* Panik *

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Eine ganze Weile später kam ich wieder zu mir. Langsam öffnete ich die Augen und schaute in fremde, große grüne Augen, die mich durch eine dicke Brille anstarrten. Als ich es realisierte, dass eine mir fremde Person, über mir hing, erschreckte ich mich. Wer war das und was wollte er? Groß darüber nachdenken konnte ich nicht, denn schon schnell sollte ich eine Antwort bekommen.
"Keine Angst Frau Hesse, ich bin Dr. Millowitsch. Sie waren eine ganze Weile ohnmächtig."
Ein Arzt, wie konnte der nur in mein Zimmer gelangen? Hatte ich nicht abgeschlossen? War es überhaupt mein Zimmer?
Langsam versuchte ich mich aufzurichten, doch den Versuch untersagte der Arzt und drückte mich sanft an der Schulter wieder in eine Liegeposition. Meine Augen schweiften durch den Raum und ich wollte irgendwas erkennen, was ich dann auch tat, als ich nach rechts zu meinen Fenster starrte. Es waren meine Gardinen, also war ich doch zu Hause. Hauptsache nicht in einem Krankenhaus, denn da habe ich schlimme Eindrücke gesammelt und kein Mensch der Erde würde mich dahin bringen. Lieber wollte ich immer sterben, als dass mir nur in solch einem Krankenhaus einer helfen konnte. Doofe Einstellung, ich weiß, aber an meinen Gedanken konnte ich nix ändern.
Der Arzt sagte plötzlich: "Frau Hesse, sie hatten einen Schwächeanfall, wir werden sie mitnehmen und eine Nacht im Krankenhaus beobachten."
Hatte ich das richtig verstanden? In mir brach Panik aus. Meine Atmung wurde kürzer und der Schweiß stand mir auf der Stirn.
Mein Bruder redete mir gut zu, dass ich das tun solle, aber ich wollte einfach nicht. Während Tom auf mich einredete am Bettrand, stand Lukas im kaputten Türrahmen, weil sie scheinbar die Tür aufgebrochen hatten, nachdem nix mehr von mir kam, und schaute mich mitleidig an. Es war alles ein Zeitraffer, der an mir vorbei flog.
Der Arzt versuchte mich zu beruhigen, aber ich konnte nicht. Meine Panik wurde größer und größer.
"Können wir nicht auf sie aufpassen? Das war doch nur ein kleiner Schwächeanfall...", sagte plötzlich die Stimme aus der Tür. Innerlich betete ich, dass darauf eingegangen wird. Immerhin hat Lukas nicht zur Familie gehört und ihn als Freund zu bezeichnen, wäre zu viel gewesen. Kumpel trifft es ganz gut.
Der Arzt fand den Vorschlag nicht ganz so prickelnd und versuchte den Jungs zu erklären, dass es für mich das beste wäre unter Beobachtung zu stehen, aber so langsam brachte Lukas auch Tom dazu, nicht auf den Arzt zu hören. Ich könnte euch die ganze Diskussion aufschreiben, aber das würde ewig dauern. Kurzum, ich blieb zu Hause unter Beobachtung von Trailerpark und Tom, was mich froh machte.
Die Männer blieben ganz ruhig im Wohnzimmer, während ich in meinem Bett lag. So hatten sie sich das ganz bestimmt nicht vorgestellt, aber jeder von uns machte das Beste daraus.
Langsam hatte ich mich beruhigt und meine Blicke schweiften durch den Raum, rechts auf dem Boden von mir lag das Kleidungsstück, was ich mir vorher noch aus dem Schrank geholt hatte, bevor ich zusammen brach. Ich wusste, dass es früher oder später Fragen aufwerfen würde und überlegte mir schon, was ich dazu sagen sollte. Irgendwann gab ich auf und beschloss einfach mit der Wahrheit raus zu rücken, wenn mich jemand fragen sollte. Doch an diesem Abend kam es nicht mehr dazu, denn meine Augen wurden schwerer und so langsam schlief ich ein.

Gegen sieben Uhr morgens starrte ich auf meinen Wecker, der neben meinen Bett stand. Ich fühlte mich ungewohnt fit um diese Uhrzeit.
Die winterliche Sonne strahlte mir ins Gesicht und ich bekam Bock etwas zu machen. Wo kam nur das ganze Elan her?
Ich machte mich auf den Weg ins Wohnzimmer, wo mich der Anblick zum schmunzeln brachte. Obwohl sie eigentlich alle auf mich aufpassen wollten, in der Nacht, ging dieser Plan wohl nach hinten los.

Ich erblickte einen Haufen schnarchender Kerle, die quer über Sofa, Sessel und Fußboden verteilt waren. Das Fenster war angewinkelt und trotzdem lag noch der Duft von verbrannten Zigaretten in der Luft. Doch nicht nur das, sondern auch ganz schön ausgekühlt, kam der Raum daher. Nachdem ich mich an den Anblick gewöhnt hatte, sammelte ich leise ein paar Decken aus dem ganzen Haus zusammen und deckte einen nach den anderen zu, denn ich wollte ja nicht, dass sie bald mit Männergrippe zu Hause, oder wo auch immer rumhüpfen würden. Denn wie wir Mädels ja wissen, ist die Männergrippe ein ganz gefährliches Virus, was vor uns Frauen reißaus nimmt. Doch bei Männern kann es so doll zum Ausbruch kommen, dass sie dem Tot sehr nahe kommen.
Nachdem ich meinen Bruder und Trailerpark vor dem sicheren Tot bewahrt habe, räumte ich noch leise ein wenig auf, denn die anfängliche Sauberkeit litt anscheinend mit gehobeneren Alkoholpegel. Trotzdem war es noch relativ ordentlich, sodass ich nur die leeren Glasflaschen vom Tisch entfernte und mich danach wieder in mein Zimmer begab, um den Jungs ihren Rausch ausschlafen zu lassen.
Ich blätterte in einigen Magazinen und Vertrieb mir die Zeit.
Nach knapp einer Stunde war ich bei einem Artikel von Ticketbetrügern angekommen und doch relativ vertieft in das Thema, da ich ja nun auch eventuell damit im Entferntesten zu tun hatte.
Plötzlich nahm ich ein zarghaftes Klopfen an meiner angelehnten, kaputten Zimmertür wahr, die durch das klopfen auch leicht auf ging.
"Naaaa auferstanden?", sagte ich und schaute in Richtung Tür. Eigentlich hatte ich Tom erwartet, doch es war jemand anderes. Lukas stand mit (Achtung Wortwitz) verstrobelten Haaren in meiner Tür und fragte ob er hereinkommen könnte.
Ich legte die Zeitung bei Seite und nickte ihm zu. Was wollte er denn von mir? War es ihm bei den Schnapsleichen zu langweilig?
Doch dann fing er mit dem Thema an, vor dem ich schon am Vorabend Angst hatte. Doch ich wusste auch, dass ich da jetzt durch muss...
"Sag mal, war das gestern bei dir ein Hochzeitskleid? Wollen wir vielleicht doch mal reden? Dann weiß ich wenigstens wieso es dir so geht, wie es dir teilweise geht...", fing er an zu quatschen und ich schluckte heftig. Es war so weit, ich musste mit der Wahrheit raus. Vielleicht würde es mir auch gut gehen danach. Oder vielleicht auch noch beschissener als vorher. Ich wusste es nicht, doch ich fing an zu reden und mein Monolog begann...

Dann stand er einfach so da... (Alligatoah Fan-Fiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt