Kapitel 25

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Claire

„Lass den Unsinn. Ich werde niemandem etwas sagen. Ich möchte dir nur etwas zeigen."

Er nimmt alles einfach so hin. Meine Bewunderung für ihn steigt immer mehr. Aber wohin will er mit mir gehen? Was hat er vor? 

„Vertraust du mir?" Er sieht mir direkt in die Augen. Mein Blick senkt sich auf seine Lippen, jene, die mich geküsst haben und jene, die vorhin die drei berühmten Worte gesagt haben. 

„Ich fasse dein Schweigen mal als ja auf." Er grinst verlegen. Langsam setze ich mich in Bewegung und folge ihm. 

Auf dem Dach lässt er mich stehen. Ich schaue zum Geländer hinüber und wieder zu ihm. Will ich es noch schaffen? Könnte ich es noch schaffen? Kommt ganz drauf an, ich habe ihn noch nie rennen gesehen, denn vom Schulsport bin ich befreit. 

Langsam bewege ich mich auf das Geländer zu. Schon habe ich es in der Hand und möchte, so leise wie nur möglich, darüber klettern. Wenn ich erst mal auf der anderen Seite bin, kann er mich nicht mehr aufhalten. 

Ich sehe nochmals zu ihm hinüber um mich zu vergewissern, dass er mich nicht bemerkt hat. Nichts, er wühlt immer noch in seinem geheimen Versteck herum. Mit einer mühsamen aber leisen Bewegung bin ich auf der anderen Seite. 

Jetzt fehlen nur noch knapp 10 Meter bis ich den Rand des Daches erreicht habe. Langsam bewege ich mich darauf zu. Einzelne Ziegelsteine sind lose, daher muss ich besonders vorsichtig sein, sonst hört er mich. 

„Veeda! Was soll der Scheiss?" Er steht noch immer beim Blumenbeet mit einem Blatt Papier in der Hand. Ich bin nicht allzu weit fort von ihm, daher kann ich an seinem Gesicht erkennen, wie er erkennt, dass er einen Fehler gemacht hat, mich loszulassen. 

Wie er bemerkt, dass die Entfernung zu gross ist um etwas zu unternehmen. Wie er merkt, dass er nichts machen kann. „Bitte, tue es nicht." 

„Du verstehst das Ganze nicht. Wenn du verstehen würdest, würdest du mich lassen." „Keine Wunde ist so tief, dass sie nicht mehr heilen kann. Lass ihn nicht gewinnen. Du bist stark. Du kannst damit leben. Du kannst zum Teil vergessen." 

Ich schüttle traurig meinen Kopf. „Hast nicht du selbst gesagt, damals im Fahrstuhl, dass man das nie vergessen kann? Hast nicht du selbst gesagt, manchmal lohnt es sich, nicht mehr zu kämpfen?" 

„Lass mich dir helfen, bitte." Die Verzweiflung die er ausstrahlt lässt mich tatsächlich zögern. Ich versuche es ihm zu erklären aber er kann oder will es nur aus seinen Augen sehen. „Verstehst du nicht? Ich kann nicht mehr. Ich will nicht mehr." Nun heule ich. Na toll. Heulend in den Tod zu gehen war nicht mein Ziel. 

„Nichts ist so schlimm, dass du sterben musst." „Woher willst du das wissen? Du hast die fast perfekte Familie, du hast Freunde. Ich habe das alles nicht. Meine Familie hat mich, nach nur drei Monaten verdrängt. An meinem Geburtstag!" 

Ich gehe weiter, nun da er weiss, wo ich bin muss ich nicht mehr leise sein. „Veeda, bitte!" „Claire! Du kommst auf der Stelle zurück." 

Ruby? Was macht Ruby hier? Ich schaue auf das Dach und suche es ab. Unter einem der losen Ziegel erkenne ich Drucksensoren. Und dann spüre ich, wie mich etwas umschliesst und hochhebt.

„Lass mich los!" 

„Das werde ich nie wieder, ich verspreche es dir." Es ist Daemon seine Stimme klingt anders, fürsorglich, nicht mehr ängstlich wie sie das noch vor kurzem war. 

„Was sollte das werden Claire... Veeda?" „Wow, danke Tante. Gar nicht auffällig, zum Glück weiss er es. Und nun zu dir Daemon, du hast doch gesagt, dass Freunde immer füreinander da sind. Weshalb bist du nicht für mich da?" 

Die Narben der VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt