Kapitel 19

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Claire

Das Bett, dass neben meiner Matratze steht senkt sich kurz darauf und nach ein paar Minuten höre ich den leicht pfeifenden Atemvon Valery. 

Hier hast du Lappen und Eimer. Ich möchte, dass du diese Schweinerei aufwischst. Wenn du fertig bist, weck mich. Klar?" 

Ich sah nichts, meine Augen waren mit Tränen gefüllt. Er hat Linda einfach so erschossen, seine eigene Frau. Seine eiskalten Hände legte er um mein Handgelenk und drehte mich mit einer blitzschnellen Bewegung. Meine Hand lag nun auf meinem Rücken und er drückte sie nach oben. 

Der Schmerz war betäubend und ich begann zu schreien. „Schrei ruhig, Kleine. Es hört dich niemand. Siehst du das?" Er zeigte in Richtung Wand, aber ich erkannte nicht worauf genau. 

„Die sind Schallgedämpft und du bist hier in einem Keller, also zerstöre dir ruhig deine Stimmbänder, mir macht das nichts aus. Ich möchte jetzt schlafen, darum lasse ich dich los. Wenn ich aufwache, bevor du mich weckst, kannst du dich auf etwas gefasst machen." 

Er drückte meine Hand nochmal nach oben und ich schrie.

„Hey, alles okay? Es war nur ein Traum." Valery streicht mir sanft übers Haar. Ich höre augenblicklich auf zu schreien. „Es tut mir leid", meiner Stimme hört man nichts an, sie ist kräftig, fast kräftiger als sonst. 

„Du hast so geschrien, als ob du extreme Schmerzen hättest. Wovon hast du geträumt?" „Ich weiss es schon gar nicht mehr.", 

Ding, ding, ding... Lüge! Natürlich kann ich mich genau daran erinnern. Wie könnte man auch so etwas vergessen. 

Sie wirkt nicht überzeugt. „Ich kann jetzt nicht mehr einschlafen. Ich gehe mir ein wenig die Beine vertreten." „Aber Veeda, die Sonne ist noch nicht mal aufgegangen. Und unsere Gemeinde hat noch nicht geöffnet." 

Mist, wäre ich doch gestern Abend schon gegangen. 

„Keine Sorge, ich komm schon zurecht. Sie haben doch erwähnt, dass es hier einen Fluss gibt, dem folge ich einfach und gehe die gleiche Strecke wieder zurück." 

„Aber es ist noch dunkel." Sie seufzt, lässt mich dann los und sagt, ich solle auf mich achtgeben. Sie legt sich wieder hin, um noch eine Weile zu schlafen.

Ich gehe aus dem Haus, die kalte Herbstluft schlägt mir entgegen und ich beginne zu joggen. Ich werde immer schneller, bis ich renne. Bei einer Wiese auf dem Hügel bleibe ich stehen. 

Von hier kann man das ganze Dorf überblicken. Die Sonne geht gerade auf und der ganze Himmel ist in ein helles Gelb getaucht. Ich schliesse meine Augen und strecke mein Gesicht der Sonne entgegen. 

Ein leises Klicken reisst mich aus meinen Gedanken. Am anderen Ende der Wiese steht ein Junge, ungefähr in meinem Alter, mit einer Fotokamera. Als er bemerkt, dass ich ihn gesehen habe, rennt er weg. 

Ich höre den Kirchenturm 7:00 Uhr schlagen. Das heisst, Tobias ist jetzt weg. Ich renne zurück. Auf meinem Bett liegt ein Handtuch. Ich nehme es und gehe ins Bad, dort dusche ich, putze mir die Zähne und kämme mein Haar. 

Wieder in meinem Zimmer ziehe ich mich um. Dann gehe ich nach unten. Valery Frühstückt gerade, ich setze mich neben sie. Doch das Essen lehne ich ab. Wir reden nicht. 

Plötzlich öffnet sich die Tür und ein kalter Luftzug fegt durch die Küche und mit ihm ein sehr ausgeprägter Gestank nach Alkohol und Zigarettenrauch und noch etwas anderes, aber ich weiss nicht, was es ist. 

Valery springt auf und rennt zum Eingang. „Daemon! Was fällt dir eigentlich ein? Wo warst du? Ich habe dich bestimmt 1'000 Mal angerufen! Was hast du dir dabei gedacht? Dir hätte etwas passieren können! Und noch was, du", 

sie macht eine kurze Pause, wahrscheinlich zeigt sie auf die Küchentür. Ich bewege mich nicht von der Stelle um herauszufinden, ob meine Vermutung stimmt. „Hast deinen Gast warten lassen!" 

„Man, Mam! ... Von welchem Gast sprichst du? Ich erwarte niemanden." „Kommst du, bitte." Ich stehe auf und stelle mich in den Türrahmen. 

„Hey." Daemons Augen werden gross, dann schaut er seine Mutter an und wieder mich. 

Dieses hin und her geht eine Zeit, aber so wie er riecht, ist das nicht verwunderlich. Dann endlich bewegt er sich. Er stolpert auf mich zu und nimmt mich in den Arm. 

„Danke." Sein Atem stinkt noch schlimmer als er selbst, doch ich kralle mich ebenfalls an ihn, als ob ich ihn nie mehr loslasse. Ich habe ihn vermisst, das wird mir erst jetzt klar. Ich brauche ihn, er ist ein wichtiger Teil meines Lebens geworden, trotz der wenigen Zeit. 

Jemand räuspert sich. „Daemon, wer ist das?" Er lässt sofort von mir ab und stellt sich vor mich, sodass ich nicht sehen kann, wer dort steht. 

Aber das muss er nicht, denn es ist eine Mädchenstimme. Bella ist also auch hier. Das versetzt mir einen leichten Stich. Ich beuge mich vor und flüstere ihm ins Ohr: „Daemon, ich wollte eh noch joggen gehen. Ich wünsche dir viel Spass." 

Seine Muskeln verkrampfen sich.  Er verstellt mir weiterhin den Weg. „Valery, ich habe dir doch gesagt, dass ich noch joggen gehen will. Ich glaube das mache ich jetzt, ist das okay?" Sie sieht mich verwirrt an und nickt. 

Ein wenig enttäuscht sieht sie aus, aber sie sagt nichts. Ich gehe an Daemon vorbei und zur Tür, dort steht auch Bella. Sie ist ganz hübsch aus, aber hat viel zu knappe Kleidung an und viel zu viel Make-Up, ich hätte nicht gedacht, dass das Daemons Geschmack ist, aber woher sollte ich etwas von seinem Mädchengeschmack wissen? 

Als sie mich sieht, zieht sie hörbar die Luft ein, warum auch immer. „Du bist bestimmt Bella. Daemon hat schon viel von dir erzählt. Ich bin Veeda." „Klar erzählt er viel von mir. Und mich interessiert nicht, wer du bist. Kommst du Daemon?" 

Sie läuft die Treppe hoch. Er hat mich nicht einmal erwähnt? Natürlich warum sollte er? Ich bin nur ein Zeitvertreib, wenn seine richtigen Freunde nicht in der Nähe sind. 

Obwohl wahrscheinlich bin ich nicht mal das, ich war nur zur falschen Zeit am falschen Ort und er hat mich an der Backe. 

Daemon geht mit hochrotem Kopf Bella nach. 

„Was sollte das?" Ich zucke zusammen. „Hm? Was?" „Wieso hast du dich so verhalten? Ich bin mir ziemlich sicher, dass er kein Wort von ihr hat fallen lassen." 

Seine Mutter weiss also viel über Bella. Irgendwann frage ich sie aus. Ich wechsle schnell das Thema. 

„Darf ich Antonia besuchen?" Verwirrt schaut sie mich an, nickt dann aber: „Natürlich, hier." Sie reicht mir eine grüne Karte. „Zeig diese an der Rezeption im Spital und sie führen dich zu ihr. Ich kann leider nicht mitkommen, ich muss jetzt arbeiten gehen." 

„Okay, danke."

Ich gehe raus und hole zuerst im Gemeindehaus eine Stadtkarte. Damit finde ich den Weg ins Krankenhaus schnell. 

Tatsächlich, ich muss nur die grüne Karte zeigen, und obwohl ich nicht mit ihr verwandt bin, bringen sie mich direkt auf ihr Zimmer. 

Ich setze mich auf den Stuhl, der neben ihrem Bett steht. Nur kurze Zeit später kommt der Arzt nach dem ich verlangt habe. 

„Hallo Miss. Sie wollten mich sprechen?" 

Was haltet ihr von Daemons verhalten? 

Und wie findet ihr Bella?


Die Narben der VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt