* Lieblingsplatz *

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Am nächsten Morgen, auch wenn wir nicht sonderlich viel Schlaf hatten und dadurch relativ wild aussahen, entstand unser erstes Pärchen Selfie, auf dem wir uns küssten, immer noch auf dem improvisiertem Balkonbett. Es war das perfekte Bild, um nun auch meinen Bruder endlich Gewissheit zu geben.
Ich schickte ihm dieses Bild mit dem Worten: "Danke, dass du mir deinen neuen Schwager in Spe vorgestellt hast."
Es war ja genau das, was er mir vor zwei Wochen zur Begrüßung direkt an den Kopf geworfen hatte, dass ich ihm später danken könne, was ich damit tat.
Er schrieb nur kurz und knapp zurück: "😍 Ich wusste es! Alles Gute, Schwesterherz! 😘💖"
Es war mir klar, dass er Lukas akzeptieren würde, wobei hätte er es nicht getan, hätte er auch damit leben müssen.
Das nur als kleine Story am Rande.

Die erste Woche meiner neuen festen Beziehung stand an. Wobei irgendwie waren wir ja auch schon vorher inoffiziell zusammen.
Nachdem die Jungs auch aus ihrem Saufkoma erwacht sind und sie endlich die Wohnung verlassen hatten, starteten wir unseren Tag mit einem ungewöhnlichen Frühstück. Da es aber schon eher Richtung Mittag ging, waren die restlichen Burger vom Vorabend nicht mehr verwerflich, die wir aßen.
Die Sonne schien und auch wenn ich eigentlich den ganzen Tag auf dem Sofa verbringen wollte, stachelte mich Lukas an, die Bude zu verlassen.
"Komm, ich zeige dir meinen Lieblingsort...", sagte er und da ich ihm wohl kaum einen Wunsch abschlagen konnte, wuschelte ich meine Haare ein wenig zurecht, zog meine graue Sweatjacke an und dann konnte es auch schon losgehen.
Im Auto bot sich das selbe Bild, wie schon immer zu vor. Ich sang schräg mit dem Radio mit, doch Lukas glich meine schrägen Töne mit seinem ziemlich perfekten Gesang aus.
Während ich bei Tom immer mal wieder grob in die Beifahrertür griff, wenn er in meinen Augen zu dicht auf seinen Vordermann auffuhr, passierte mir das bei Lukas bis heute nie. Ich fühlte mich sicher, er war ein guter Fahrer.

Wenn ich meine Texte, die ich mit euch teile selbst nochmal durchlese, dann bemerke ich immer wieder, dass mich wirklich garnix an ihm störte und alles einfach perfekt war.

Es ging raus aus meinem persönlichen Hassbezirk, ein Stück über die Stadtautobahn, vorbei an der Bundeshauptstadt Brandenburgs und über die Landstraße in ein kleines Dörfchen, welches wir auch noch komplett durchquerten, bis die Straße irgendwann ein Ende fand, doch nicht für Lukas.
Über Stock und Stein, fast gefolgt von einer Gehirnerschütterung, weil der Feldweg so schlecht war, landeten wir irgendwann im grünen. Mitten in einem Mischwald parkte er zwischen den Bäumen ab und wir waren scheinbar da.
"Das ist dein Lieblingsort? Sieht es hier nicht aus, wie in jedem anderen Wald?", fragte ich und erntete nicht gerade die nettesten Blicke. Ich glaube das ist eine Macke, die Lukas noch schnell von mir kennenlernte und nicht wirklich damit umgehen kann, allerdings versucht er Tag für Tag sein bestes, nicht auszuticken deswegen.
Ich hatte es einfach drauf, ungeduldig zu sein.
"Nun warte doch mal ab...", sagte er und stieg aus. Ich sammelte noch eine Flasche Wasser und mein Handy zusammen und schon öffnete er die Tür und reichte mir seine Hand, die ich auch gerne annahm und mich mit einem Knicks bedankte. Es war komisch für mich, dass mir jemand die Tür öffnete, von daher verhielt ich mich bei dem Knicks auch kurz wie eine Prinzessin. Wir mussten lachen und zogen dann los.
Vorbei an riesen Kiefern mit vielen Insekten, quer über Moos und altes Laub von den paar Kastanienbäumen, kamen wir nach gefühlt zwei Kilometern an seinem Ruhepol an.
Sofort verstand ich, wieso dies sein Lieblingsplatz war. Nicht nur, dass es Menschenleer war, was ja logisch ist, aber mitten in dem Brandenburgischen Wald eröffnete sich mir ein Anblick, den ich nie für möglich gehalten, sondern eher in Bayern.
Da war in mitten von Bäumen ein kleiner See, der allerdings so klar war, dass man die Wasserflöhe hätte zählen können. Er hatte einen Minizulauf von einem wirklich schmalen Bach und es plätscherte fröhlich vor sich hin. Ein absoluter Traum. Da brauchte man wirklich nicht in den Urlaub fahren, wenn man sowas in seiner Nähe hatte.
"Wie findet man denn sowas?", fragte ich ihn, während wir beide Händchen haltend auf den glitzernden See, andere würden Teich sagen, guckten.
Er erklärte mir, dass nicht weit hinter dem See eine kleine Siedlung eines Dörfchens sei und er aus versehen mal hier gelandet ist. Da aber die Anfahrt über die andere Seite komplizierter sei, würde er immer so hier ran fahren.
"Ich komme hier gerne her, um mal den Kopf frei zu kriegen, mal nicht an Songtexte denken, einfach nur die Natur spüren und den Vögel beim Smalltalk zuhören."
Dass Lukas ein Naturbursche ist, weiß jeder.
Wir setzten uns an den Rand des Teichs und er verriet mir, dass er irgendwann in der kleinen Siedlung ein Haus haben wolle und das eigentlich das einzige große Ziel in seinem Leben sei.

Dreimal dürft ihr raten, wo wir nun wohnen... Aber wie es dazu kam, erfahrt ihr irgendwann später.

Es war ein großartiger Tag und endlich hatte ich ein Bild vor Augen, was meinen neuen Freund glücklich machte. Es war die Natur, Ruhe und natürlich die Musik.
Was für ein Unterschied zu der stressigen Welt in Neukölln.

Dann stand er einfach so da... (Alligatoah Fan-Fiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt