9. Kapitel

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Justin Jesso - Getting Closer


J a m e s 


Ich schaffe es nicht, meine Augen von ihr zu lösen. Sie hat keine Ahnung, wie gut sie eigentlich ist. Sie schlägt Scott und Jilli über weitem und sieht währenddessen auch noch perfekt aus. Ist es erlaubt, so perfekt zu sein? Wie sie ihre Nase runzelt, als sie eine Umdrehung mit nur einem Bein macht und genau in ihrer Anfangsposition stehen bleibt.
Etwas tief in mir möchte sie haben. Diese kleine, perfekte Person ist wundervoll. Katharina ist das, was sich jeder Mann erträumen würde, wenn er nur die Augen aufmachen würde.

Und genau deshalb werde ich mich von ihr fernhalten. Alles was ich berühre, zerbricht. Ich bin viel zu zerstört, als dass man mich lieben könnte. Meine Dämonen sind unbezwingbar. Dass ich mich dazu verleiten lassen habe, sie in diese Gruppe aufzunehmen, war falsch und das weiß ich. Aber ich habe einfach nicht widerstehen können. Sie ist eine Bereicherung für diese Gruppe und es fehlte noch ein Backgrounddancer. Vielleicht war es doch Schicksal? Nachdem der letzte Ton verklungen ist, verabschiedet sich Scott als Erstes mit einem „Tschau", von mir, ohne die Anderen überhaupt wahrzunehmen. So schnell er kann, ergreift er die Flucht, nachdem er sieht, dass Jillian auf ihn zukommt. Mit gerunzelter Stirn sehe ich ihm nach. Die Rothaarige scheint ihre Sachen so schnell wie nur möglich in ihre Tasche zu packen und folgt Scott hektisch. Diana wirft ihre Dinge auch in ihre Tasche und sieht mich an, als wolle sie sofort mit mir ins Bett steigen.

Vielleicht denkt sie jetzt, dass sie mir etwas bedeutet. Das, was vor zwei Stunden geschah, hätte niemals geschehen dürfen. Der Kuss war aus purer Verzweiflung gewesen, weil ich nicht mehr klar denken konnte. Ich war zu nüchtern gewesen.

Die Blonde verlässt den Raum und mit einem Schlag wird mir klar, dass Katharina und ich nun alleine sind. Mein Verlangen ist übermächtig und am Liebsten würde ich sie gegen die nächstbeste Wand drücken und sie küssen. Aber kann ich das überhaupt? Mein Verlangen verstärkt sich immer mehr und bevor ich mich überhaupt zügeln kann, stehe ich vor der Schönheit. Auch Katharina scheint die Anziehung zwischen uns zu spüren. Sie sieht mich mit ihren durchdringenden, wunderschönen, reinen Augen an. Für einen Moment vergesse ich, dass ich Alkohol trinke wie Wasser, dass diese Spannung zwischen uns nicht existieren dürfte, weil es gegen den Vertrag ist. Ich vergesse, dass ich der Grund bin, weshalb viele Leute in Ohnmacht fallen und ich vergesse, dass ich zerbrochen bin. Dass man mich nicht mehr zusammenflicken kann. Für einen Moment vergesse ich und lege meine rechte Hand erst auf ihre linke Wange, streiche mit meinem Daumen über ihre Lippen, lasse meine Hand dann in ihren Nacken wandern, während die Andere an ihrer Hüfte liegen bleibt. Ruckartig ziehe ich ihren Körper näher an meinen. Ihr warmer Atem schlägt gegen meine Lippen, als ich kurz vor ihren Lippen einige Sekunden stocke und den Moment auf mich wirken lasse.

Und dann presse ich meine Lippen endlich an ihre. Mein Herz scheint aus meiner Brust springen zu wollen. Das Adrenalin nimmt meinen Körper in Gewalt, lässt mich stockend atmen, während ich auf der anderen Seite die Ruhe in Person bin. Nichts scheint gerade wichtiger zu sein, als diese weichen, zarten Lippen, die sich im gleichen Takt wie meine bewegen.

Als wären wir im Rausch krallen sich Katharinas Hände in meine Haare und ich lege meine Hände am unteren Ende ihres Rückens, lasse meine Hände unter ihr T-Shirt wandern. Das Feuer zwischen uns scheint sich zu verdichten, und keine Luft mehr zu lassen. Der Kuss wird immer intensiver und ich bin mir nicht sicher, ob ich je wieder aufhören kann, ihre Lippen zu berühren.

Plötzlich fühle ich zwei Hände an meiner Brust, die mich wegdrücken. Mit einem Schlag komme ich wieder in der Realität an. Und in dieser Welt, die grausame Wahrheit, schaut mich Katharina mit geröteten Wangen an und schiebt mich von ihr weg. Sie kann mir nicht einmal mehr in meine Augen sehen. Schnell, wie ein verschrecktes Reh, nimmt Katharina ihre gepackte Tasche und lässt mich wie ein begossener Pudel alleine im Raum stehen. Langsam schließe ich die Augen und schäme mich, sie geküsst zu haben. Aber ich bin mit ziemlich sicher, dass ich es noch einmal tun würde, wenn ich die Chance dazu bekäme. Sie hat es, als Einzige seit Jahren geschafft, diese Stimme in meinem Kopf abzuschalten. Katharina hat es vollbracht, mich für einen Moment frei von Schuldgefühlen und Gedanken an den nächsten Suff zu fühlen. Sie gibt mir ein Gefühl, dass ich schon lange nicht mehr hatte. Tief atme ich ein und versuche wieder einen rationalen Gedanken zu fassen.

Katharina möchte jetzt wahrscheinlich nach Hause, aber da sie ja mit mir gefahren ist, muss ich sie jetzt entweder selbst fahren oder ich rufe ein Taxi.

Schnell stürme ich aus dem Raum. Hoffentlich kommt sie morgen wieder. Sie zu verlieren, wäre nicht nur ein großer Verlust für mich, sondern auch für die Tour. Meine Füße tragen mich die großen Treppen hinunter, bis in die Eingangshalle. Ruckartig öffne ich die Haustüre und bleibe draußen stehen. Katharina steht etwas abseits und trommelt nervös mit ihren Fingern auf ihren Oberschenkeln herum und scharrt mit dem Fuß über den Asphalt.

„Katharina", rufe ich ihr zu. Überrascht dreht sie sich zu mir um. Die junge Frau räuspert sich und fragt mit krächzender Stimme: „Ja?" Ungewollt muss ich grinsen. Ich scheine sie nervös zu machen und dieser Fakt macht mich irgendwie glücklich. „Ich rufe die ein Taxi. Hier hast du Geld, um es dir zu zahlen." „Danke, James. Ich werde es die irgendwann zurückgeben." Während Katharina vor mir zur Professionalität zurückkehrt, kann ich die perversen Gedanken nicht ausschalten, als sie meinen Namen ausspricht.

Zehn Minuten später befindet sich Katharina sicher im Auto und ich starre der gelben Schrottkiste hinterher. Wie ein Bekloppter stehe ich nach einigen Minuten immer noch da, trotz dass das Auto schon längst aus meinen Blickfeld verschwunden ist.

Müde drehe ich mich um und gehe ins Haus. In meinem Zimmer öffne ich die Vitrine und hole den guten alten Jack raus. Mit einer Drehbewegung öffne ich die Glasfalsche und starre die Flüssigkeit einen Moment lang an. Hoffnung. Das war dieses Gefühl, dass sie mir gab. Dass ich das Ganze hier vielleicht doch noch irgendwie überwinden könnte.

Schnell nehme ich einen großen Schluck der bitteren Flüssigkeit. Verflucht sei diese Frau und dieses Gefühl.

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