Teil 57 Sehnsucht

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Tropfen ließen mein Spiegelbild in der Tasse verschwimmen. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass Tränen über meine Wangen liefen. Noch immer spürte ich die Verletzungen, tief und schmerzhaft. Ich seufzte und konnte nicht verhindern, dass mir mein Herz weh tat.

Ich war so unglaublich froh gewesen, dass Carol es auf sich beruhen ließ. Sie nahm mich einfach in ihre Arme und hielt mich fest. Ihr Duft, der mich einhüllte, hatte etwas tröstliches und beruhigendes an sich. Irgendwie war es paradox: Ich fühlte mich voller Angst, Schmerz, Unsicherheit und trotzdem war ich in diesem Moment davon überzeugt, genau hierher zu gehören, zu Carol. 

An dem Abend, an dem ich das erste Mal wieder in meiner Wohnung war, allein, kam sie mir kalt und leer vor. Irgendwie fühlte ich mich fremd, obwohl es doch mein Zuhause war. Als ich dann später in meinem Bett lag, vermisste ich sie unheimlich, ihre warme Stimme, ihre stärkende Nähe, ihr Duft, der mich eine ungewohnte Sicherheit verspüren ließ und mich gleichzeitig ganz verrückt machte. Und plötzlich verstand ich es. Wie Schuppen fiel es mir von den Augen. Sie war meine andere Seite, mein fehlendes Puzzleteil, mein Atem, mein Herzschlag. Sie war mein Schicksal von der ersten Sekunde an, in der sie in mein Leben getreten war. Sie gab mir etwas, dass ich immer vermisst, immer gesucht hatte, etwas, nachdem ich süchtig war.
 
Ich vergrub mich in meinem Bett, versuchte abzuschalten, denn am nächsten Morgen sollte mein erster Arbeitstag nach dem Unfall sein. Doch ohne sie neben mir, kam ich einfach nicht zur Ruhe, wälzte mich hin und her und hoffte vergeblich auf Schlaf. So ging es mir auch die nächsten Tage. Wir schrieben und telefonierten, sahen uns aber nicht. Ich wollte ihr genug Freiraum lassen, nachdem ich einige Tage bei ihr wohnen konnte und sie sich so rührend um mich gekümmert hatte. Aber es war nicht mehr wie vorher. Mir fehlte es, wie sie lachte, wie sie begeistert von ihrer Arbeit erzählte, mit ihr zu essen, mit ihr einzuschlafen, mit ihr aufzuwachen, ihre sanften Berührungen, ihre Lippen auf meinen, einfach alles. Bei dem Gedanken an ihre Nähe schlug mein Herz augenblicklich schneller. Ein Verlangen nach ihr wuchs in mir, dass mich mitten in der Nacht aus dem Bett trieb, mich durch die schweigende dunkle Wohnung wandern und mich beinahe verrückt werden ließ. Ich konnte es nicht ändern, ich war voll auf Entzug.

Gedankenversunken stand ich am Fenster und starrte durch das orangene Licht der Straßenlaterne in die Dunkelheit der Nacht. Wie im Nebel hörte ich irgendwo in der Nähe Kirchenglocken läuten. Ohne sie war ich nicht mehr ich und diese Erkenntnis machte mir Angst. Genau dieses Gefühl hatte ich bereits einmal erlebt und der Schmerz war unsäglich gewesen als ich sie damals verlor. Doch jetzt war es viel mehr, viel tiefer, viel größer und ich versuchte nicht daran zu denken, wie es wäre, sie erneut zu verlieren. Ob ich es überleben würde? Wahrscheinlich nicht.

Das Klingeln einer Türglocke drang wie durch Nebel zu mir durch. Es dauerte einen Augenblick bis ich registrierte, dass es meine war. Wie in Trance betätigte ich den Summer und öffnete ohne Nachzudenken die Tür. Wer wollte um diese Uhrzeit etwas von mir? Mein Gehirn arbeite in Slow-Motion. Ich war viel zu weit weg - bei ihr. Und dann sah ich sie - Carol, wie sie die Treppe hoch gesprintet kam und außer Atem vor mir stand. Mir hatte es ebenfalls die Sprache verschlagen.
"Ich musste dich einfach sehen." presste sie hervor und kam immer näher. Ihre feuriger Blick lag auf mir und fesselte mich. Reflexartig ging ich ein paar Schritte rückwärts in meine Wohnung.  Sie folgte mir, gab der Tür einen Schubs und ich hörte, wie sie ins Schloss fiel.
Ich fühlte die Härte der Wand in meinem Rücken und Carol stand ganz nah vor mir. Dunkelheit hüllte uns ein, nur das matte Licht der Laterne fiel vom Wohnzimmer in den Flur. War das real oder träumte ich gerade? Ich schloss die Augen und wartete ab. Ich hörte ihren schnellen Atem, spürte eine starke Wärme, die sie ausstrahlte und ihr Duft hüllte mich ganz und gar ein. Mein Herz schlug immer lauter und ein Kribbeln überzog meine Haut. Und dann spürte ich ihren Mund heiß und innig auf meinem, zärtlich, kostend, hungrig. Wie ein Blitz schlug es in mich ein. Ich stand in Flammen und keuchte vor Erregung auf, als sie den Kuss unterbrach. Ihre Hand strich sanft über meine Wange.
"Ich habe mich so nach dir gesehnt." hauchte sie mir entgegen und im nächsten Augenblick fanden sich unsere Lippen wieder. Sie schmeckte so köstlich, unwiderstehlich. Ich konnte nicht genug bekommen. Wie sie sich mir so entgegen drängte und ich ihren Körper an meinem fühlte, versetzte sie mich erneut in einen Ausnahmezustand. Mein Puls hatte bereits jeden Rekord gebrochen und schlug unmessbar hoch. Ich glühte an jeder Stelle meines Körpers und zitterte doch, als ob ich frieren würde.
Ihre Finger glitten sanft über mein Dekollete, über meine Brust, über meinen Bauch und umfassten schließlich meinen Rücken, um mich noch näher zu ihr zu ziehen. Ich war in ihrem Bann und genoss es. Ihr Küsse waren so verführerisch und machten mich mutiger. Ich brauchte keine Luft mehr zum Atmen, nur noch ihre Lippen. Und als diese zu meinem Hals wanderten und ich zwischen ihren Küssen ihre Zunge auf meiner Haut spürte, stöhne ich auf. Ich war nicht mehr in der Lage nur einen klaren Gedanken zu fassen. Sie hatte meinen kompletten Verstand ausgeschaltet. Ich hörte ihren Atem, laut und schnell an meinem Ohr und fühlte nur noch. Sicher würde ich explodieren und vor Hitze verbrennen, aber das war mir sowas von egal. Ich wollte sie - jetzt und für immer.



Alles was bleibt ... | girlxgirl teacherxgirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt