Kapitel 3

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Claire

Doch Ruby dreht sich nicht um, sondern sagt nur bestimmt:„Es hat alles seine Richtigkeit, aber danke Tom."

Mit diesen Worten verlässt sie das Flugzeug und nur kurze Zeit später wird der Eingang geschlossen. Erst als die Türen vollständig geschlossen sind, beginnen die Gespräche wieder. Doch Tom steht wieder auf und kommt zu mir. 

„Also Kleine."Schon wieder nennt er mich Kleine, ich weiss nicht warum, aber ich hasse diesen Namen. „Falls es dir nicht aufgefallen ist, ich bin grösser als du und so wie es aussieht auch stärker." Ich weiss nicht, woher ich auf einmal diesen Mut habe, den Mund aufzumachen aber dieser Name nervt mich so sehr und ich rede mich erst in Schwung. Als er etwas sagen will, unterbreche ich ihn mit einer kleinen aber eindeutigen Handbewegung: „Also nenn mich nie wieder so oder du machst noch mit meiner anderen Faust Bekanntschaft und ich schwöre dir, diese landet südlicher." 

Er sieht mich so erschüttert an, dass ich ein Lächeln nicht unterdrücken kann. „Was? Hat es dir die Sprache verschlagen?" Ich bemerke zu spät, dass ich zu weit gegangen bin. Als ich es bemerke, hat er mich schon aufgehoben. Seine Hand liegt um meine Kehle und er drückt zu. Ich schreie, lautlos, aber nicht wegen des Schmerzes. Was Schmerzen angeht bin ich abgehärtet. 

Es geht um die Berührung, ich ertrage sie nicht. Meine Füsse berühren den Boden nicht mehr. Ich beginne zu weinen. Sobald er die Tränen bemerkt, lässt er mich los und sieht geschockt auf mich hinab. Wahrscheinlich kann er nicht glauben, was er gerade getan hat. Aber ich kriege mich nicht mehr ein, ich schlinge meine Hände um mich. 

Steh sofort auf oder muss ich nachhelfen? "Ich weigere mich aufzustehen und ich sehe, wie sich in seinen Augen etwas verfinstert. Er legt eine Hand in meine Haare und hebt mich hoch. Der Schmerz, der mich durchfährt, lässt mich laut schreien. Es fühlt sich an, als ob jemand jedes einzelne Haar aus meiner Kopfhaut reisst. Ich höre erst auf zu schreien, als er mein Haar loslässt. „Stehst du jetzt auf?" Ich erkenne ihn nur verschwommen, da meine Augen mit Tränen gefüllt sind und wegen der Schmerzen kann ich nicht aufstehen. Er legt seine Hand an meine Wange und Ekel durchfährt mich. „Komm, ich helfe dir." Wieso ist er jetzt so freundlich? Ich ergreife seine ausgestreckte Hand. Er zieht mich hoch, dann legt er seine Hand blitzschnell an meinen Hals und drückt zu. Ich bekomme keine Luft mehr. Meine Lungenlechzten nach Luft, ich spüre förmlich, wie sich meine Lunge zusammenzieht. Dann wird alles schwarz. 

Ich öffne die Augen wieder, ich liege immer noch dort, wo mich Tom fallen gelassen hat, mit dem Kopf zwischen meinen Knien und die Beine umschlungen. Aus Erfahrung weiss ich, dass dieser kleine Rückblick in meine Vergangen nicht mehr als fünf Sekunden gedauert hat. Tom steht immer noch dort, mit demselben Ausdruck auf dem Gesicht, alle Blicke sind auf ihn oder auf mich gerichtet. Doch niemand unternimmt etwas, ausser der Junge, der neben mir sitzt. 

„Tom verzieh dich!" Er sagt es mit einer solchen Bestimmtheit, dass Tom sich umdreht und geht. Er blickt sich nicht um. Alle andern schauen mich dennoch an, doch ich kann nicht aufhören zu weinen. Ich bin blass, das weiss ich, weil auch meine Hände bleich sind, jetzt fällt es noch mehr auf, dass meine Hand blau angelaufen ist. Der hübsche Junge sagt noch: „Seht ihr nicht, dass es ihr nicht gut geht? Jemand soll sofort Miss Blake holen!" Ein Junge in der vordersten Reihe steht auf und läuft nach vorne und schon öffnet sich die Tür des Flugzeugs und er steigt aus. 

Der Junge, der vor mir steht, beginnt wieder zu reden. Es klingt freundlich, er redet leise, daher weiss ich, dass er mit mir redet, obwohl ich nicht aufschaue. „Hallo, mein Name ist Daemon. Ich werde dich jetzt hochheben und in den hinteren Teil des Flugzeugs bringen, dort ist niemand und du kannst dich beruhigen. Okay?" 

„Nein, bitte nicht." Ich kann nicht aufschauen aber ich kann mir vorstellen, dass er verwirrt ist. Ich spüre seine starken Arme unter mir und ich beginne zuschreien. Er hebt mich hoch und ich höre auf zu schreien. Dafür beginne ich, mich zu winden, ich schlage um mich und höre erst auf, als er mich wieder absetzt. 

Sobald er mich wieder losgelassen hat, rutsche ich von ihm weg. Ich komme bis zur Wand. Dortbleibe ich und schaue das erste Mal auf. Er sitzt ebenfalls am Boden, aber ersitzt noch dort, wo ich ihn zurückgelassen habe. Er reibt sich seine Brust, offenbar habe ich ihn getroffen, als ich mich aus seinem Griff winden wollte. 

„Es t-tut mit l-leid", meine Stimme klingt schlimm und ich werde rot. Ich habe es wirklich geschafft, mich an meinem ersten Tag zu blamieren und dann auch noch so fest. „Hey, mach dir keinen Kopf", er macht eine abwehrende Handbewegung. „Danke, dass meine ich ernst. Du kennst mich nicht und trotzdem hilfst du mir, warum?" 

Ich habe mich schon wieder beruhigt, seit ich genug Abstand zu allem habe, besonders zu anderen Menschen. Daemon öffnet den Mund und schliesst ihn wieder, ohne dass er etwas sagt. 

Er schaut weg, in diesem Moment kommt Ruby herein: „Hey Schatz, ist alles Okay?" Sie macht Anstalten, näher zu kommen, doch ich ertrage das nicht: „Bitte, komm nicht näher, nicht jetzt." Sie sieht gekränkt aus, aber sie bleibt stehen. „Okay, alles zu seiner Zeit. Brauchst du etwas, um deinen Hals oder deine Hand zu kühlen? Oder brauchst du etwas gegen die Schmerzen?", sie klingt so besorgt, wie es eine Mutter sein würde. 

Mir wird warm ums Herz. „Nein alles okay R, es tut gar nicht weh." Als ich sehe, wie erleichtert sie ist, fühle ich mich immer besser. „Wirklich du darfst gehen, es ist alles okay." Doch das war zu viel des Guten. „Gar nichts ist gut, du wurdest angegriffen! Dein Hals ist blauer als dein T-Shirt und deine Hand ist fast doppelt so gross, wie sie normalerweise ist. Ich möchte, dass du etwas gegen die Schmerzen nimmst und deine Hand kühlst." „R.", ich mache eine kurze aber bedeutende Pause und fahre dann fort: „Ich fühle nichts, es schmerzt nicht. Wirklich." 

Ich sehe ihr in die Augen, einen Moment hält sie meinen Blick stand, danach wendet sie sich ab und ich sehe, dass sie traurig wird. „Okay. Aber falls etwas ist, rufst du mich an. Einverstanden?" Sie geht, nachdem sie mir das Versprechen abgenommen hat. Nun sind Daemon und ich wieder alleine. 

„Es tut mir leid, dass ich dich geschlagen habe, obwohl du mir nur geholfen hast." Ich kann ihn dabei nicht in die Augen schauen, deshalb schaue ich auf einen Punkt über ihm. „Keine Sorge, um mir etwas anzutun, müsstest du ein wenig fester schlagen. Obwohl, so wie Tom reagiert hat, kann ich mir vorstellen, dass du ziemlich zuschlagen kannst, wenn du willst." 

Erklingt so heiter, dass ich ihm nun doch in die Augen schaue, in diese wunderschönen himmelblauen Augen. Er räuspert sich. Mist, wie lange habe ich ihn jetzt angestarrt? Ich werde knallrot und er beginnt zu lachen. 

Ich räuspere mich und fahre mit meiner Hand, welche nicht auf ihr doppeltes angeschwollen ist, über meinen Hals. Ich spüre wie rau meine Kehle ist, und das erinnert mich daran, was gerade geschehen ist. Ich stehe auf und hole mir eine Wasserflasche, dabei spüre ich, dass Daemons Blick auf mir ruht. Ich weiss nicht warum, aber es beruhigt mich, nicht alleine zu sein, obwohl ich normalerweise viel lieber alleine bin, als mit anderen Menschen, geschweige denn männliche Personen, aber Daemon ist anders. 

„Ist alles okay?", er sieht mich mitfühlend an. „Ja, alles okay. Das habe ich ja auch schon Ruby gesagt, oder möchtest du etwas anderes hören?" 

Was denkt ihr übertreibt Claire?
Schon irgendwelche ersten Meinungen zu Daemon?


Die Narben der VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt