* Haarparty *

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Drei Tage bis zur nächsten Untersuchung waren vergangen und diese waren intensiver, als je zuvor bei uns.
Ich will auch garnicht um den großen Brei herum reden, ich mache es kurz: Der Krebs hatte bereits gestreut und die Ärzte schätzten meine Heilungschancen auf gerade mal 10 Prozent ein.
Lukas hielt sich wacker und wollte immer, dass diese 10 Prozent Quote noch steigen würde, aber ich nehme nichts vorweg, wenn ich sage, dass das nie passiert war. Im Gegenteil, sie sank immer mehr. Das einzige was die Herren im weißen Kittel nun noch für mich tun konnten, war durch Chemotherapien, mein Leben etwas zu verlängern. Im ersten Moment wusste ich nicht ob ich das machen sollte, bis ich in Lukas traurige blauen Augen schaute und der Therapie zustimmte. Immerhin waren noch 10 Prozent Restchance da, meinen Hasen irgendwann mit grauen Haaren zu sehen. Aber auch jetzt wurde mir innerlich immer mehr bewusst, wie viel Leben ich durch mein Selbstmittleid nach Jo's Tod eigentlich verschwendet hatte. Doch vergangenes konnte man nun leider nicht mehr ändern, sodass ich ab sofort jeden Tag, an dem ich noch aufwachte, einen neuen Geburtstag feierte. Ich nahm die Landluft, viel intensiver wahr und auch die kleinen Dinge, die einen die Natur schenkte.

Es stand also fest, dass ich eine Chemotherapie beginnen würde und dadurch den Verlust meiner Haare in Kauf nehmen müsste. Doch es kam die Lebensfreude in mir auf, sodass ich alle meine wichtigsten Freunde, quasi die TP Jungs und meinen Bruder, samt seiner Freundin bei mir haben wollte, wenn ich der Therapie ein Schnippchen schlage und ihr voreilig das nahm, was sie mit nehmen wollte.
Ziemlich schnell war eine "Haarparty" ins Leben gerufen worden und alle waren da.
Es klingt makaber, aber es war eine gute Entscheidung.
Auch einen Sonderwunsch hatte ich an diesem Tag, der noch viel bekloppter klingt, als die Party Idee eh schon war.
Jeder der anwesenden Gäste sollte einen Teil meiner Haare abrasieren oder schneiden und ich sage euch, noch heute denke ich immer daran, wer wo an meinem Kopf rumschnitt. Die Leute die mir wichtig waren, hatte ich so immer in meinem Kopf und außerdem die Erinnerung an diesen Tag.
Jeder hatte Hemmung an mir herum zu schnippeln, aber ich muntere jeden auf, dass es sowieso bald passieren würde und sich nicht so angestellt werden soll.
Lukas hatte die Ehre mir dann alles Glatt zu rasieren und somit die ganzen Überbleibsel der anderen zu entfernen.
Ich spürte, dass es ihm schwer viel, doch damit mussten wir beide jetzt klar kommen. Als er fertig war, streichelte er mir über meinen haarlosen Kopf und drückte mir einen Kuss darauf. Ein merkwürdiges Gefühl war das und das erst recht, als ich mir selber durch meine nicht mehr vorhandenen Haare strich.
Ich verdrückte eine Träne aber grinste dabei, denn es war glaube ich die beste Entscheidung, die ich treffen konnte. Hätte ich sie mir später selbst büschelweise rausgezogen, hätte der Verlust mir mehr zu schaffen gemacht. Davon bin ich bis heute überzeugt.
Es durfte auch jeder auf meinem Kopf mit einem Filzstift unterschrieben, es sind die verrücktesten Fotos geworden, die ich bis heute auch noch gerne in der Hand halte.
Es klingt alles wirklich sehr kurios, muss ich schon zugeben, aber ich kann mich nur wiederholen, es war die beste Entscheidung, die ich treffen konnte.
Auch der Abend an und für sich hätte nicht schöner laufen können. Ich wurde mit Geschenken überhäuft, besser gesagt mir wurden unzählige Mützen und Tücher geschenkt, um mich obenrum zu dekorieren, doch das habe ich schon immer verweigert. Ich war nun mal zu diesem Zeitpunkt so, wie ich nun mal war. Und das ich Krebs hatte, konnte ruhig jeder sehen, das war mir egal. Es war nun mal eine Krankheit, die jeden treffen konnte.
Aber es waren ja nicht die Geschenke, die mir den Abend versüßten, Nein - es waren meine Freunde, mein Verlobter, das Gute Essen und die gute Musik, zu der getanzt wurde. Es war auch der erste Abend, an dem Basti sich mit Harry zusammenriss und die beiden plötzlich ein Herz und eine Seele waren. Ich weiß garnicht wieso. Vielleicht hatte Harry einen Anti Sabber Tag oder Basti riss sich zusammen... Das ist wohl das Geheimnis der beiden, was nie gelüftet werden wird.
Da mir der Alkohol untersagt wurde durch die Ärzte, zeigten sich die anderen ebenfalls solidarisch und tranken keinen Schluck, obwohl es mich auch nicht gestört hätte, wenn sie es getan hätten. Ich war ja eh keine Schnapsdrossel.
Die pure Liebe strömte mir den ganzen Abend entgegen und es tat mir gut, der Mittelpunkt zu sein, der ich eigentlich nie sein wollte. Doch so langsam wurde mir bewusst, was ich eigentlich für tolle Freunde und Familie hatte. Schon traurig, dass einen das immer erst so richtig bewusst wird, wenn es eigentlich schon zu spät ist. Allerdings konnte man ja an seinem Lebensstil noch einiges ändern, um die Jahre zuvor wenigstens ein wenig auszugleichen...

Dann stand er einfach so da... (Alligatoah Fan-Fiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt