* Pommesdieb *

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Meine Kreationen waren selbst mir zu wild, sodass ich ihm diese Klamotten nie vorstellte. So viel sei gesagt, die senfgelbe Hose, die heute jeder von euch kennt, wurde damals schon kreiert und verottete anschließend im Schrank, ehe er sie kennenlernen durfte.
So richtig wusste ich einfach nicht was er haben wollte. Ohne Gespräch, war das auch schlecht möglich, sodass ich mir wenig Druck machte, mit meiner Arbeit vorran zu kommen. Immerhin konnte er ja immer noch in normalen Klamotten auftreten, denn bekannt als Kostümmensch, war er noch nicht.
So langsam kam ich mir aber immer nur so vor, wie ein Mensch, der nicht dazu gehörte. Selten sprach einer mit mir, nur mein Bruder war für mich da, solange er nicht Wunscherfüller spielte.
Doch dann änderte sich das.
Die Tour neigte sich und wieder zweifelte ich an meiner Aufgabe, die ich hier erfüllen sollte, doch das war egal. Ich war mal wieder unter Menschen, auch wenn die sich nicht sonderlich für mich interessierten.
Das Abschlussessen stand auf dem Plan. Manche denken sich bestimmt, da wird nur gesoffen, wilde Orgien gefeiert, aber das war alles andere, als so eine Party. Es ging eher gesittet ab, was auch eine große Überraschung für mich darstellte.
Alle gemeinsam gingen wir zu einem griechischen Restaurant. Nicht gerade mein Fall, aber immerhin gibt es überall Schnitzel, sodass ich um den Gyros herum kam.
Alle waren locker drauf. Wir waren an die fünfzehn Leute und alle bestellten sich, auf was sie Hunger hatten.
Ich saß zwischen meinem Bruder und Lukas, der aus dem grinsen garnicht mehr raus kam, als er mein Schnitzel entdeckte.
"Wirklich? Nen Schnitzel beim Griechen?", fragte er und zog seine Mundwinkel zu einem breiten Grinsen breit.
Ich zeigte ihm meine übliche Geste, das gewohnte Schulterzucken, aber doch war dieses mal etwas anders daran. Ich musste über seinen Satz auch schmunzeln und das war schon das zweite Mal in Kürzester Zeit, dass er mich zum Lachen gebracht hatte. Irgendwie komisch, für einen so verbitterten Typen wie mich. Oder wurde ich einfach nur lockerer beim Umgang mit Leuten? Naja das alles musste sich noch herausstellen.
Viel mehr redeten wir am Tisch aber nicht. Das kommt alles noch später, was die Überschrift so verspricht.
Ich bin dann doch eher der Typ, der erst einmal alle Leute genauestens beobachtet und studiert, bevor er auf sie zu geht. Ich bekam alles mit, denn meine Beobachtungsgabe war gut. Deswegen werde ich auch nie vergessen, welche großen Happen sich Steven immer in den Mund schob. Es war faszinierend, dass er keine Maulsperre bekam, sondern immer noch entspannt alles kauen konnte. Tim hingegen aß wie ein Mäuschen, so kleine Bissen und der Teller wurde nicht wirklich leerer. Wobei er war auch so unfassbar dünn... Ich glaube nicht, dass er auf seine Figur achtete, sondern ein Mensch war, dem am Essen nicht viel lag.
Während meine Augen und Ohren immer wieder bei den anderen waren, bemerkte ich fast garnicht, dass meine Portion Pommes immer weniger wurde, bis ich im richtigen Moment auf meinen Teller starrte und ich die Finger von dem Typ rechts neben mir sah. Erbost schaute ich Lukas an. Sowas konnte ich ja garnicht leiden, wenn mir jemand mein Essen wegnahm. Seitdem ich wieder normal essen gelernt hatte, stand der Futterneid ganz groß im Vordergrund.
Er grinste mir zwar zu, doch meine Falten zwischen den Augenbrauen, zeigten meinen Zorn. Vielleicht etwas zu übertrieben, aber damals tickte ich halt so, daran kann man nix ändern.
Er riss die Augen plötzlich auf und sah fast so aus, wie das dazugehörige Emoji. Er schaute weg und als der Kellner vorbei kam, bestellte er mir eine neue Portion Pommes. Endlich grinste ich wieder.
"Vor du mich haust, kriegste lieber nen Nachschlag!", meinte er und schon wieder musste ich auch grinsen und schmetterte ihm nur entgegen: "Besser ist das auch, mein Freund..."
Wurde ich jetzt lockerer gegenüber ihm oder woher kam das? Auch das, wie schon vieles davor, kann ich euch nicht beantworten.
Der Abend verlief ruhig und ohne viel Alkohol, wie gesagt, anders als von mir erwartet.

Die letzte Nacht im Hotel war angebrochen und am nächsten Tag ging es wieder zurück nach Hause. Doch irgendwie war ich hellwach. Es waren bestimmt die vielen Pommes, die quer in meinem Magen lagen. Tom schnarchte in dem benachbarten Bett lustig vor sich hin. Ich konnte mich wälzen und drehen, doch es entstand keine Müdigkeit, sodass ich mich entschloss ein wenig frische Luft zu tanken, indem ich mich dick einpackte, da es tiefster Winter mittlerweile war, und auf den Balkon ging.
Ich blickte über die Österreichischen Berge und den kleinen See, der ringsrum von Laternen und schneebedeckten Wegen umgeben war. Was für ein wunderschöner Anblick. Er erinnerte mich schon stark an meine Kindheit, die sich in den Sommerferien oft auf einem Bauernhof in Bayern abspielten.
Außerdem, es lag verdammt nochmal Schnee, wann gab es das schon das letzte mal in der Großstadt, in der ich lebte? Eigentlich nie und wenn, dann wurde er direkt zertrampelt von den ganzen Passanten und mutierte zu Matsch.
Ich genoss einfach die Aussicht und ich weiß noch genau, wie es plötzlich über mich kam und jetzt wollte ich auch einmal diejenige sein, die den Schnee als erstes betritt und ihre Fußstapfen, wie ein schlechter Dieb irgendwo hinterlässt.
Ich musste diesen Drang, der mich nach draußen zog, dringend ausnutzen, auch wenn es mitten in der Nacht war.
So zog ich mir meine Jeans an, denn in Jogginghose auf die Straße, ging in meinen Augen garnicht...
Dann wickelte ich mir den Schal um den Hals und verließ das Hotelzimmer, so leise es nur ging, um meinen Bruder nicht zu wecken.

Der Schnee war pappig und machte die typischen quitsch Geräusche, als ich ihn betrat. Meiner Mutter hatte es damals immer Gänsehaut gebracht, doch ich störte mich nicht an dem Geräusch, sondern verband es gleich wieder mit tollen Schneeballschlachten oder Schneemann bauen. Oder ein ganz besonderes Erlebnis war, als mir mein Vater ein eigenes Iglu baute, in dem ich mit der Katze ein und aus ging.
Während ich gedanklich in meiner unbeschwerten Kindheit war, bemerkte ich fast garnicht, dass ich schon am See angekommen war.
Ich blieb stehen und starrte ihn an. Der Mond schimmerte im Wasser, der Uferbereich war leicht zugefroren. Es war wunderschön. Weitere Schneeflocken fanden tanzend den Weg vom Himmel auf die Erde.
Außerdem diese absolute Ruhe, es tat so gut. Doch nicht nur das, sondern auch die herrlich klare Bergluft.
Ich starrte auf den glitzernden Schnee und plötzlich überkam es mich...

Dann stand er einfach so da... (Alligatoah Fan-Fiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt