Teil 49 Glück im Unglück

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Dieses Kapitel ist aus der Sicht von Carol geschrieben.

Als mein Handy klingelte und ich die Nummer meiner Süßen am Display sah, nahm ich mit einem Lächeln ab. Allein schon an ihrem schwachen "Hi!" hörte ich, dass etwas nicht stimmte. Als sie erzählte, dass sie im Krankenhaus war, hatte mein Herz vor Schreck einen Aussetzer. Unfall - Krankenhaus? Durch meinen Kopf wirbelten tausend Gedanken durcheinander.
Sie wollte mir gerade mehr berichten, als ich eine Stimme im Hintergrund vernahm.
"Sorry, ich muss Schluss machen. Es findet noch eine Untersuchung statt."
Sofort verabschiedete ich mich von meinem Vater und machte mich auf den Weg ins Krankenhaus. Während der ganzen Fahrt klang immer noch ihre zittrige Stimme in meinem Ohr und wie sie zu mir gesagt hatte: "Carol, ich hatte einen Unfall und bin im Krankenhaus. Es ist nicht schlimm, aber könntest du vielleicht kommen?" Eine innere Unruhe hatte mich seitdem erfasst, so sehr, dass ich mich zwingen musste nicht zu schnell zu fahren.

Eine ganze geschlagene Stunde ließ man mich in der Notaufnahme warten. Ich machte mir entsetzliche Sorgen. Es war einfach nur furchtbar, dass ich nicht bei ihr sein konnte und auch nicht genau wusste, wie es ihr ging. Das einzige was mich ein wenig tröstete, war der Gedanke, dass es ihr zumindest soweit gut ging, dass sie mit mir hatte telefonieren können.

Schließlich brachte eine kleine, kräftige Schwester meine Sam in einem fahrbaren Krankenbett wieder von der Untersuchung. Ich eilte sofort zu ihr und begleitete sie in das Zimmer, in das man sie schob. Mir wurde ganz anders, sie so mit den ganzen Schürfwunden an den Armen und dem Verband an ihrem linken Fuss zu sehen.

"Wie geht es dir?" wollte ich zuerst wissen, unheimlich froh darüber endlich bei ihr sein zu können. Ein mattes Lächeln schlich sich auf ihr blasses Gesicht als ich ihre Hand nahm und sanft drückte. "Es ist nicht so schlimm wie es aussieht." versuchte sie mir einzureden, aber ich sah ihr an, dass es nicht ganz stimmte. 
Wieder tauchte die Schwester im Zimmer auf und tippte etwas in den Computer ein, der seitlich auf einen kleinen Schreibtisch stand.
"Der Doktor kommt gleich." bemerkte sie kurz und verschwand wieder. Keine Minute später erschien ein hochgeschossener schlanker Mann. Er rückte seine Hornbrille zurecht und murmelte kurz seinen Namen. "Da hat jemand sehr viel Glück gehabt. Nicht jeder Zusammenstoß zwischen Auto und Fahrrad geht so gut aus, wie bei ihnen."stellte er nüchtern fest. Ungeduldig wartete ich auf den Befund. Ich wollte endlich wissen, was mit ihr los war. Endlich sprach endlich weiter:  "Bis auf ein paar Schürfwunden, Prellungen und den verstauchten Knöchel ist soweit alles heil geblieben. Ihr Kopf würde jetzt mit Sicherheit anders aussehen, wenn sie keinen Helm getragen hätten. Wir werden sie aber trotzdem diese Nacht zur Beobachtung da behalten." 

Sam schien der Gedanke nicht zu gefallen.
"Gibt es denn keine andere Möglichkeit? Wenn ich zum Beispiel unterschreibe, eine Entlassung auf eigene Verantwortung?" erkundigte sie sich zaghaft. Der Arzt kratzte sich nachdenklich am Kopf und studierte immer noch seine Unterlagen.
"Wenn sie jemanden haben, der die nächsten 24 Stunden auf sie bei ihnen bleiben kann." Er hielt kurz inne und blickte Sam durchdringend an: "Haben sie?"
Ich sah, wie Sam nervös schluckte.
"Also, ich, naja..." fing sie an zu stottern. Ich fühlte ihr Unbehagen und konnte nicht länger nur zusehen. 
"Ja, hat sie. Mich." warf ich einfach ein.
Er musterte mich, als wäre ich ihm zuvor gar nicht aufgefallen.
"Und sie sind?" wollte er wissen und sah mich fragend durch seine Brille an.
"Carol Livine."
Er stutzte und fuhr mit seinem Finger über das Blatt.
"Äh, ihre Schwester?" hakte er nach.
Sam suchte nach meiner Hand, die sich sofort mit ihrer verband.
"Nein, sie ist meine Freundin." erklärte Sam mutig, so als wäre es das normalste auf der Welt.
Röte schoss ihm in die Wangen, als er die Situation richtig verstand. Er räusperte sich verlegen. "Okay. Ja. Also." Jetzt hatte Sam ihn durcheinander gebracht. Ich musste mir ein Grinsen verkneifen.

Als alles erledigt war, holte ich das Auto und ein Pfleger wartete mit Sam schon am Ausgang. Sie hatte sich in einen Rollstuhl setzten müssen. Es stand ihr deutlich ins Gesicht geschrieben, dass sie so schnell wie möglich raus aus dem Rollstuhl und weit weit weg vom Krankenhaus wollte.
Keinen Laut ließ sie über ihre Lippen kommen, als sie in mein Auto einstieg, aber ich sah, dass ihr jede Bewegung weh tat.
Während der Fahrt erzählte mir Sam stockend von dem Unfall und ich hörte ihr schweigend zu. Mir fiel auf, dass sie dabei immer wieder tief ein atmete. Als sie geendet hatte, warf ich ihr einen Blick zu. Sie hatte die Augen geschlossen und und ihre rechte Hand hielt sich verkrampft am Türgriff fest. Voller Spannung presste sie ihre Kiefer zusammen und ihre Stirn glänzte schweißig. Ihr ging es eindeutig schlechter als sie zugab. "Wir sind gleich da." versuchte ich ihr Mut zu machen und strich ihr beruhigend über das Bein. 
Kurz darauf lenkte ich das Auto in die letzte Parklücke vor ihrem Haus und drehte den Schlüssel im Zündschloss. Der Motor verstummte. Grelles Licht beleuchtete den Innenraum. "Danke, dass du gekommen bist und mich heim gefahren hast." Ihre Worte klangen schwach und ihre Hände zitterten. Langsam beugte sie sich vor und griff nach ihrem Rucksack, der zwischen ihren Füßen lag.
"Was hast du vor?" fragte ich erstaunt.
"Ich geh jetzt nach oben, nehme eine Dusche und dann lege ich mich ins Bett."
"Wo denkst du hin?" warf ich sofort ein. "Nix da! Ich hole dir ein paar Sachen aus der Wohnung und dann kommst du mit zu mir." Sam würde auf keinen Fall allein bleiben.
"Aber das geht doch nicht, ich kann doch nicht ..." Die Stimme versagte ihr.
"Mach dir keinen Sorgen deswegen. Natürlich kannst du bei mir bleiben. Hey - ich bin bin doch deine Freundin." Ein Lächeln umspielte ihre Lippen und ich konnte ein Aufleuchten in ihren Augen erkennen. "Außerdem hab ich dem Doktor doch versprochen, dass ich auf dich aufpasse." Ich beugte mich zu ihr und hauchte einen Kuss auf ihre Nase.

Als wir endlich meine Wohnung erreichten und sie sich mit meiner Hilfe die zwei Stockwerke nach oben gequält hatte, ließ sich sich vorsichtig auf mein Sofa sinken. Ihr Atem ging schnell von der Anstrengung und die Erschöpfung, die der heutige Tag hinterlassen hatte, war nicht zu übersehen.
"Nach was ist dir jetzt? Möchtest du etwas essen?" fragte ich nach.
"Ich würde gern duschen, wenn das okay ist und etwas zu essen wäre super." gestand sie schüchtern. "Aber ich will dir keine Umstände machen." fügte sie hinzu.
"Hey, dass sind keine Umstände für mich. Sam, ich bin für dich da."

Also holte ich schnell ihre Tasche aus dem Auto und machte mich in der Küche an einen kleinen Snack. Ich warf einen Blick auf meine Uhr, die mir kurz vor halb drei anzeigte. Um diese Zeit war ich auch noch nie in meiner Küche gestanden um ein Brot zu schmieren. Ich musste schmunzeln. Diese junge Frau stellte nicht nur mein Leben auf den Kopf, auch ich fühlte mich so an. Aber ich empfand es nicht als negativ, ganz im Gegenteil. Ich staunte über immer neue Seiten, die ich durch sie an mir entdeckte. So wie für sie hatte ich noch nie für eine Frau empfunden.
Ich nahm das Essen und ging zur ihr ins Wohnzimmer. Was ich vorfand, löste eine Welle voller Zuneigung in meinem Herzen aus. Die Erschöpfung hatte sie übermannt. Friedlich schlummernd lag sie da. Den Teller stellte ich auf den Tisch neben das Sofa. Danach legte ich vorsichtig ihre Beine hoch und deckte sie zu. Sie jetzt zu wecken, brachte ich nicht über das Herz. Zärtlich strich ich über Haar. Der Schlaf würde ihr sicherlich gut tun.
Nachdem ich das Licht gelöscht hatte, setzte ich mich ihr gegenüber in den Sessel. Ich würde auf sie aufpassen, dass hatte ich versprochen und das würde ich auch halten.

Alles was bleibt ... | girlxgirl teacherxgirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt