* Geheime Telefonate *

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Es waren einige Wochen nach meiner letzten Chemotherapie und ich war endlich auf meine Medikamente perfekt eingestellt. Sie machten mich nicht mehr müde oder dergleichen und es schien fast so, als wäre ich wieder so drauf, wie vor dem ganzen Krebs. Es war eine Phase, da ging es mir wirklich gut. Kaum Schmerzen, voll aktiv und ich hatte richtig Bock aufs Leben.

Es war später Herbst, die Blätter fielen zu Boden, wenn sie es nicht schon getan hatten und die Sonne schien. Natürlich wurde es früh dunkel, aber Hey, genau dafür liebte ich diese Jahreszeiten. Es herrschte Ruhe und endlich kam Gemütlichkeit auf. Naja gut, die hatten wir vorher auch immer, eine gewisse Gemütlichkeit, doch in den kalten Monaten war sie ganz besonders.

Es war ein echt guter Tag für mich, ich war schon früh wach und fit, wie ein Turnschuh, dass hatte ich lange nicht mehr und die Gemütslage musste ausgekostet werden.
Lukas schlief noch friedlich und ich machte mich auf den Weg in den Garten, wo auch schon Harry schwanzwedelnd auf mich zugerannt kam. Ja es gab wirklich Tage, da wollte er einfach nicht mit ins Bett und schlief draußen in seiner Hütte. Also ganz umsonst war diese dann doch nicht.
Er spürte scheinbar auch meinen Elan und umso tollpatschiger und aufgedrehter wirkte er. Man sagt ja Hunden nach, dass sie die Gefühle ihrer Herrchen erkennen und dem kann ich nur zustimmen.
Irgendwann beruhigte er sich und setzte sich vor mich. Ich ging dann auf die Knie und fing an mir ihm zu reden: "Na, was meinste, wollen wir Papa nen schönes Frühstück holen?"
Harry drehte seinen Kopf leicht zur Seite und er schien zu rätseln, was ich wohl von ihm wollte.
Dann redete ich weiter und plötzlich reagierte er so, wie ich es erwartete: "Los Dicker, hol deine Leine... Wir holen Brötchen bei Tante Anne..."
Als würde er mir zustimmen, klatschte seine feuchte Zunge in mein Gesicht und er rannte los. Er wusste wo seine Leine war und das Kommando "Hol deine Leine", war das einzige, worauf er ohne Murren und Knurren reagierte. Oder war es doch die Aussicht auf Tante Anne, die ihn dazu bewegte?
Ich wäre auch gerne ohne Leine mit ihm zu dem Bäcker gelaufen, aber einige Dorfbewohner hatten bammel vor unserem riesen Kalb.
Er wusste auch ganz genau, wo wir hinliefen, es ging zu Tante Anne, seiner Lieblings Bäckereiverkäuferin, die immer mit einer Wiener auf ihn wartete. Hätte uns Harry fremdgehen können, dann auf jeden Fall mit Anne.
Nach einem kleinen Small Talk und viel Streicheleinheiten von Anne für den Dicken, der scheinbar von uns nie welche bekam, so wie er sich verhielt, ging es zurück und ich deckte den Tisch mit den besten Croissantes und Brötchen, die ich nur bekommen hätte können. Bei diesem Bäcker wurde Handwerk noch groß geschrieben.
Lukas trapte verpennt an der Küche vorbei Richtung Bad und als hätte er es nur gerochen, stampfte er wieder drei Schritte im Rückwärtsgang und starrte mich freudestrahlend an. Ich wusste, dass er sich in diesem Moment freute, dass ich einen guten Tag hatte.
Wir grinsten uns an und warfen uns einen kleinen Luftkuss zu, dann machte er sich auch ansehnlich im Bad. Wobei ansehnlich war er immer.

Wir machten uns einen gemütlichen Tag zu zweit, ja okay zu dritt, wenn man Harry dazuzählt, doch irgendwie war an dem Tag was anders.
Lukas musste ständig aufs Klo, vielleicht hatte er das voluminöse Frühstück nicht vertragen, so waren nur meine Gedanken, doch eigentlich plante er anderes, was er scheinbar äußerst spontan auf den Weg brachte. Das was an dem Tag allerdings noch passieren würde, konnte ich nicht ahnen und war so schön, dass es in meinen Augen eigentlich nicht möglich war, spontan auf den Weg zu bringen. Doch wie er es alles geplant hatte, ist bis heute sein Geheimnis. Ich weiß nur, dass seine ständigen Klogänge nur vorgeschoben waren, um heimliche Telefonate zu führen.
Das alles wusste ich aber nicht und ließ mir die letzten wärmenden Sonnenstrahlen ins Gesicht scheinen, während hinter mir das Geknartsche von Harry, auf seinem riesen Knochen, doch relativ beruhigend war.
Wie er es nur immer schaffte diese Kolosse an Knochen zu zerbeißen, war mir auch ein Rätsel. Wäre er nur bei anderen Dingen genauso motiviert, wie beim fressen... Naja war ja auch nicht schlecht, dass er so ein ruhiger, fauler Hund war, dem sogar manch Spaziergang zu viel war.

Lukas kam zurück und endlich wollte ich es wissen: "Sag mal, was ist denn los mit dir? Geht's dir heute nicht gut?"
So richtig ging er allerdings nicht darauf ein und er meinte nur: "Ach Zuckerschnute, Hauptsache dir geht es heute prächtig, der Rest ist egal."
Verliebt guckten wir uns an und ich legte mich mit meinem Kopf auf seine Brust. Es war schon ein Vorteil, so eine große Liegewiese gekauft zu haben. So mussten wir nicht immer getrennt auf zwei Sonnenliegen liegen.

Es wurde allmählich Abend und wir verspeisten die übrigen Brötchen vom Frühstück. Bei uns reichte immer ein normals Abendessen, es musste nicht immer der Italiener aus dem Nachbardorf sein. Wir waren sehr genügsam.
Die Sonne ging über dem Wald unter und Lukas' geheime Mission sollte beginnen... Ein Abend voller Überraschungen stand für mich auf dem Plan.

Dann stand er einfach so da... (Alligatoah Fan-Fiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt