbrochen. Tränen liefen über meine Wangen und ich hasste mich dafür Schwäche zu zeigen. Schließlich war ich selbst schuld. Ich ließ die erste große Liebe stehen, nicht er mich. Mittlerweile habe ich wieder Ziele und bin auf einem Weg der Heilung. Ich bin nicht mehr das verwundete, naive Mädchen, das ich früher einmal war. Die kurze Zeitspanne machte eine Frau aus mir, die stark ist und eine Ahnung hat, wie das Leben funktioniert. Das Fairness etwas ist, dass man nur selten sieht, nur selten spürt.

James reißt mich aus meinen Gedanken. „Katharina! Hey, alles ok?" Er winkt mit seiner Hand vor meinem Gesicht umher. Ich blinzle einige Male. Scott meldet sich zu Wort. „Schläfst du uns im Stehen ein?" Gespielt beleidigt schaue ich den blonden Mann vor mir an. „Es ist fünf Uhr morgens und nur weil du fauler Sack nicht seit drei Tagen durchtrainierst, und dann 24 Stunden vor den Auftritt herausfindest, dass die Musik zu der du gerade getanzt hast, wieder total umgeschrieben wird, bist du nicht todmüde." Nun sprühen meine Augen Funken in Richtung James. Abwehrend hebt er die Hände. „Das uns einer der Besten DJ's zugesagt hat, konnte ich doch nicht wissen. Außerdem ist es nur ein Remix von der Originalmusik. Die Lyrics bleibt dieselbe." Wäre ich ein Cartoon, wäre Rauch aus meinen Ohren gekommen. Scott neben mir gibt nur ein „Ohoh", von sich. Um den kümmere ich mich später. „Nur ein Remix", schnurre ich ungläubig in seine Richtung. „Ich weiß ja, dass bei euch Sängern Empathie ein Fremdwort ist, deshalb werde ich dir Strohkopf erklären, was es bedeutet eine Choreografie aufzubauen." Ich mache einen bedrohlichen Schritt auf James zu. „Damit du mitzwitschern kannst, brauchst du eine Melodie. Das Tanzen, im Gegenteil zu deinem Gebrülle, lehnt sich an den Rhythmus, den du mit deinem wundervollen DJ zerstören würdest, was bedeutet, dass ich keine Choreografie habe. Ich habe keine Choreografie vor tausenden Menschen, die sich erwarten, dass ich die Beste bin. Nur kann ich nicht die Beste sein, wenn ich nicht weiß zu was ich tanzen soll!"

Zum Ende hin werde ich immer lauter. Am Liebsten würde ich ihn gerade abmurksen. James schaut mich an, öffnet dann seinen Mund, um ihn dann wieder zu schließen, bis ihm ein „Ups" entkommt.

„Ups? Dein Ernst? Ups?! Du möchtest ein vierminütiges Lied auf zehn Minuten mit einem DJ strecken, der seinen Arsch nicht bis hierher gebracht hat, damit ich mir in 14 Stunden eine Choreografie als Eröffnung ausdenken kann.

Ups, die Titanic ist gegen den Eisberg gekracht. Ups, tausende von Menschen sterben. Ups, ich bin der Mittelpunkt der Erde, oder ups, mit ist gerade klar geworden was für eine hirnrissige Idee das von mir Idioten ist?!"

Scott schreitet ein. „Ganz ruhig, Kätzchen. Du wirst das schon machen." Schwer atmend sehe ich Scott in die Augen. „Das ist unmöglich. Er-" Ich deute mit dem Finger auf James. „Erwartet das Unmögliche von mir. Ich kann nichts Unmögliches perfekt machen."

Nun tritt Jilli auch ein. „Wo sollen wir sitzen?", fragt sie Jack, der die Auseinandersetzung schweigend beobachtet hat. Er zeigt auf einen vierer Platz neben den Fenstern. Schweigend folge ich Jilli, die sich gegenüber mir platziert. Scott fragt sie, ob er sich neben sie setzen darf. Sie bejaht und er nimmt den Stuhl neben ihr. Sie beginnen ein Gespräch, aber ich kann nicht anders und versinke erneut in Erinnerungen.

Der Flug nach Ney York City wird ausgerufen. Wie ein Roboter stehe ich auf. Nehme meinen Koffer und gehe auf das Gate zu. Die Routine beginnt. Alles verschwimmt, bis ich an meinem Platz sitze. Fensterplatz. Wir heben ab. Müsste ich jetzt nicht wieder atmen können? Immer mehr und mehr wird mir die Kehle zugeschnürt. Tränen rinnen unaufhaltsam über meine Wangen. Plötzlich spüre ich eine Hand auf meiner Schulter. Erschrocken drehe ich mich um. Eine junge Frau mir grünblauen Haaren und viel Makeup auf ihrem Gesicht hält mir lächelnd ein Taschentuch entgegen. Ich nehme es. „Vielen Dank", erkläre ich ihr. Sie lächelt weiter. „Kein Problem. Ich weiß wie das ist. Möchten Sie darüber reden?" Ich würde gerne, denke ich mir. „Wir sind Fremde. Wir können jetzt unsere Probleme besprechen und werden uns nie wieder sehen. Wir können es niemanden weiter erzählen, da wir uns nicht einmal kennen. Also, was liegt Ihnen am Herzen?" „Ich habe ihn verlassen", schluchze ich auf. „Ich bin feige davon gerannt." Ich erzähle ihr die Geschichte. „Und was machen Sie hier?" Sie atmet tief ein. „Ich besuche das Grab meiner Schwester mit einigen Zwischenstoppen mit meinem Verlobten." Tatsächlich ist er mir noch überhaupt nicht aufgefallen. Ihr Verlobter schläft tief und fest. Ich lächle sie an. „Sie haben großes Glück", erkläre ich ihr. Nun muss sie auch schmunzeln. „Mittlerweile, ja. Als meine Schwester Selbstmord beging war alles sehr schwierig und kompliziert für mich. Ich fragte mich immer, weshalb sie es war und nicht ich. Mittlerweile weiß ich, dass ich durch sie niemals die Liebe meines Lebens kennengelernt hätte, der ihr Arzt war." Sie nimmt die Hand ihres Verlobten und verschränkt ihre Finger mit seinen. Sie atmet tief ein und aus. „Es war Schicksal." Sie blickt mir direkt in meine Augen. „Sie haben ihn verlassen. Vielleicht kommt es Ihnen gerade nicht richtig vor, aber ich glaube, dass alles einen Sinn ergibt. Sie werden Ihren Weg meistern. Früher oder später werden sie den Sinn Ihres Lebend wieder verstehen und bis dahin, gilt es durchzuhalten." Gerührt von Ihren Worten, kann ich nur ein: „Danke" wispern. Die Lautsprecherdurchsage ertönt und innerhalb wenig Zeit, befinden wir uns wieder auf dem Boden. Jeder nimmt sein Gepäck aus dem Gepäckshalter. „Es war mir eine Ehre Sie kennenzulernen, ähem?" „Jackie", beantwortet sie meine unausgesprochene Frage. „Ich hoffe Sie finden Ihr Glück", sie wirft mir einen fragenden Blick zu. „Katharina." Sie lächelt mich an und ich lächle zurück. Als ich die Luft von New York City einatme, bekomme ich wieder Luft und fühle mich befreit. Ich werde meinen Weg gehen.

Your moves to my musicWo Geschichten leben. Entdecke jetzt